Inhalt
Hinter den Kulissen
- Regie: Bodo Fürneisen
- Drehbuch: Bernd Böhlich
- Musik: Rainer Oleak
- Kamera: Andreas Schäfauer
- Schnitt: Saskia Metten
Es ist ein harmloses Feierabendbier mit seinem Vater, das den Alkohol sonst abgeneigten Lukas auf den Geschmack bringt. Der gestresste Jugendliche verbindet nun erstmals positive Assoziationen mit alkoholischen Getränken und greift daher auch beim Abendessen mit Mutter Beate und deren Freund Karsten zum Weinglas. Als er seinen Mitschülern eines Tages anbietet, ihn an einem sturmfreien Abend zu besuchen und zu betrinken, erhält er schließlich den lang erwarteten Rückhalt, wird in die Clique aufgenommen. Lukas steigert sich in den exzessiven Alkoholkonsum hinein, davon überzeugt, so endlich sein Glück in die Hand zu nehmen ...
Darsteller
Markus Quentin («Zum Geburtstag») als Lukas Güttler
Aglaia Szyszkowitz («Einsatz in Hamburg») als Beate Güttler
Oliver Mommsen («Tatort») als Karsten Berger
Kai Scheve («Wir haben gar kein Auto») als Jochen Güttler
Anna Lena Klenke («Fack ju Göthe») als Sylvia Manthey
Julius Nitschkoff («Notruf Hafenkante: Einsatz für Wolle») als Timo Lange
Kritiker
Selten kommt ein Drama auf die Fernsehbildschirme, das gleichzeitig so sensibel und dermaßen überzogen mit seiner Thematik umgeht wie der im Ersten gezeigte SWR-Problemfilm «Komasaufen». Darin versucht das aus Regisseur Bodo Fürneisen und Autor Bernd Böhlich bestehende Duo, das bereits den 2008 entstandenen Film «Mein Mann, der Trinker» verantwortete, die Thematik seines Achtungserfolgs für die Zielgruppe des Jugend-Fernsehdramas «Homevideo» neu aufzugreifen. Doch während die bedrückende Regiearbeit von Kilian Riedhof weitestgehend mit realitätsnaher Tristesse von einem relevanten wie brisanten gesellschaftlichen Brennpunkt erzählte, gelingt dies bei «Komasaufen» lediglich phasenweise.
Gewisse inhaltliche Kniffe sind bei einer Produktion wie dieser schon allein durch den thematischen Rahmen vorgegeben. So muss ein Film über die Problematik des Komasaufens unter Jugendlichen schlichtweg weitere Aspekte aufgreifen, um zu funktionieren: Ärger in der Schule, Stress mit der Familie und Gruppendruck können kaum ausgeblendet werden, möchten die Filmverantwortlichen eine funktionierende Geschichte über einen sich im Alkohol verlierenden Jugendlichen spinnen – liefe etwa mit Lehrern und Eltern alles glatt, so würden die Exzesse logischerweise zu früh gestoppt, als dass sich ein erfolgreich appellierender Problemfilm ergeben würde. Die Kunst, die es daher zu meistern gilt, ist es, die Sorgen des Protagonisten realistisch zu zeichnen und neben der Kernthematik des Films genügend weiterreichende Baustellen aufzumachen, ohne dabei den Fokus zu verlieren oder alternativ ein melodramatisches Werk abzuliefern, das den angerissenen Themenfäden nicht gerecht wird.
Hinsichtlich der Familiensituation der im Zentrum von «Komasaufen» stehenden Figur Lukas fanden Fürneisen und Böhlich beispielsweise die richtige Balance. Als Jugendlicher, der einen guten Draht zu seinem Vater hat und daher die neue Beziehung seiner Mutter missbilligt, befindet sich Lukas in einer glaubwürdigen Situation, in der ungesunder Alkoholkonsum entstehen kann. Gleichwohl ist Lukas' Familienleben kein übertrieben tragisches, wodurch dieses 90-minütige Fernsehdrama thematisch ausfransen würde. Lukas wird nicht geschlagen, psychologisch misshandelt oder von seinen Eltern völlig ignoriert, ebenso wenig wie er von seinen Eltern oder dem Freund seiner Mutter einen falschen Umgang mit Alkohol vorgelebt bekommt. Generell sind die Familienszenen die stärksten des Films: Zwischendurch legt Oliver Mommsen seine Rolle des ungeliebten Ersatzvaters etwas zu starrsinnig an, insgesamt erschafft er aber eine runde Figur mit hellen und begriffsstutzigen Momenten, ebenso wie Aglaia Szyszkowitz und Kai Scheve als Lukas' wohlmeinende Eltern überzeugen, die einfach nicht dazu kommen, die Situation ihres Sohnes korrekt einzuschätzen.
Auch die Charakterisierung Lukas' ist plausibel und wird von Hauptdarsteller Markus Quentin unprätentiös umgesetzt. Mit kleinen mimischen und gestischen Mitteln erweckt er einen stillen, sorgenvollen Jugendlichen zum Leben, der nicht den richtigen Moment findet, endlich mit dem Saufen aufzuhören. Wie Lukas zum Alkohol findet – erst durch ein genussvolles Feierabendbier, später durch Partys, auf denen ihm niemand Grenzen setzt – ist ebenfalls stimmig. Absolut haltlos gerät in «Komasaufen» unterdessen die Darstellung von Lukas' Klassenkameraden, die den schlimmsten Albträumen besorgter Eltern entsprungen scheint.
Sicherlich, es mag auf den Gymnasien der Bundesrepublik einige missratene Teenager geben. Dass aber nahezu ein gesamter Oberstufenjahrgang aus prahlerischen, selbstverliebten Schnöseln ohne jeglichen Respekt vor Autoritäten besteht, deren Partys lediglich aus Alkohol und Sex bestehen und die unentwegt wie diabolische James-Bond-Schurken grinsen, ist gleichermaßen lächerlich wie anstrengend. Und es sind eben diese Szenen, in denen sich Lukas in seiner neuen Clique einlebt, die derart überzogen und plakativ sind, dass ein großer Teil der Sensibilität und Effektivität von «Komasaufen» verloren geht. Wie ernst sollen Jugendliche schon ein Drama zeichnen, in denen problematischer Alkoholkonsum eng mit schurkischen Teenager-Karikaturen verbunden ist? Weniger wäre hier mehr gewesen, zumal «Komasaufen» mit seiner Skizzierung von Jugendlichen leichtgläubige Eltern nur paranoid machen wird, statt sie darauf hinzuweisen, wie einfach unbescholtene Heranwachsende ins Gesaufe abrutschen können.
Mit dem konsequenten und zurückhaltend inszenierten, aber effektvoll und dramatisch geschriebenen Schluss macht «Komasaufen» zwar wieder einige Punkte gut, dennoch bleibt ein Film zurück, der ein redliches Ziel verfolgt, aufgrund seiner Übertreibungen allerdings an Wirkungskraft verliert.
«Komasaufen» ist am 30. Oktober 2013 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.