Die Kritiker

«A Young Doctor's Notebook»

von  |  Quelle: Inhalt: Passion

Alex Hardcastle und Robert McKillop inszenierten mit ihrer britischen Mini-Serie einen herrlich verschrobenen Blick hinter die Kulissen eines russischen Krankenhauses. Bitterböse aber urkomisch!

Hinter den Kulissen

  • Idee: Clelia Mountford
  • Regie: Alex Hardcastle
  • Drehbuch: Mark Chappell, Shaun Pye, Alan Connor
  • Nach einer Kurzgeschichte von Mikhail Bulgakov
  • Produzenten: Kenton Allen, Jon Hamm, Jon Mountague
  • Musik: Mark Bousie
  • Kamera: Simon Vickery
Inhalt:
Russland, 1917, kurz vor der russischen Revolution: Der junge Arzt Dr. Vladimir Bomgard (Daniel Radcliffe) kommt an ein Krankenhaus in die Provinz, um seine erste Stelle anzutreten. Die Medizin kannte der frische Universitätsabsolvent aus Moskau bislang nur von seiner theoretischen Seite, doch nun muss er sich der harten Realität stellen. Obwohl er der einzige Arzt im Umkreis von vielen Kilometern ist, bleibt Dr. Bomgard jedoch nicht ganz allein. Denn Rat erhält er von seinem Alter Ego aus der Zukunft (Jon Hamm), der sich allerdings nicht mit sarkastischen Bemerkungen über seine Unsicherheiten und Neurosen zurückhält…

Darsteller:


Jon Hamm («Mad Men», «Brautalarm») ist Dr. Vladimier Bongard (alt)
Daniel Radcliffe («Harry Potter»-Reihe, «Die Frau in Schwarz») ist Dr. Vladimier Bongard (jung)
Adam Godley («Battleship», «Breaking Bad») ist The Feldsher
Vicki Pepperdine («Up the Women», «Chickens») ist Anna
Rosie Cavaliero «Scoop - Der Knüller», «Jane Eyre») ist Pelageya
Tim Steed («The Bill», «Franklyn») ist NKVD Agent Kirill

Kritik:


Daniel Radcliffe wurde als jugendlicher Zauberlehrling weltberühmt. Nach seiner Performance im Gruselthriller «Die Frau in Schwarz», die gleichzeitig auch die erste Rolle nach seiner Harry-Potter-Ära darstellte, begab sich der 24-jährige Schauspieler vermehrt in die Hände kleinerer Filmproduktionen. So verkörpert er demnächst unter anderem den Dichter Allen Ginsberg in John Krokidas‘ «Kill Your Darlings – Junge Wilde», versucht sich in «Horns» allerdings auch in kantigem Genrekino, in welchem er 2015 ebenfalls Igor Frankenstein in einer gleichnamigen Neuauflage des Schauerroman-Klassikers spielen wird. Direkt zwischen diesen beiden Extremen lässt sich wohl die britische, auf einem Roman von Michail Bulgakov basierende Mini-Serie «A Young Doctor’s Notebook» einordnen, die mit ihrem tiefschwarzen Humor und der stellenweisen sehr ernsten Prämisse von recht ambivalentem Tonfall ist, diese beiden jedoch hervorragend kombiniert, sodass die Serie den Zuschauer mit ihrem bittersüßen Charme schnell um den Finger wickelt.

Im Mittelpunkt der schnell erzählten Story steht der junge Arzt Dr. Vladimir Bomgard, der soeben als Jahrgangsbester sein Medizinstudium beendet hat und es in der russischen Provinz erstmals mit der harten Krankenhausrealität zu tun bekommt. Ihm zur Seite steht ein eingeschworenes Team aus mehreren Fachkräften, das bislang voll und ganz für seinen mittlerweile verstorbenen Oberarzt Leopold Leopoldovic tätig war und nicht umher kommt, dies bei jeder Gelegenheit zu betonen. Es sind also große Fußstapfen, in welche Bomgard hier tritt – und Daniel Radcliffe findet stets den richtigen Weg, seiner Figur exakt diese Grundhaltung einzuverleiben. Mit einer Mischung aus unbedarfter Neugier, Aufbegehren gegen die altertümliche Einstellung sämtlicher Patienten und zurückhaltender Nervosität wird seine Interpretation des Vladimir Bomgard zu einer unterhaltsamen Charakterstudie. Teils analytisch, teils probierend packt er die Situation beim Schopf und kommt nicht umher, sie immer wieder sarkastisch zu hinterfragen. Stellvertretend für das Wesen seiner Persönlichkeit wird eine Szenerie in Folge zwei, in welcher sich Bomgard mit der Beinamputation eines kleinen Mädchens auseinandersetzen muss. Mit dem Wissen, der Patientin vielleicht das Leben zu retten, schickt er sich an, das Bein abzunehmen, vergewissert sich jedoch immer wieder, ob diese nicht bereits tot sei, um diese Operation doch noch umgehen zu können.

Diese Szene ist es auch, an welcher der Humor in «A Young Doctor’s Notebook» am besten zum Tragen kommt. So ist die Serie durch und durch britisch, damit vor allem von bitterbösem, reichlich trockenem Humor geprägt. Das Timing der Darsteller ist auf den Punkt, die Schlagzahl bissiger Kommentare hoch. Vor allem Jon Hamm, welcher das ältere Alter-Ego Vladimir Bomgards verkörpert, sorgt mit seinem beißenden Sarkasmus immer wieder für grobschlächtige Comedy-Momente. Ihm zur Seite steht ein großartig aufgelegter Cast, der die allesamt verschrobenen Figuren perfekt verkörpert. Adam Godley mimt den sympathischen Fachidioten, den man heutzutage wohl als „Nerd“ bezeichnen würde. Rosie Cavaliero gibt die resolute aber liebenswürdige Hebamme Pelageya ab und Vicki Pepperdine spielt sich als Krankenschwester Anna in die Herzen der Zuschauer. Dabei gelingt «A Young Doctor’s Notebook» das Kunststück, keine seiner Rollen besonders in den Vordergrund zu drängen. Auch wenn Daniel Radcliffe den prominentesten Namen innerhalb des Ensembles trägt, kommt ihm nicht gänzlich die Hauptrolle zu. Stattdessen ergänzen sich die einzelnen Akteure vortrefflich und spielen sich gegenseitig die Bälle zu.

Einen ernsteren Unterton gewinnt die Serie vor allem aufgrund der Thematik der Morphium-Sucht, mit welcher Bomgard schon zu Beginn der Serie kämpfen muss. Leider bekommt man an dieser Stelle den einzigen, jedoch gravierenden Kritikpunkt am Formats zu spüren: Mit ihren 23 bis 25 Minuten andauernden Episoden – vier pro Staffel – fällt die Spielzeit nahezu lachhaft kurz aus. Die sich zu Beginn noch als überaus angenehm entpuppende Kurzweil stellt der Serie schnell ein Bein. Der Stoff böte genug Themen, um auch über eine 45-minütige Laufzeit zu tragen. So würde auch Jon Hamm weitaus mehr Aufmerksamkeit erhalten. Immerhin muss er sich mit den Konsequenzen seines Handelns lediglich innerhalb der letzten zwei Minuten jeder Episode auseinandersetzen. So liegt der Kern auf der Comedy, doch aus «A Young Doctor’s Notebook» ließe sich viel, viel mehr rausholen.

Von der technischen Ausstattung muss man sich an die etwas andere Ausrichtung der Serie erst gewöhnen. Die russisch anmutenden Instrumentalklänge von Mark Bousie verleihen «A Young Doctor’s Notebook» gleichzeitig Authentizität und Leichtigkeit. Über die immer wieder schlecht ausgeleuchtete und teilweise viel zu dunkle Kulisse sieht man, dem Realismus zuliebe, gern hinweg.

In Großbritannien entwickelte sich die mittlerweile zwei Staffeln umfassende Serie schnell zum Publikumsliebling. Angesichts der außergewöhnlichen Prämisse und des besonderen Humors sowie der Tatsache, dass «A Young Doctor’s Notebook» hierzulande auf einem kaum beachteten TV-Sender läuft, ist ein Erfolg in Deutschland leider kaum abzusehen. Zu wünschen wäre es dieser kleinen Produktion jedoch allemal.

RTL Passion zeigt «A Young Doctor's Notebook» ab Donnerstag, den 16. Januar um 20:15 Uhr in Doppelfolgen.

Kurz-URL: qmde.de/68455
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