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Schon an diesem Donnerstag offenbart sich ein konkretes, plakatives Beispiel für jene Programmpolitik, die Senderchefs als ungünstig bezeichnen und Kritiker als verfehlt tadeln würden: Um 20.15 Uhr, zur besten Primetime-Sendezeit, lassen Das Erste und das ZDF Spielshows auf den Sender, jeweils gänzlich neue Formate mit ihrer eigenen spannenden Geschichte. Im Ersten: Matthias Opdenhövels neuer Show-Versuch, der einmal mehr zeigen soll, ob sich der vergleichsweise junge ARD-Moderator als Zugpferd auf der Unterhaltungsbühne durchsetzen kann. Im ZDF: Johannes B. Kerners Rückkehr nach Mainz, der zwar niemandem mehr beweisen muss, dass er Show moderieren kann, es aber trotzdem wieder tut – verbunden mit der Frage, ob er nach der erfolglosen Sat.1-Zeit noch als Quotenbringer funktionieren kann.
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Gerade die konzeptuelle Ähnlichkeit der Shows – man könnte auch sagen: fast aller ARD- und ZDF-Shows – macht diese Parallelprogrammierung noch unverständlicher, noch unsinniger. Denn Zuschauer, die eine Alternative bei den großen Öffentlich-Rechtlichen suchen, finden am Donnerstag keine. Vielleicht geht dann die Rechnung sogar für beide Sender nicht auf, weil beide Formate floppen: Sie nehmen sich gegenseitig Zuschauer weg, zudem hat das Privatfernsehen mit dem Staffelstart von «The Voice» eine echte Show-Alternative. Auch für diejenigen, die vor lauter Superlativen bei ARD und ZDF nicht mehr wissen, bei welcher Show sie eigentlich einschalten: Da gibt es die unglaublichen Helden (Opdenhövel), das fantastische Quiz (Hirschhausen), es gibt die Klügsten (Pflaume) und die Meister (wieder Pflaume), und es gibt das unglaubliche Duell (Pflaume zum Dritten) allein im Ersten. Das ZDF kontert mit Superhirnen und Super-Champions (Pilawa). Wer hier als Zuschauer den Überblick behält, hätte wohl Chancen auf einen Programmchef-Posten.
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Die Ursprünge für die interne Konkurrenz der Sender, die sich im dualen Rundfunksystem eigentlich komplementär ergänzen sollten, liegen in den frühen 1990er Jahren. Seit der Gründung des ZDF hatte es zwischen den beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten sogenannte Koordinierungsabkommen gegeben, die – meist für ein Jahr im Voraus – die jeweiligen Sendeschemata aufeinander abstimmten. Ziel dieser Abkommen war es, den Zuschauern alternative Programme zu bieten und Genre-Dopplungen zu vermeiden. Im Jahr 1990 verschärften sich entsprechende Verhandlungen durch den sich rapide verändernden Fernsehmarkt: RTL stieg zum ernstzunehmenden Konkurrenten auf, stand kurz vor den ersten schwarzen Zahlen. Und mit dem Ende der DDR kamen zahlreiche neue Zuschauer, die gewonnen werden wollten. Im Zuge eines Streits um Werberestriktionen und die Abstimmung des Vorabendprogramms beendeten ARD und ZDF ihre Zusammenarbeit, ein neues Koordinierungsabkommen kam nicht zustande.
Schleichend und im Zuge diverser Reformen näherten sich die Senderschemata teils immer weiter an, bis gleiche Programmfarben an der Tagesordnung waren. Heute sind sie alltäglich und kaum noch Gegenstand einer Diskussion – bestes jüngeres Beispiel: Der Versuch im Ersten, mit den «Heiter bis tödlich»-Krimis Zuschauer vom ZDF abzugreifen, die am Vorabend mit diesem Genre äußerst erfolgreich sind. Auch die Talkstrecken am späten Abend fallen als ähnliche Programmierungen besonders auf. Dass die beiden öffentlich-rechtlichen Anstalten heute mehr Konkurrenten als Partner sind, lässt sich auch an den unsäglichen Live-Sendungen festmachen, die auf beiden Sendern parallel gezeigt werden. Royale Hochzeiten und Ereignisse oder das traditionelle Neujahrskonzert wurden bis vor kurzem von je eigenen Teams bei ARD und ZDF hergestellt, mittlerweile hat man sich hier zumindest teilweise wieder koordiniert: Die Silvesterkonzerte werden seit 2012 jährlich im Wechsel ausgestrahlt, bei den meisten royalen Events wechselt man sich ebenfalls ab.
Und doch bleibt die punktuelle Gleichfarbigkeit der beiden Sender, die eigentlich dafür sorgen sollten, dass uns Zuschauern ähnliche Programme zur gleichen Zeit erspart bleiben – schließlich geben wir sonst auch kein Geld für zwei Leistungen aus, von denen wir nur eine nutzen können. Das Argument „Gebührenverschwendung!“: Es ist in diesen Wochen wieder in Mode, diesmal nicht ganz zu Unrecht.