Die Kritiker

«Killing Kennedy»

von

Von Ridley Scott kommt die erfolgreichste Produktion des National Geographic Channels - «Killing Kennedy» zeigt den Weg von JFK und Lee Harvey Oswald. Zu sehen ist in der Doku-Fiction eine herausragende Ginnifer Goodwin als Jackie Kennedy.

Inhalt:


Hinter den Kulissen

  • Von: Ridley Scott
  • Regie: Nelson McCormick
  • Autoren: Kelly Masterson und Bill O'Reilly
  • Executive Producer: Teri Weinberg
  • Musik: Geoff Zanelli
  • Kamera: Stephen St. John
Im Jahre 1959 stehen zwei grundverschiedene Männer auf beiden Seiten der Weltkugel am Wendepunkt ihres Lebens: Der eine bereitet sich in Washington D.C. auf seine Präsidentschaftskandidatur vor - der andere verzichtet in der US-Botschaft von Moskau auf seine amerikanische Staatsbürgerschaft und nimmt die russische an. In den Folgejahren verflechten sich die Schicksale von John F. Kennedy und Lee Harvey Oswald immer weiter, bis sie bei einem der denkwürdigsten Ereignisse der US-Geschichte aufeinanderprallen: dem Attentat auf JFK.

Darsteller:
Rob Lowe («Brothers & Sisters») als John F. Kennedy
Will Rothhard («Last Resort», «Line of Duty») als Lee Harvey Oswald
Ginnifer Goodwin («Once Upon a Time») als Jackie Kennedy
Michelle Trachtenberg («Gossip Girl») als Marina Oswald
Jack Noseworthy als Bobby Kennedy

Kritik:


Anlässlich des 50. Todestages von John F. Kennedy hat sich der amerikanische National Geographic Channel an eine seiner aufwändigsten Eigenproduktionen gewagt. Teri Weinberg, bekannt unter anderem durch seine Produzenten-Tätigkeit bei Showtimes «The Tuders», hat aus Bill O’Reillys Buch «Killing Kennedy» eine in den USA viel beachtete Doku-Fiction gemacht – 3,4 Millionen Menschen sahen die Erstausstrahlung, somit ist das Format das erfolgreichste in der Sendergeschichte. In 171 weiteren Ländern läuft die Produktion in diesen Tagen. In den Hauptrollen: Rob Lowe als Präsident JFK und sein angeblicher Mörder Lee Harvey Oswald, gespielt von Will Rothhaar.

Der über 90-minütige Film steigt am Tag des Attentats ein, zeigt wie Oswald getreu der Legende sich nach Texas aufmacht, in eine alte Fabrikhalle geht, sein Gewehr durchlädt und den amerikanischen Präsidenten schließlich mit Schüssen von hinten am Kopf trifft. Genau an diesem Punkt setzt die in Amerika veröffentlichte Kritik auch ein. «Killing Kennedy» hält sich an die allgemein gültigen Fakten, stellt aber keine Fragen. Fragen zu stellen fällt bei einer Doku-Fiction allerdings auch schwer; aber kann ein Film eine gute Doku-Fiction sein, wenn die offizielle Version von sehr vielen angezweifelt wird?

In «Killing Kennedy» jedenfalls ist Oswald der Attentäter, eine andere Möglichkeit wird nicht in Betracht gezogen – durchgehend wird er klar als Antagonist aufgebaut, schlägt in einer Szene seine Frau, um seinen Willen und seinen Plan durchzusetzen. Der Film begleitet aber nicht allein die Wege des späteren Kennedy-Killers, sondern auch die des Präsidenten und steigt vier Jahre vor dem geschichtsträchigen Tag ein. Kennedy zittert in der Wahlnacht – seine Frau Jackie ermutigt ihn, er ist sich angesichts der Umfragen noch unsicher. Der von Rothhaar brillant gespielte Oswald hingegen verzichtet in Moskau auf die amerikanische Staatsbürgerschaft, nimmt lieber die russische an und liebäugelt in den folgenden Szenen mehr und mehr mit dem marxistischem System. Er habe beide kennengelernt, sagt er bei einer Befragung. Oswald sieht sich schon als dieser Zeit als ein Patriot.

Kennedy hat zur gleichen Zeit immer mehr politische Probleme. „Eine Katastrophe“, entfährt es ihm in einer Szene. Neben den politischen Problemen beleuchtet die Doku-Fiction von Regisseur Ridley Scott auch die privaten Fehltritte des amerikanischen Machthabers. Beeindruckend ist das Spiel von Ginnifer Goodwin als Jackie Kennedy als sie von einem Sicherheitsmann gesagt bekommt, der Poolbereich im weißen Haus sei geschlossen, sie aber deutlich Geräusche hört. Hinter den für sie verschlossenen Türen vergnügt sich JFK mit nackten Praktikantinnen. «Killing Kennedy» zeigt auch, wie dem Präsidenten infolge abgeraten wird, sein Leben so weiter zu führen wie bisher. „Das ist gefährlich“, wird ihm gesagt. Jackie wird im weiteren Verlauf stets als die sehr liebende First Lady dargestellt, während JFK seine Frau eher nach Belieben „aus der Schublade“ zieht – auch ein Punkt, der heute zumindest von einigen angezweifelt wird.

Auch nach dem plötzlichen Tod des gemeinsamen Kindes ist Jackie die wesentlich aufgewühltere – der Präsident zeigt hier zumindest leichte Emotionen, verzieht bei einer unter die Haut gehenden Szene auf dem Bett zumindest eine Miene.

Oswald, später gestresst durch die Beobachtung der Vereinigten Staaten, macht alleine in den ersten 45 Minuten eine Wandlung durch – so wie sie in Geschichtsbüchern auch niedergeschrieben ist, trainiert das Schießen mit Gewehren und trifft natürlich genau in den Kopf. Optisch muss sich «Killing Kennedy» in keinem Punkt vor einem packenden Kino-Drama verstecken. Streitig ist aber die Arbeit von Rob Lowe, der in den USA zumeist als grundsolider Schauspieler angesehen wird. Während ihn einige im Mutterland der Doku gerade für die emotionalen Szenen, die er wirklich gut umsetzt, vergöttern, empfinden andere ihn in Szenen, die nicht auch von Ginnifer Goodwin getragen werden, als nicht durchgehend authentisch.

Unter dem Strich ist «Killing Kennedy» eine achtbare Aufarbeitung der geschichtlich niedergeschriebenen Fakten, die das eigentliche Attentat in wenigen Momenten abhandelt, weil es davon wohl ohnehin schon genug originales Bildmaterial gibt und die Macher eher den Weg dorthin fokussierten. Kurzzeitig arbeitet Regisseur Scott dann auch mit Originalmaterial, etwa als man Jackie bei dem Versuch sieht, nach hinten aus dem Auto herauszukrabbeln. Sicherlich: Nach einer Stunde erreicht die Produktion mit den hektischen Ereignissen rund um das Attentat und Oswalds Flucht den erzählerischen Höhepunkt – gut aber, dass Scott auf Grundlage des Buchs von O’Reilly auch die Zeit direkt danach nicht vernachlässigt. So kann Goodwin einmal mehr auch als glaubhaft trauernde Witwe blutverschmiert im Krankenhaus punkten. Gut, dass es ihr, dem heimlichen Star dieser Doku, vergönnt ist, auch die letzten Worte zu sprechen.

Der Bezahlsender National Geographic HD zeigt «Killing Kennedy» am Freitag, 22. November 2013, um 21.05 Uhr.

Lesen Sie zum Thema JFK auch: Unsere Kritik zur N24-Doku «JFK - Der letzte Tag»

Kurz-URL: qmde.de/67465
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