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Die Dominanz der Oberflächlichkeit

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Während die EMAs früher noch Großereignisse mit hohem Stellenwert waren, haben die Awardshows heute deutlich an Bedeutung eingebüßt.

MTV EMA 2013: Live-Auftritte

  • Miley Cyrus
  • Robin Thicke
  • Imagine Dragons
  • Katy Perry
  • The Killers
  • Snoop Dogg feat. Afrojack
  • Icona Pop
  • Bruno Mars
  • Kings of Leon
Am Sonntag finden in Amsterdam die diesjährigen «MTV European Music Awards» statt. Die Preisverleihung, die bis vor wenigen Jahren noch eine Auszeichnung mit sehr hohem Stellenwert war, ist heute zu einem Schaulaufen der Musikprominenz verkommen. Selbst die Nachberichterstattungen beschäftigen sich heutzutage nur noch nebenbei mit den vergebenen Preisen und deren Gewinnern, sondern vielmehr mit Oberflächlichkeiten des Drumherums, wie Skandale, Aufreger oder Outfits.

Exemplarisch dafür stehen die MTV Video Music Awards 2013, die am 25. August in New York über die Bühne gingen. An die Gewinner des Abends erinnern sich nur noch wenige, dafür dominierte der freizügige Auftritt von Miley Cyrus im Nachhinein die Journaille. Besonders am Programm der ausstrahlenden Sender im Vorfeld der Awardshow lässt sich der stark gesunkene Stellenwert der Veranstaltung ablesen. Vom Warm-Up bei MTV Germany kriegen nach der Umstellung des Senders von Free-TV auf Pay-TV im Jahr 2011 sowieso nur wenige Menschen etwas mit. Im frei empfangbaren Fernsehen strahlt jedoch auch VIVA die «MTV European Music Awards 2013» am 10. November aus. Los geht es mit einer einstündigen Observation des Roten Teppichs, bevor die eigentliche Show um 21 Uhr beginnt.

Anders als MTV bis vor wenigen Jahren verzichtet VIVA gänzlich auf Beiträge zur Awardshow in den Tagen vor den EMAs. Dabei sorgten nicht zuletzt die kurzen Sendungen zu den Nominierten der EMAs oder die Ankündigungen zu den Besonderheiten des Events für Appetit auf die Preisverleihung und Publicity. VIVA beschränkt sich auf reguläre Promotion der Show in den Werbepausen, sodass oft nur die Zuschauer von VIVA Wind von der Preisverleihung kriegen, sollten sie nicht in den immer rarer werdenden Ankündigungen in den restlichen Medien darauf aufmerksam gemacht werden. MTV in Deutschland hält weiterhin an seinen Pre-Shows und Nominierten-Specials fest.

Ein anderer Grund für den Bedeutungsverlust der European Music Awards ist der Abstieg des kaum noch stattfindenden Musikfernsehens in Deutschland. Am 1. August 1987 startete MTV in Deutschland, nachdem der Musiksender schon ab 1981 die jugendlichen Lifestylewelten und die „Clip-Kultur“ begründete, welche wiederum Einfluss auf die ästhetische Entwicklung des Fernsehens insgesamt nahmen. Als kostengünstige, globale und reichweitenstarke Promotion entdeckte die Musikindustrie Ende der 70er Jahre schon das Musikvideo für sich. Nach der Rezession im Musikbusiness der späten 70er Jahre investierten immer mehr Verantwortliche in die Clips, die im Music Television lange Zeit rauf und runter liefen, sodass MTV 1991 mit fast allen großen Labels Exklusiverträge unterhielt. Zwischen 1986 und 1989 fing MTV an, mehr auf typische Fernsehformate wie Cartoons, Sport- und Nachrichtensendungen, Comedy- und Gameshows oder Film- und Kulturmagazine zu setzen und schuf damit ein Vollprogramm für Jugendliche. Die Gründung von MTV-Ablegern weltweit und die allmähliche Verdrängung der Musikclips waren die Folge.

Ende 1993 ging auch VIVA als neuer deutschsprachiger Videoclip-Kanal auf Sendung. Im Jahre 2006 hatten beide Sender tolle Marktanteile von bis zu 2,3 Prozent bei den 14- bis 29-Jährigen. Da das Internet schon längst etabliert war, fand der Konsum der Musikvideos spätestens 2010 fast nur noch online statt. Dementsprechend passten MTV, das 2011 sein Programm verschlüsselte, und VIVA ihr Programm an und setzten noch stärker auf bewährte Formate ohne explizit musikalische Inhalte. Betrachtet man heutzutage werktags das Programm von VIVA, findet man beim Kanal, der sich selbst immer noch als Musiksender sieht, kaum noch musikalisches. Neben Doku-Soaps, Sitcoms und Animationsserien finden sich regulär nur noch morgens, vormittags und in der Nacht Programmeinheiten, die Musik-Clips zum Besten geben. Mit diesen fährt VIVA mit Marktanteilen von zum Teil über neun Prozent in der Zielgruppe aber richtig gut. Mehr findet der Musikfreund beim Pay-TV-Sender MTV in Deutschland, der werktags auf durchschnittlich etwa sieben Stunden Musikfernsehen als solches kommt, welches oft aber selbst dort nur zu Randzeiten stattfindet.

Fast gänzlich verabschiedet hat sich die Musik auf MTV in den USA. Der Sender nimmt dieser Tage Vorlieb mit Marathon-Programmierungen von Eigenproduktionen wie «Teen Mom» oder «Ridiculousness». Wie gewichtig kann also eine Preisverleihung sein, die von einem „Musikkanal“ ausgerichtet wird, der seinen Fokus kaum noch auf Musik legt? Beobachter könnten zumindest beim US-amerikanischen MTV das Argument vorbringen, dass es ja die «European Music Awards» seien und nicht etwa die „US Music Awards“. Wie passen allerdings die fast ausschließlich amerikanischen Moderatoren, wie in diesem Jahr die Musikgruppe LMFAO, oder die etlichen Performances US-amerikanischer Künstler (Infobox oben) in diese Veranstaltung? Und wieso wird überhaupt ein „World Wide Act“ vergeben? Diese Unstimmigkeiten, die bei der früher größeren Bedeutung der EMAs weitgehend unberücksichtigt blieben, sorgen bei den gegenwärtigen Ausrichtungen der Awardshow zusätzlich für Grübeln.

Wahrhaftige Musikfernsehsender wie YAVIDO, Deluxe Music, iMusic1, Motor TV, Deutsches MusikFernsehen oder gotv werden von vielen Fernsehenden wegen etwaiger Verschlüsselungen entweder nicht empfangen oder sie bleiben auf dreistelligen Nummern in der Senderliste weitgehend unbemerkt. Geblieben sind bei den European Music Awards spektakuläre Performances, die von hochattraktiven Bühnenbildern zusätzlich in Szene gesetzt werden und für viel Werbung auf Seiten der Künstler sorgen können. Allerdings hat sich das Großereignis damit längst zur Oberflächlichkeit gewandelt und die musikalische Qualität der Protagonisten ist allenfalls sekundär. Wollen Künstler heutzutage auf eine außerordentliche Karriere im Musikfach zurückblicken, zählt für sie wohl mittlerweile eher ein Grammy, Brit Award oder hierzulande der ECHO.

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