Hinter den Kulissen
- Erfinderin / Showrunnerin: Michelle Ashford («The Pacific»)
- Darsteller: Michael Sheen («Tron: Legacy», «Midnight in Paris»); Lizzy Caplan («Party Down»); Teddy Sears («Raising the Bar»); Nicholas D'Agosto («Heroes»)
- Regie Pilotfolge: John Madden («Shakespeare in Love»)
- Buchvorlage: Biografie "Masters of Sex" von Thomas Maier
William Masters ist Doktor der Medizin und OP-Chef der Uniklinik, seine Arbeiten auf dem Gebiet der Fruchtbarkeitsforschung werden jedoch kaum gewürdigt und von der Universität verheimlicht. Es sind vielleicht die prüden, reaktionären 1950er Jahre, die Masters’ revolutionären Thesen die Aufmerksamkeit verwehren – und ihm selbst den Ruhm. „Du hast also nur vorgegeben, einen Orgasmus zu haben?“, fragt Masters in einer frühen Begegnung mit Betty. „Ist das Usus unter Prostituierten?“ Sie entgegnet: „Es ist gewöhnliche Praxis bei allen Frauen. Wir spielen Orgasmen vor, nahezu immer.“ Entgeistert schaut Masters drein, Betty trinkt ihr Bier, rülpst ihre offensichtliche Überlegenheit im nächtlichen Nahkampfsport hinaus. „Wenn du etwas über Sex lernen willst, solltest du dir schleunigst eine Partnerin suchen“, ist ihr gut gemeinter Rat.
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Schließlich ist es drittens der historische Kontext, der im Gespräch zwischen Betty und William plakativ etabliert wird: Dass Frauen ihre Orgasmen fälschen, wäre damals offenbar keinem Mann je in den Sinn gekommen. Wir befinden uns in einer völlig anderen Zeit, vor der sexuellen Revolution der 68er, weit vor der modernen Sexualethik und Aufklärung. Dies dürfte jedem Zuschauer nach diesem Gespräch klar werden. Frau und Mann, Sex und Ehe, Ehe und Schwangerschaft, das geht zusammen – alles andere weicht zu dieser Zeit von der Norm ab, ist gesellschaftlich geächtet.
Es ist auch der Bruch mit der Erwartung, die diese Szene so bedeutend macht: Gemäß des Serientitels und der Vorankündigungen erwarten wir eine Geschichte über Menschen, die die sexuelle Revolution auf den Weg bringen, die bahnbrechende Forschung leisten und dementsprechend erfahren sind in ihrem Fach. Was wir zunächst bekommen, ist aber ein Mann, der wenig weiß über den Sex. Weder professionell im Sinne der Wissenschaft, noch emotional auf privater Ebene: Mit seiner Frau, die sich so sehr ein Kind wünscht, schläft er nur in der Löffelchenstellung, bei gedimmtem Licht und nicht ohne Hemd.
„Wir könnten uns wenigstens dabei in die Augen schauen“, sagt sie nach dem kurzen Akt. Er verneint, die Stellung sei die beste für eine Empfängnis. Die ganze Tragödie dieser Serie wird langsam offenbart, es ist eine private und gleichzeitig professionelle: Das Paar Masters kann kein Kind bekommen, und es deutet alles darauf hin, dass William unfruchtbar ist. Dieser will nichts davon wahrhaben, verschließt sich vor der vermeintlichen Wahrheit – und stürzt sich in die Arbeit, die vielleicht eine Art Schocktherapie sein soll für denjenigen, dem die emotionale Seite des Sex, der Liebe verwehrt bleibt. Dass sein Assistent im Labor ihm morgens von einem Blowjob seiner Sekretärin erzählt, macht die Sache nur noch frustrierender. „Was auch immer das ist, es ist unglaublich“, resümiert der Assistent nach dieser nächtlichen Offenbarung.
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Vieles stimmt an dieser neuen Serie auch abseits der Story, wie üblich für Standards des Pay-TV-Senders Showtime: Bewundernswert die Sets, die Dekoration und Kostüme, die den biederen grau-braunen Charme der 1950er wunderbar wiederaufleben lassen. Hier steht man dem Vorbild «Mad Men» in nichts nach. Großartig auch die Schauspieler, unter anderem Martin Sheen, der Masters minimalistisch trocken und wunderbar beifällig sarkastisch spielt. Herausragend aber ist Lizzy Caplan, die ihre Rolle als Sekretärin Johnson selbstbewusst wortgewaltig spielt. Sie ist das erotische Salz in der sonst nüchternen Sex-Suppe, ihre Darbietung geheimnis- und damit fantasievoll. Man scheint die lüsterne Spannung fast greifen zu können, als sie von Masters den Job als Studienpartnerin angeboten bekommt.
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ZDFneo zeigt die erste Staffel der Serie ab Dienstag, 5. August 2013, immer dienstags um 22.45 Uhr.
Dieser Artikel erschien erstmals im Oktober 2013 anlässlich des US-Starts der Serie.