Hinter den Kulissen
- Produktion: Lux Vide S.p.A.
- Drehbuch: Francesco Arlanch
- nach dem gleichnamigen Roman von Leo Tolstoi
- Regie: Christian Duguay
- Kamera: Fabrizio Lucci
- Produzenten: Luca Bernabei und Matilde Bernabei
Moskau, Ende des 19. Jahrhunderts. Fürst Stiwa hat wieder einmal seine Frau Dolly betrogen, die sich scheiden lassen will. Um sie umzustimmen, lädt er seine Schwester Anna Karenina aus St. Petersburg ein. Bei ihrer Ankunft auf dem Bahnhof begegnet Anna Stiwas Freund Wronski, der großen Eindruck auf sie macht. Auch Dollys jüngere Schwester Kitty liebt den charmanten Gardeoffizier, für den sie den Heiratsantrag des idealistischen Gutsbesitzers Lewin zurückweist. Auf einem Ball muss Kitty bemerken, dass Wronski nur Augen für Anna hat. Enttäuscht verlässt sie das Land, um in einem deutschen Militärlazarett als Krankenschwester zu helfen, derweil Lewin sich auf seinem Landgut in Arbeit vergräbt. Zurück in St. Petersburg, stellt Anna überrascht fest, dass Wronski ihr gefolgt ist und keine Gelegenheit der Begegnung auslässt. Anna ist sich ihrer Verantwortung als verheiratete Frau bewusst, doch nach Jahren in glückloser Ehe mit dem gefühlskalten Alexej Karenin sehnt sie sich nach Wärme und Zuneigung. Wider alle Vernunft stürzt sie sich in eine Affäre mit Wronski, wird von ihm schwanger und konfrontiert ihren Mann mit der Wahrheit. Der um seinen Ruf besorgte Staatsbeamte zwingt sie zur Erfüllung ihrer Ehepflicht - andernfalls wird sie ihren Sohn Serjoscha nie wiedersehen.
Bei der Geburt ihrer Tochter erkrankt Anna schwer. In Erwartung des Todes söhnt sie sich mit ihrem Mann Alexej aus, worauf Wronski sich das Leben nehmen will. Reumütig versucht Anna, ihre zerrüttete Ehe zu retten, doch das zermürbende Zusammenleben mit dem wohlhabenden Staatsbeamten, den sie nicht aus Liebe geheiratet hat, wird immer unerträglicher. Nach ihrer überraschenden Genesung wendet sie sich erneut ihrem Geliebten Wronski zu. Alexej wäre mit einer Trennung einverstanden, doch als schuldhaft geschiedene Ehebrecherin dürfte Anna nicht mehr heiraten. Schweren Herzens lässt sie ihren Sohn Serjoscha zurück und begibt sich mit dem Geliebten auf eine Italienreise. Unterdessen kehrt Kitty aus dem deutschen Exil zurück und weiß nun, dass der Gutsbesitzer Lewin doch der Richtige für sie ist. Lewin ist überglücklich, muss aber schon bald nach der Hochzeit erkennen, dass Kitty ihn vor eine Herausforderung stellt. Die Sehnsucht nach ihrem Sohn zieht Anna derweil nach St. Petersburg zurück. Es kommt zum bewegenden Wiedersehen mit Serjoscha, der jedoch nicht verstehen kann, warum seine Mutter ihn im Stich gelassen hat. Da ihre wilde Ehe von der Gesellschaft missbilligt wird, muss Anna mit Wronski zurückgezogen auf dessen Gut leben. Der junge Offizier fühlt sich bald eingeengt und lässt seine Geliebte häufiger alleine. Anna befürchtet, dass er sich einer anderen zuwendet, und fällt einen tragischen Entschluss.
Darsteller
Vittoria Puccini («Elisa») als Anna Karenina
Santiago Cabrera («Heroes») als Graf Wronski
Benjamin Sadler («Contergan») als Alexei Karenin
Lou de Laâge («J'aime regarder les filles») als Kitty Schtscherbatskaja
Max von Thun («Kronprinz Rudolfs letzte Liebe») als Konstantin Lewin
Carlotta Natoli («Tutti pazzi per amore») als Dolly Oblonskaja
Pietro Sermonti («Nero Wolfe») als Stiwa Oblonski
Kritik
Einen tausendseitigen Minischriftkracher wie „Anna Karenina“ auf drei Stunden Laufzeit zu kürzen, ist eine grässliche Aufgabe. Dabei geht zwangsläufig viel verloren: Tolstois detailverliebte Figurenzeichnungen werden naturgemäß an Facettenreichtum einbüßen, die Handlung muss immens verdichtet, subtil platzierte und vielsagende Leitmotive müssen vereinfacht und in ihrer Komplexität deutlich reduziert werden. Es geht darum, das Essentielle hinüberzuretten.
Das Fragile, das Tolstois Roman ausmacht, schafft den Sprung in diese Verfilmung nur teilweise. Einen Einblick in die russische Seele, oder zumindest die der oberen Zehntausend im Zarenreich, erhält man allenfalls in Ansätzen. Das war anders nicht zu erwarten – und es schmerzt auch nicht so sehr, dass man diesen Film von vornherein abschreiben müsse. Genauso wenig wie bei der 2012 uraufgeführten Verfilmung von Joe Wright mit Keira Knightley in der Titelrolle. Denn das Essentielle, Annas Kampf gegen die kalte Gefühllosigkeit ihres großbürgerlichen machtbessessenen Gatten, kommt auch hier unter Regisseur Christian Duguay und mit Vittoria Puccini als Hauptdarstellerin zur Geltung. Auf die vielschichtige Gesellschaftsstudie, die Tolstoi von dieser Konfliktsituation ausgehend in seinem mitunter bekanntesten Werk entwickelt, muss hier freilich verzichtet werden.
Dieser «Anna Karenina»-Film fällt, typisch für großzügig finanzierte italienische Fernsehfilme, hinsichtlich Bühnenbild und Kostüme sehr opulent aus. Doch die Kunst besteht darin, nicht allein durch eine ausladende Ästhetik beeindrucken zu wollen, sondern auch dramaturgisch ein stimmiges Bild zu entwerfen. Hierbei tut sich diese Produktion schon deutlich schwerer. Der Grund dafür liegt in der dramaturgischen Straffung und Vereinfachung, um die Drehbuchautor Francesco Arlanch nicht herumkommt. Auf einen Zuschauer, der den Stoff nicht kennt, werden seine Lösungen oft kitschig wirken – doch man muss diesen Stoff auch als das Produkt seiner Zeit auffassen und im entsprechenden Kontext deuten. Der Kitsch entsteht hier nicht durch eine kalkulierte Reduktion auf das Triviale, sondern ist angesichts all dieser Verkürzungen und Auslassungen ein unausweichliches Nebenprodukt. Angesichts dessen, dass «Anna Karenina» auf das kalkuliert Banale verzichtet, das ähnliche Produktionen von Degeto und Herzkino ausmacht, ist das durchaus verkraftbar.
Vom intellektuellen Anspruch und der nuancierten Gesellschaftsstudie von Tolstois Roman bleibt letztlich aber nur wenig. Trotzdem kann die Verfilmung im Rahmen der Möglichkeiten zumindest stellenweise schon gefallen. Die Vereinfachungen, die das Drehbuch bei den Charakterzeichnungen vornimmt, müssen dann eben von den Schauspielern in anderer Form zurückgenommen werden. An Keira Knightleys Verkörperung der Titelrolle mag Vittoria Puccinis hier dargebotenes Spiel zwar nicht hinreichen; glaubwürdig und nahbar ist ihre Anna trotzdem. Sehenswert ebenfalls Benjamin Sadler in der Rolle des abgebrühten Alexei Karenin, Max von Thun als Karenina-Kontrastfigur Levin und die Französin Lou de Laâge in der Rolle der fürsorglichen Aristokratentochter Kitty Schtscherbatskaja.
Das Erste zeigt «Anna Karenina» am Samstag, den 4. Januar um 20.15 Uhr.