Fernsehfriedhof

Der Fernsehfriedhof: Besuch aus der Ostzone

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Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Diesmal: Ein wahrer Fernseherklassiker und fester Bestandteil des Tags der deutschen Einheit.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer Serie, die wie keine andere für sozialen Zündstoff und gesellschaftliche Diskussionen sorgte.

«Ein Herz und eine Seele» wurde am 15. Januar 1973 im WDR geboren und entstand zu einer Zeit, als im deutschen Fernsehen Familienserien dominierten, in denen die heile Welt dargestellt wurde. Damit brach der Autor Wolfgang Menge bewusst, als er die Reihe auf Basis der britischen Vorlage «Till Death Do Us Part» entwickelte.

Anders als es der Titel vermuten ließ, herrschte bei der Familie Tetzlaff nämlich keine Harmonie. Der Familienvater Alfred (Heinz Schubert) war nicht sorgenvoll, sondern gehässig, fies und vorurteilsbehaftet. Er schimpfte über alles und jeden und beleidigte mit Vorliebe seine Ehefrau ('Dusselige Kuh'). Daher bekam er schnell den Beinamen 'Ekel Alfred'. Ihm Gegenüber stand seine etwas naive Frau Else (Elisabeth Wiedemann), die sich meist die Angriffe ihres Mannes demütig gefallen lassen musste, aber hin und wieder auch zurückschießen konnte. Im Haus der Bochumer Arbeiterfamilie lebte zudem die aufgedrehte Tochter Rita (Hildegard Krekel) und ihr Ehemann Michael (Diether Krebs), der für Alfred ein besonderer Dorn im Auge war, da er aus der DDR stammte. Die beiden gerieten in zahlreichen Diskussionen über die beiden Staatssysteme immer wieder aneinander und trugen den damaligen Kalten Krieg im heimischen Wohnzimmer aus.

Politische Vorurteile und die damit verbundenen Debatten bildeten stets den Mittelpunkt der Ausgaben und wurden in eine eher simple Rahmenhandlung eingebunden. Dabei nahm Alfred stets einen sehr radikalen Standpunkt ein, der wiederholt zu heftigen Diskussionen nach der Ausstrahlung führte.

Die 45minütige Serie wurde tagesaktuell auf einer kleinen Bühne vor etwa 60 Zuschauern aufgezeichnet und war damit ein Vorläufer der späteren Sitcoms. Sie war im Abstand von zwei bis vier Wochen montags um 20.15 Uhr im Regionalprogramm und anfangs in schwarzweiß zu sehen. Als sich die Produktion immer größerer Beliebtheit erfreute, wurde sie auf dem gleichen Sendeplatz ins Hauptprogramm der ARD übernommen. Da die ersten Episoden anfangs nur einem kleinen Publikum zuggängig waren, entschied man sich, die vier besten Folgen noch einmal neu zu drehen - aber diesmal in Farbe.

Die erste deutschlandweite Ausgabe war 'Der Silvesterpunsch', die am 31. Dezember 1973 ausgestrahlt wurde und bis heute neben «Dinner For One» zum festen Silvesterprogramm aller dritten Programme gehört. Ähnlich verhält es sich auch mit der Folge „Besuch aus der Ostzone", in der Michaels Eltern aus der DDR bei der Familie Tetzlaff aufschlagen. Seit Jahren wird sie am Tag der deutschen Einheit wiederholt. Dieser Tradition bleibt der WDR auch in diesem Jahr treu und zeigt den Klassiker um 18.00 Uhr.

Zunächst lief die Produktion bis zum 04. November 1974 und wurde dann eingestellt. Doch der Wunsch der Zuschauer nach einer Fortsetzung war derart groß, dass es im Jahr 1976 eine Neuauflage gab. Allerdings kamen die frischen Episoden nicht mehr an die Originale heran, was am immer größeren Klamauk lag und daran, dass sowohl Elisabeth Wiedemann als auch Diether Krebs nicht mehr engagiert wurden. Ihre Rollen übernahmen Klaus Dahlen und Helga Feddersen.

«Ein Herz und eine Seele» wurde am 22. November 1976 beerdigt und erreichte ein Alter von 25 Folgen. Die Serie hinterließ den Komiker Diether Krebs, der nach dem Ende der Serie mit «Sketchup» und zahlreichen anderen Comedyformaten legendär wurde. Mit «R.O.S.T. – Die Diether Krebs Show» fabrizierte er später jedoch einen grandiosen Flop. Zuletzt konnte man ihn kurz vor seinem Tod im Jahr 2000 in der Sat.1-Produktion «Der Dicke und der Belgier» sowie in der Actionkömödie «Bang Boom Bang» sehen. Die mittlerweile ebenfalls verstorbene Hildegard Krekel spielte neben vielen kleineren Rollen zuletzt in der WDR-Serie «Die Anrheiner». Autor Wolfgang Menge schuf kurz nach der Wende die Serie «Motzki», die sich um einen verbitterten Mann kurz nach der Wiedervereinigung drehte und so die Vorurteile zwischen Ossis und Wessis karikierte.

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann dem Höhepunkt der Samstagabend-Spielshows von RTL.

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