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Auch in Deutschland blieb dieser Trend nicht unerkannt und wurde schnell importiert. Als einer der ersten Kanäle versuchte sich RTL an der Produktion einer eigenen Variante und griff dabei sicherheitshalber direkt auf das britische Original zurück. So heuerte der deutsche Regisseur Ulrich Schwind mit seinem Team auf dem Kreuzfahrtschiff AIDA an und ging dort auch auf die Suche nach interessanten Geschichten unter den Urlaubern und Angestellten. Fündig wurde er unter anderem in der Schiffsfriseurin Rosa, die von einer Karriere als Opernsängerin träumte und letztlich im AIDA-Theater auftreten durfte. Außerdem begleitete er den Bord-Tänzer Stephan, der das Schiff für ein Engagement auf dem Festland verließ, den Animateur Ernie, der seinen Sohn wiedersehen wollte und den verliebten Restaurantchef Uwe, dessen frische Beziehung auf See zerbrach.
Entscheidend für die enorme Verbreitung des neuen Genres war auch seine scheinbar schnelle und günstige Herstellungsweise. Dabei wurde jedoch meist übersehen, dass Chris Terrill bei «The Cruise» insgesamt acht Monate brauchte, um das umfangreiche Material so zu schneiden, dass am Ende jene interessanten Geschichten entstehen konnten. Bei den Erlebnissen der deutschen Kreuzfahrer ließ sich das Team deutlich weniger Zeit, wodurch das Resultat einige dramaturgische Schwächen und Längen aufwies. Außerdem wollte man sich nicht zu sehr auf das Glück verlassen und griff darauf zurück, einzelne Situationen nachzustellen. Von Beginn an, war das Genre in Deutschland deswegen mit der Frage konfrontiert, wo Realität aufhört und wo Fiktion anfängt.
Als ein weiteres Problem stellte sich der zugrunde liegende Kooperationsvertrag mit der Reederei heraus, der festlegte, dass ein durchweg positives Bild über das Schiff und das Reisen an Bord zu zeigen war. Größere Streitigkeiten oder allzu kritische Situationen mussten seichten Wohlfühl-Stories und „schönen, knackigen, bunten Bildern“ weichen, wodurch es der Sendung an Brisanz und Abwechslung mangelte.
Auch die Kritiker der damaligen Zeit fanden selten nette Worte für den Neustart. Besonders hart formulierte Barbara Sichtermann ihr Urteil in der ZEIT. Dort hieß es: „Freude werden an dem hybriden Krampf höchstens solche Zeitgenossen haben, die sich gewohnheitsmäßig selbst auf Reisen filmen und das Getue, in das sie vor ihrer eigenen Kamera verfallen, für eine Abart höherer Wahrhaftigkeit und deshalb für sehenswert und öffentlich präsentabel halten. Inzwischen sind es nur noch die im Geiste Allerärmsten, die derart ihr Ego aufblasen und dann auch noch darauf brennen, sich die Entsprechung im Fernsehen anzutun.“
Die inhaltlichen Schwächen ignorierend und durch den Erfolg in Großbritannien ermutigt, erhielt die deutsche Version ebenfalls einen Sendeplatz in der Primetime, nämlich am Freitagabend um 20.15 Uhr. Vor dem Start tönte der damalige RTL-Geschäftsführer Gerhard Zeiler noch vollmundig: „Ich glaube 1000prozentig, dass das Format in Deutschland Zukunft hat.“ Schnell musste er seine Meinung öffentlich revidieren, denn mit Zuschauerzahlen um zweieinhalb Millionen Menschen entpuppte es sich von Anfang an als Totalflop. Da die Zahlen in den nachfolgenden Wochen nicht anstiegen, wurde bereits drei Wochen nach der Premiere die Absetzung beschlossen.
«Das Clubschiff» wurde am 19. März 1999 beerdigt und erreichte ein Alter von sechs Folgen, von denen jedoch nur die Hälfte ausgestrahlt wurden. Dennoch setzte sich das Genre auch in Deutschland durch. Ein Grund dafür dürfte im Erfolg des Sat.1-Formats «Die Fahrschule» zu suchen sein, das ebenfalls auf einer britischen Vorlage basierte, die wiederum im Fahrwasser des Erfolges von «The Cruise» entstand. Übrigens, seit Januar 2010 zeigt das Erste mit «Verrückt nach Meer» eine Serie, die sehr ähnlich funktioniert wie «Das Clubschiff» und im Nachmittagsprogramm gute Reichweiten erzielt.
Möge die Reihe in Frieden ruhen!
Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann dem Versuch des ZDFs, auf den Quizboom aufzuspringen.