Inhalt:
Hinter den Kulissen
- Regie: Rene Heisig («Alles für meine Tochter»)
- Produzenten: Mark Horyna («Bloch», «Linda geht tanzen») und Michael Souvignier («Marco W. - 247 Tage im türkischen Gefängnis», «Contergan»)
- Kamera: Peter Nix
- Musik: Oliver Biehler
- Produktion: Zeitsprung Pictures
Sein Bruder war an einer neuartigen Krankheit namens Aids erkrankt. Ralf findet heraus, dass rund 90 Prozent aller Bluter, die bei Professor Schubert in Behandlung waren, mit der Immunkrankheit infiziert sind. Für ihn steht fest: Das Medikament „Faktor 8“ ist verseucht. Er will die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, doch das ist schwerer als gedacht. Die Menschen haben Angst vor Aids und meiden die Infizierten. Diese Situation nutzt der Pharma-Lobbyist Arndt Dobler aus, um den Skandal zu vertuschen. Auch Ralfs Bruder Thomas will nicht, dass seine Infektion bekannt wird und gerät so in einen großen Streit mit Ralf.
Darsteller:
Max Riemelt («Die Welle») als Ralf
Lavina Wilson («Der letzte schöne Tag») als Martina Meissner
David Rott («Der Mann mit dem Fargott») als Thomas
Fabian Busch («Die Jagd nach dem Bernsteinzimmer») als Stefan
Heikko Deutschmann («Die Minensucherin») als Arndt Dobler
Kritik:
Der Film «Blutgeld» beschäftigt sich auf wirklich gut gelungene Weise mit dem Blutkonservenskandal, der in den 80er Jahren in Deutschland aufkam. Lässt es Regisseur René Heisig am Anfang noch ruhig angehen, was dem Film kurzzeitig eine langatmige Note gibt, so dreht er ab der Mitte richtig auf. Ganz ohne Action und unnötige Sentimentalität setzt er den Zuschauer in eine Gefühlsachterbahn, die an rasanten Richtungswechseln ihresgleichen sucht. Freut man sich in einem Moment noch für Ralf, der endlich einen Arzt gefunden hat, der vor Gericht aussagen will, ist man kurz drauf schon wieder richtig enttäuscht, weil eben dieser Arzt sich umgebracht hat. Besonders gut gelingen diese Gefühlsausbrüche, wenn Heikko Deutschmann als Pharma-Lobbyist vor der Kamera steht. Die lässige Gleichgültigkeit, die er den Opfern entgegenbringt, oder die Art und Weise, wie er das Bundesgesundheitsministerium erpresst, sorgt dafür, dass sich mit jeder Sekunde mehr Verachtung und Rachegefühle für diese Person aufbauen.
Doch woran liegt es, dass «Blutgeld» so gut mit den Gefühlen des Zuschauers zu spielen weiß? Ein Grund sind ganz bestimmt die tollen Schauspieler, denn nicht nur Heikko Deutschmann füllt seine Rolle hervorragend aus. Auch der Streit zwischen Ralf und Thomas sowie die Beziehung von Ralf und der Ärztin Martina Meissner wurden grandios in Szene gesetzt. Anstatt Ralf in seinem Kampf gegen die Pharmaindustrie zu unterstützen, ist Martina mehr und mehr genervt von den geringen Chancen auf Erfolg und will einfach nur ein normales Leben mit ihm führen. Das macht sie zeitweise unsympathisch, schließlich wünscht man sich auch als Zuschauer einen Sieg über die Pharmaindustrie. Doch es ist durchaus sehr glaubhaft erzählt und trägt so dazu bei, dass der Film sich nicht in einer weiteren abgekauten Liebesgeschichte verliert. Zudem spiegelt diese Beziehung auch die allgemeine Unsicherheit der Bevölkerung gegenüber Aids wieder und ist damit ein Sinnbild für die Angst vor den Erkrankten. Die zeigt sich auch im Umgang der Menschen mit Thomas, der ständig Angst haben muss, dass sich keine Patienten mehr von ihm behandeln lassen wollen. Aus heutiger Sicht völlig unverständlich, war diese Verachtung in der Bevölkerung damals normal und wird im Film zwar subtil, aber überzeugend vermittelt.
Ein weiterer Grund für die starken Emotionen des Films ist wohl, dass die Geschichte auf wahren Ereignissen aufbaut. Wer das Geschehen damals miterlebt oder im Vorfeld etwas über den Skandal gelesen hat, weiß, dass der Fall nie richtige Konsequenzen hatte. Die Verantwortlichen sind heute immer noch auf freiem Fuß und vermutlich weiterhin in der Pharmaindustrie oder der Politik beschäftigt. Diese Situation nutzt «Blutgeld» aus, um ein „Vielleicht verliert das Böse ja doch“-Gefühl beim Zuschauer zu wecken. Wie bei «Titanic» ist jedem bewusst, dass das Schiff unter geht beziehungsweise die Opfer des Skandals nie entschädigt werden. Trotzdem bleibt die Hoffnung bis zum Schluss erhalten. Im Gegensatz zu «Titanic» ist besagtes Ende in «Blutgeld» auch noch recht offen gehalten. Die letzte Szene zeigt Ralf, wie er in einem TV-Interview über sein Schicksal berichtet. Auch hier ist der Film mutig. So kann man den Schluss als Beispiel für die Grundeinstellung nennen, die im ganzen Film den Tenor angibt. Anstatt den populistischen Weg zu gehen und einen Film über den Kampf gegen die Pharmaindustrie zu produzieren, entschieden sich die Macher dafür, die Geschichte der drei Brüder in den Mittelpunkt zu stellen. Das Konzept geht auf - und das ohne viel melancholische Musik und Tränen.
Die Produktionsfirma Zeitsprung hat schon früher mit Filmen wie «Das Wunder von Lengede» oder «Contergan» Erfolge gefeiert. 2011 musste sie allerdings aufgrund von verschobenen Aufträgen Insolvenz anmelden. Umso erfreulicher ist es, dass Produzent Michael Souvignier auch nach dieser schweren Zeit das Profil seiner Firma nicht aufgegeben hat und weiterhin Filme produziert, die schwierigen Stoff wirklich gut aufarbeiten. Zwar muss gesagt werden, dass «Contergan» noch ein Stück impulsiver wirkte, allein schon wegen des viel größeren Ausmaßes des Skandals. Aber vielleicht ist auch nicht ganz fair, die beiden Filme so direkt zu vergleichen.
«Blutgeld» ist ein wirklich guter Film über einen Medikamentenskandal, der viel zu wenig Aufmerksamkeit bekommen hat. Er lebt in erster Linie von seinen großartigen Schauspielern, die es schaffen, dass sich die Gefühle des Zuschauers schlagartig verändern, ohne ihn dabei zu verlieren. Nach der Ausstrahlung von «Contergan» wurden die Renten der Opfer noch einmal erhöht. Ob «Blutgeld» auch etwas für die Opfer des Blutkonservenskandals ändert, bleibt abzuwarten. Produzent Michael Souvignier wünscht sich jedenfalls, dass sie durch den Film nicht in Vergessenheit geraten.
«Blutgeld» läuft am Montag, 28. Oktober 2013 um 20.15 Uhr im ZDF.