Einschaltquoten beim Gesamtpublikum
- 10.10.2013: 5,7 Mio.
- 17.10.2013: 4,5 Mio.
- 24.10.2013: 4,3 Mio.
Das ist eine von deutschen Fernsehmachern eher rhetorisch gemeinte Frage. Denn unter diesem angestaubten Begriff versteht man hierzulande im Fiction-Bereich auch ebenso angestaubtes Zeug. «Unser Charly», «Hallo Robbie» und bald auch herzensbrechende Priester. Das Hauptkriterium für dieses Genre, das es sich zum Ziel setzt, im Digitalzeitalter Lagerfeuerstimmung beim Publikum von 8 bis 88 aufkommen zu lassen, ist neben der selbstverständlichen Harmlosigkeit eine völlige Abwesenheit jedweder narrativer oder visueller Ambition.
Nun wird man sagen: Was braucht es narrative oder visuelle Ambition, wenn die Robbe und der Affe so süß sind? – Das reicht doch.
Aber genau an diesem Punkt scheinen sich deutsche von amerikanischen Fernsehmachern zu unterscheiden. Denn nicht nur finanziell lässt ABC bei seiner neuen Serie «Once upon a Time in Wonderland» einiges springen, um aufwändige 3D-Sets und computergenerierte Animationen zu entwerfen. Auch der Stoff ist viel intelligenter, vielschichtiger, spannender – und gleichzeitig doch angemessen simpel und auf klare Konflikte reduziert – als alles, was in Deutschland produziert wird, wenn Großeltern, Eltern und Kinder auf einmal bespaßt werden sollen.
Die Grundzüge des Stoffes kann man bei einem angelsächsischen Publikum voraussetzen. Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“ und „Alice hinter den Spiegeln“ haben jenseits des Atlantiks etwa den Stellenwert, den die Gebrüder Grimm in deutschen Kinderzimmern haben. «Once upon a Time in Wonderland» beschränkt sich jedoch, ähnlich wie die Mutterserie «Once upon a Time», nicht darauf, die sture Nacherzählung eines altbekannten Kinderbuchs zu sein, sondern entspinnt aus der den Büchern entnommen Grundsituation ein mythologisches Geflecht, das weit über das der belletristischen Vorlage hinausgeht.
Im viktorianischen England ist Alice (Sophie Lowe) ein viel geliebtes Sorgenkind. Immer wieder verschwindet die Kleine, manchmal für ganze Tage, und erzählt bei ihrer Rückkehr abenteuerliche Geschichten von einem Wunderland mit verrückten Hutmachern und narkoleptischen Mäusen. Alberne Spinnereien eines phantasievollen Kindes, meint der liebevolle Vater zuerst. Aber auch im Erwachsenenalter glaubt Alice weiterhin an diese kuriose Parallelwelt, erzählt von ihrem Geliebten Cyrus, einem Djinn, hinter dem der machtgierige Jafar (Naveen Andrews, «LOST») und die Rote Königin her sind und die ihn im Kampf töten. Bis ihr Vater sie in die Geistesheilanstalt bringen lässt, wo sie die schmerzvollen Erinnerungen an Wunderland endgültig vergessen will.
Doch kurz bevor der düstere Oberarzt eine neue Therapie an ihr ausprobieren will, taucht der Herzbube (Michael Socha, «This is England») mit einer Botschaft des Weißen Kaninchens (im Original gesprochen von John Lithgow, «3rd Rock from the Sun») auf: Cyrus ist noch am Leben und braucht dringend Alices Hilfe. Mit einigen gezielten Schlägen und Round-House-Kicks entwischt das Trio den Wärtern, flieht zurück in die magische Welt, die Alice eigentlich vergessen wollte, und eine wundersame Reise nimmt ihren Anfang.
Das klingt nicht gerade nach einem moralphilosophischen Diskurs wie «Breaking Bad», einer Aufarbeitungsserie wie «Mad Men» oder einem modernen Großstadtroman wie «Girls» – es ist schließlich Familienunterhaltung, bei der sich der amerikanische Grundschüler genauso unterhalten will wie seine Eltern. Aber es ist Familienunterhaltung mit Stil, mit Anspruch, mit Klasse, mit Selbstironie, ohne penetrantes Anbiedern, ohne dramaturgische Schludereien, weil man meint, ein zweitklassiges Drehbuch würde schon reichen, schließlich sehen die Haustiere so nett aus.
Wie grandios wäre es erst, wenn die Serie vom Publikum angenommen würde?
Leider ist das nämlich gar nicht der Fall. Nicht mal in Amerika, wo die Zuschauerzahlen im Time-Slot-Vergleich sogar schon mal hinter denen von TheCW lagen. Wenn nicht ein Wunder geschieht, wird Alices Reise also schneller ihr Ende finden, als das weiße Kaninchen den nächsten Termin hat.