Mit den Geburtstagen von Sat.1 und RTL, die derzeit groß gefeiert werden, jährt sich nicht nur die Einführung des Privatfernsehens in Deutschland zum mittlerweile dreißigsten Mal, sondern auch der ewige Dauerkampf zwischen den beiden Konkurrenten. Gewiss ist eine Rivalität unter Mitbewerbern auf einem gemeinsamen Markt nur natürlich und sicherlich gab es manche Rangelein auch mit anderen Anbietern, aber keine Schlacht wurde in den vergangenen Jahrzehnten so vehement, konstant und offensichtlich ausgetragen wie zwischen RTL und Sat.1. Eine scheinbar endlose Auseinandersetzung, die noch immer anhält, obwohl sich die Kräfte längst deutlich zugunsten von RTL verschoben haben.
Der Wettstreit der beiden Stationen entbrannte dabei schon im Jahr 1984, denn es gab damals ein Rennen darum, welcher Anbieter als erster auf Sendung gehen könne. Am Ende gewann Sat.1 – bzw. dessen Vorgängerunternehmen PKS - mit dem Vorsprung von einem Tag. Doch bereits wenige Jahre später konnten sich die Verantwortlichen von RTL rächen, als sie den Beginn ihres Frühstückfernsehens kurzfristig vorverlegten. Schon Wochen vorher hatte Sat.1 nämlich als Auftakt für «Guten Morgen mit Sat.1» den 01. Oktober 1987 kommuniziert. Bei RTL werkelte man nach dem Verlauten der Pläne daraufhin an einer eigenen Adaption und beschleunigte den Prozess so stark, dass man schon am 23. September mit einer eigenen (wenig ausgereiften) Version namens «Guten Morgen Deutschland» auf dem Schirm erscheinen und das historische Ereignis für sich beanspruchen konnte.
Legendär ist mittlerweile auch der Zweikampf um eine Hochzeitsshow, in der ein Millionär verheiratet werden sollte. Es entwickelte sich zwischen beiden Konkurrenten eine erneute Jagd um die schnellere Realisierung. Letztlich siegte RTL mit seiner Version «Ich heirate einen Millionär» im Januar 2001 genau vier Tage vor «Wer heiratet den Millionär?» von Sat.1. Zwar erzielten die Kölner dadurch eine höhere Reichweite, weil aber zahlreiche Ungereimtheiten im Ablauf öffentlich wurden, waren sie am Ende doch die unterlegenen.
Als dann RTL im Rahmen des Booms von Retro-Formaten ankündigte, mit Oliver Geissen und Katharina Witt in Form der «DDR-Show» eine Reihe über die kultige Vergangenheit des Landes ausstrahlen zu wollen, glaubte man bei Sat.1 offenbar ebenfalls davon profitieren zu müssen. Mit Hochdruck wurde deshalb eine eigene Variante mit Ulrich Meyer und Axel Schulz unter dem Titel «Meyer & Schulz - Die ultimative Ost-Show» produziert und rund zwei Wochen früher gezeigt.
Ähnlich verlief darauf der Wettlauf um die Musik-Ranking-Formate. Nachdem RTL mit den ersten beiden Ausgaben der «Ultimativen Chartshow» große Erfolge erzielen konnte, wollte Sat.1 offenbar erneut auf den rasenden Zug aufspringen und entwickelte mit den «Hit-Giganten» eine exakte Kopie. In diesem Zusammenhang wurde nicht nur das Konzept, sondern sogar das Thema der ersten Ausgabe geklaut. Als nämlich durchsickerte, dass RTL die meistverkauften „One-Hit-Wonder“ auflisten wolle, wählte dieses Motto auch Sat.1 und plante die Sendung am 13. November 2003 und damit vier Tage vor der RTL-Fassung ein. Das wiederum wollte der Marktführer nicht auf sich sitzen lassen und zog sein Ranking auf den 11. November vor und kam Sat.1 am Ende doch wieder zuvor. Zuletzt wiederholte sich dieses Schauspiel im Mai 2013, als sich beide Parteien mit dem Thema Stalking befassen wollten. Wieder zog Sat.1 den Start von «Stalker - Auf frischer Tat ertappt!» plötzlich vor und präsentierte seine Version am 07. Mai genau einen Tag vor dem Widersacher «Verfolgt - Stalkern auf der Spur».
Dieser Dauerstreit schlägt sich allerdings nicht nur in solchen Plagiaten nieder, sondern ebenso in gezielten Kampfprogrammierungen, um dem jeweiligen Gegner die Quote für wichtige Programme vermiesen zu können. So wollte im Herbst 2006 Sat.1 beispielsweise mit «You Can Dance» ein im Ausland beliebtes Castingkonzept in Deutschland verankern. Um dieser Show den Auftakt so schwer wie möglich zu machen, positionierte RTL die erste zweistündige Ausgabe von «Wer wird Millionär?» dagegen, die viele junge Zuschauer anlockte. Eine Woche später legte man dann mit dem «Domino Day» nach und beschädigte den Tanz-Wettbewerb damit nachhaltig.
Als Sat.1 später nach dem Erfolg seiner Telenovela «Verliebt in Berlin» die amerikanische Adaption am 27. April 2007 nach Deutschland bringen wollte, setzte RTL das «Wer wird Millionär? - Familienspecial» dagegen. Darin rätselte Günther Jauch ausnahmsweise nicht mit einzelnen Kandidaten, sondern mit kompletten Familien. Dieses verfehlte seine Wirkung nicht. Gegen den Quiz-Dauerbrenner hatte «Alles Betty!» keine Chance. Schlussendlich verschwand die Serie bereits nach zwei Folgen wieder aus dem Programm.
Nur drei Monate zuvor versuchte Sat.1, am Donnerstagabend die US-Reihe «Without A Trace» zu verankern. Bewusst entschied sich der Kanal damals, das Format um 20.15 Uhr ausstrahlen zu wollen, um der Konkurrenz der damals noch sehr erfolgreichen RTL-Serie «CSI – Den Tätern auf der Spur» zu entgehen. Doch damit machten sie die Rechnung ohne die Kölner. Diese zeigten überraschend eine Doppelfolge an jenem 04. Januar 2007, wodurch der Sat.1-Krimi nun doch gegen den Quotenknaller von RTL antreten musste. Auch dieser Schachzug erwies sich als ertragreich, weil die Quoten von «Without A Trace» im Sat.1-Programm anschließend nie berauschend waren.
Auf die gleiche Taktik griffen die Verantwortlichen von RTL im Herbst 2011 anlässlich der allerersten Ausgabe von «The Voice of Germany» in Sat.1 zurück, denn spontan platzierten sie eine Casting-Folge ihres damaligen Erfolgsgaranten «Das Supertalent» dagegen. Diesmal ging die Rechnung jedoch nicht auf, da Sat.1 das Duell bezogen auf die Marktanteile für sich entscheiden konnte. Für RTL bedeutete dies aber nicht nur eine einmalige Niederlage, sondern markierte zugleich den Beginn eines lang anhaltenden Quotenverfalls bei ihren großen Castingsshows.
Zur Einführung des neuen Sat.1-Hoffnungsträgers «The Winner Is...» wendete die Leitung von RTL zum bisher letzten Mal das Mittel einer solchen Kampfprogrammierung an. So stellten sie im März 2012 kurzerhand eine Prominenten-Ausgabe von «Wer wird Millionär?» gegen die Premiere. Trotz des vorherigen Etappensiegs durch «The Voice Of Germany» ließ sich Sat.1 auf diese Herausforderung schließlich nicht ein und verlegte seinerseits den Start der neuen Produktion um zwei Tage nach vorn.