Hingeschaut

Schwacher Becker, starke Show

von

Der groß angekündigte Showdown blieb bei «Alle auf den Kleinen» aus. Einen unterhaltsamen Abend verbrachte das Publikum allerdings aufgrund zahlreicher guter Spielideen trotzdem.

Noch nicht einmal ein Jahr und nur drei Folgen ist «Alle auf den Kleinen» alt, doch aus Quotensicht hat das Format bereits beinahe alle möglichen Höhen und Tiefen miterlebt: Kam der Auftakt Anfang Januar noch auf sehr gute 13,9 Prozent des Gesamtpublikums sowie fantastische 21,1 Prozent der werberelevanten Zielgruppe bei 3,95 Millionen Zuschauern, mussten die Programmverantwortlichen zuletzt Anfang September mit nur noch 7,1 und 8,2 Prozent bei 1,58 Millionen schmerzlich feststellen, dass die konzeptionell stark an «Schlag den Raab» erinnernde Show im direkten Vergleich mit ihrem großen Vorbild keinerlei Chancen hatte. Um nach diesem programmplanerischen Super-Gau wieder auf einen grünen Zweig zu gelangen, ließ man Oliver Pocher in Folge vier erstmals gegen einen Prominenten antreten - dem Unterhaltungsfaktor der Show schadete dies immerhin kaum.

Ob der medial aufgebauschte "Twitter-Krieg" zwischen dem TV-Moderator und dem inzwischen zur Karikatur seiner selbst verkommenen ehemaligen Tennis-Weltstar Boris Becker nun authentisch war oder als reines PR-Mittel diente: Bei RTL wird man froh darüber gewesen sein, stellt es doch eine exzellente Werbung für «Becker gegen Pocher - Der Showdown» dar. Neben Boris darf sogar dessen neueste Gespielin Lilly Becker antreten, nach dem Abgang von Sandy alias Alessandra Pocher stellt sie in dieser Folge das optisch wohltuende, intellektuell und in diesem Fall sogar sprachlich doch in manchen Momenten arg herausgeforderte Püppchen dar. An weitere konzeptionelle Anpassungen muss sich der Zuschauer jedoch nicht gewöhnen.

Immer wieder positiv überrascht darf man als Zuschauer von der Kreativität der Verantwortlichen hinsichtlich der Spiele-Auswahl sein, denn auch wenn aufgrund des fehlenden Live-Feelings nie die zum Teil atemberaubende Spannung und der große Event-Charakter von «Schlag den Raab» erreicht wird: Hinsichtlich der Spiele-Auswahl weiß der etwas stärker auf Unterhaltung denn auf einen ernsthaften sportlichen Wettbewerb ausgerichtete RTL-Klon häufig zu gefallen. In dieser Folge beginnt man mit dem an Tetris erinnernden Strategiespiel "Blockade", in der die Kandidaten knieend Kisten zu verschieben und sich auf diese Weise einen Weg ins Ziel zu bahnen haben. Auch den "Twitter-Krieg" nutzt man für ein Duell innerhalb der Show, indem man Boris und Oli aufträgt, ihren Partnern (Letzterer bekommt Giovanni Zarella als Mitstreiter an die Seite gestellt) Stichworte zu twittern, die sie zu Namen bekannter Persönlichkeiten führen sollen.

Dass dabei nicht alle Ideen auch in ihrer Umsetzung funktionieren, liegt in der Natur der Sache. So ist "Klatschball" - ein Match, in dem Pocher und Becker mit zwei Fliegenklatschen auf dem Kopf ausgerüstet einen Ball ins Tor des Gegners bugsieren müssen - bereits nach wenigen Minuten beendet, da insbesondere Becker keinerlei Zugang zum Spiel findet. Doch Sport-Duelle, die an der fehlenden Begabung der beiden Teilnehmer scheitern, kennt man auch bei ProSieben zur Genüge - und hatten nicht selten schon einen ganz eigenen Unterhaltungswert. Gar zum zweiten Mal dabei ist Max Giermann im Spiel "Körper-Karaoke", wo der Komiker bekannte Hits pantomimisch darstellt.

Das einzige große Problem der Show ist ein schwacher Boris Becker, der sich an diesem Tag kaum konkurrenzfähig zeigt und fast durchgehend mäßige Leistungen abliefert. Ausgerechnet Lilly ist zum Großteil für die Punktgewinne des Tennis-Stars hauptverantwortlich, während Boris selbst seinem Konkurrenten lediglich beim Basketball und natürlich Tennis recht klar überlegen ist. Auch mit dem Austausch verbaler Nettigkeiten halten sich beide erstaunlich oft zurück, mehr als das gewohnte harmlose Gefrotzel wird enttäuschenderweise selten geboten. Somit steht Becker zwar dank seines auch nach diversen peinlichen Auftritten in der Öffentlichkeit noch immer großen Namens für einen spannenden Schlagabtausch, die Performances in den Spielen kommen seinerseits jedoch häufig enttäuschend lethargisch und unmotiviert daher.

Ob also ein solches Promi-Special aus rein inhaltlicher Sicht wirklich notwendig war, ist zweifelhaft. Boris Becker sorgt weder mit besonders großem Kampfgeist noch mit einem wirklich gesteigerten Unterhaltungwert für einen Mehrwert gegenüber den zuvor gezeigten Folgen mit normalen Kandidaten, geistig dürfte er den meisten sogar deutlich unterlegen sein. Dennoch ist «Alle auf den Kleinen» ein unverändert spaßiges und trotz seiner mit gut drei Stunden Laufzeit recht üppigen Länge sogar kurzweiliges Format, das ein Highlight im aktuellen Show-Repertoire von RTL darstellt. An schwachen Fernsehabenden lohnt sich somit immer ein Blick auf die von Sonja Zietlow sehr souverän moderierte Sendung - noch einmal sollte man jedoch nicht den Fehler machen, an ein Bestehen gegen Deutschlands spannendste Unterhaltungsshow zu glauben.

Kurz-URL: qmde.de/66974
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger ArtikelComedy und Baseball begeisternnächster Artikel«Alle auf den Kleinen»: Becker bringt Rekord

Optionen

Drucken Merken Leserbrief



Heute für Sie im Dienst: Fabian Riedner Veit-Luca Roth

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung