Die heimliche TV-Ikone
Alan Taylor ist einer der gefragtesten TV-Regisseure und inszenierte einige der besten Episoden zahlloser einflussreicher TV-Serien. Darunter fallen «Oz», «Sex and the City», «Die Sopranos», «Six Feet Under», «Lost», «Mad Men», «Boardwalk Empire» und «Game of Thrones».Aber immer hübsch der Reihe nach: All die düsteren Machenschaften, die Loki (Tom Hiddleston) in «Thor» und «Marvel's The Avengers» auszuüben versuchte, haben Thor und seinen kämpferischen Vertrauten in ihrer Heimat Asgard sowie in den benachbarten Reichen allerlei Scherereien eingebrockt. Doch immerhin haben die ständigen Gefechte Thor zu einem hellsichtigen Kämpfer und Anführer heranwachsen lassen, der Göttervater Odin zu Recht stolz macht. Thors charakterliche Fortschritte kommen auch keinesfalls zu früh, denn durch eine sich anbahnende Sternenkonstellation schlägt für den ältesten Feind Asgards der perfekte Zeitpunkt für grausame Rache: Malakeith (Christopher Eccleston), der Anführer der diabolischen Dunkelelfen, hat nach Tausenden von Jahren wieder die Chance, an eine mächtige Waffe zu gelangen, welche das gesamte Universum in einen unwirtlichen Ort verwandeln würde.
Um diese Bedrohung abzuwenden, muss Thor eine gefährliche Reise quer durch die Neun Reiche in Angriff nehmen, in deren Verlauf er sowohl auf seine große Liebe, die Astrophysikerin Jane Foster (Natalie Portman), trifft, als auch gemeinsame Sache mit seinem Adoptivbruder Loki machen muss …
Wenig überraschend fungiert der Kernplot mit der von Malakeith ausgehenden Bedrohung in «Thor – The Dark Kingdom» bloß als grobes Fundament für das sich entwickelnde Heldenabenteuer, weshalb die den Konflikt etablierenden ersten Filmminuten etwas schleppend geraten sind. Erst sobald alle Motivationen erklärt und die wichtigsten Begriffe, Orte oder Gegenstände eingeführt sind, entsteht genügend Raum für coole Actionmomente, urkomische Comedysequenzen und ansprechende Charakter-Subplots. Diese sind es, die der „Ein uralter Feind will zurückschlagen“-Handlung der aufwändigen Marvel-Produktion Leben und Vergnüglichkeit einhauchen. Denn während Malakeith als Gefahr für lange Zeit kaum greifbar bleibt und einen recht blassen, dünn charakterisierten Widersacher darstellt, sind die von seinem Handeln beeinflussten einzelnen Passagen in «Thor – The Dark Kingdom» nicht nur so pointiert, dass sie die Schwächen des Films wett machen. Die Spitzenmomente von Alan Taylors Abstecher in Marvels Kinouniversum sind obendrein so stimmig, dass sie ihn zu einem der besseren Teile des filmischen Marvel-Franchises machen.
So dürfte es die Fans des verfeindeten Adoptivbrüder-Gespanns Thor/Loki erfreuen, dass ihre Beziehung zueinander komplexer gezeichnet wird als im zwar gut gespielten, doch diesbezüglich eindimensionalen ersten Teil. Hemsworth und Hiddleston haben dieses Mal weit mehr Gelegenheit, Hoffnungsschimmer aufblitzen zu lassen und so die vergiftete Dynamik zwischen ihren Figuren aufzuhellen. Umso schwerer treffen dafür dann die harschen Betrügereien Lokis oder auch Thors lautstark vorgetragene Distanzierung von seinem Adoptivbruder. Gestützt wird der Subplot rund um die göttlichen Gebrüder dadurch, dass «Thor – The Dark Kingdom» vermehrt auch beleuchtet, wie Odin (routiniert: Anthony Hopkins) und seine Frau Frigga (Rene Russo) zu den Brüdern stehen.
Unterdessen verlässt sich die Liebesbeziehung zwischen Jane und Thor zwar zu großen Teilen auf die im Vorgänger aufgebaute Leinwandchemie Portmans und Hemsworths, doch der gesunkene Anteil an überzeugenden romantischen Momenten ist leicht zu verschmerzen. Denn dafür baut diese Fortsetzung das humorige Geplänkel aus, das sich die beiden Figuren im ersten Teil leisteten, und erlaubt es den Darstellern, ihr fantastisches komödiantisches Timing für ausführliche Screwball-Momente zu nutzen. Neben den herrlichen Neckereien von Thor und Jane besticht auch wieder die von Sitcomstar Kat Dennings gespielte Physikpraktikantin Darcy mit spitzer Zunge und cleveren Kommentaren zum Geschehen.
Der starke Comedyaspekt des Films umfasst des Weiteren Nebendarsteller Stellan Skarsgård sowie die feschen Referenzen auf den Marvel-Kosmos. Die größte Überraschung dürfte derweil der gekonnt Effektbombast mit comichaftem Slapstick vereinende Schlussakt sein, in dem die Figuren quer durchs Universum reisen und dabei auf äußerst witzige Weise mit den Regeln der Physik spielen. Die Action ist im Finale bunt, rasant und einfallsreich und somit ein gekonnter Kontrast zu den in einem rustikal-dreckigen Look gehaltenen Scharmützeln, die Alan Taylor in den ersten zwei Dritteln von «Thor – The Dark Kingdom» zeigt und die die verrückte Mythologie von Marvels «Thor» effektiv erden.
Zwar hätte der von Komponist Brian Tyler («Iron Man 3») melodisch untermalte Film eine weitere Drehbuchrevision vertragen, um ins Leere laufende Mini-Handlungsstränge zu eliminieren und den Einstieg zu stärken, trotzdem bietet «Thor – The Dark Kingdom» spaßiges Popcornkino, das dass Marvel-Kinouniversum beeindruckend erweitert. Die dramatischen Momente zwischen Thor und Loki sind großartig gespielt, der Dialoghumor sitzt und im Finale liefert die Produktion Schauwerte sowie Gags am laufenden Band. Außerdem bereitet der Film das Kinopublikum gemächlich auf den anstehenden Space-Irrsinn vor, den Marvel kommendes Jahr in petto hat. Hoffentlich ist dann auch das 3D wieder schärfer, denn nach «Marvel's The Avengers» und «Iron Man 3» ist die kontrastarme 3D-Version von «Thor – The Dark Kingdom» eine kleine Enttäuschung.
«Thor – The Dark Kingdom» ist ab dem 31. Oktober 2013 in vielen deutschen Kinos zu sehen.