Fernsehfriedhof

Der Fernsehfriedhof: Watt, wer bist Du denn?

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Quotenmeter.de erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 272: Das erfolgreichste, deutsche Quizkonzept aller Zeiten, das gleich zwei Dschungelkandidaten hervorbrachte.

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir der vielleicht simpelsten Spielidee überhaupt.

«Was bin ich?» wurde am 05. Oktober 2000 auf kabel eins geboren und war eine Neuauflage des gleichnamigen TV-Klassikers mit Robert Lembke. Das Original brachte es von 1955 bis 1989 auf insgesamt 337 Ausgaben und erreichte dabei in den Anfangsjahren Sehbeteiligungen von bis zu 75 Prozent. Diese Daten führten dazu, dass die Reihe - zumindest bis zur Jahrtausendwende - als das erfolgreichste, deutsche Quiz bezeichnet wurde. Dabei stellte die wohl urdeutscheste Sendung gar keine Eigenentwicklung dar, sondern war eine Adaption des britischen Konzepts «What's My Line?».

Darin musste ein vierköpfiges Team durch möglichst spitzfindige Fragen die Berufe von mehreren Kandidaten erraten, die wiederum nur mit „Ja" oder „Nein" antworten durften. Für jedes „Nein" ließ der Moderator ein 5-Mark-Stück in ein Sparschwein aus Porzellan fallen, welches die Wettstreiter am Ende mit nach Hause nehmen durften. Bei zehn Verneinungen wurde die Runde jeweils beendet und aufgelöst. Als Hilfestellung kreuzten die Mitspieler zu Beginn ihres Auftritts auf einer Tafel an, ob sie „selbstständig" oder „angestellt" arbeiteten und führten zudem eine für ihren Job typische Handbewegung pantomimisch aus. Im Finale kam zusätzlich ein prominenter Gast hinzu, dessen Identität es zu offenbaren galt. Damit das Rateteam diesen nicht sehen konnte, trug es dabei venezianische Karnevalsmasken. Dieser Ablauf blieb über die Jahrzehnte hinweg gleich.

Weil man bei kabel eins zu Beginn des neuen Jahrhunderts mit den Remakes der legendären Gameshows «Glücksrad» und «Geh aufs Ganze» am Vorabend beachtliche Reichweiten erzielen konnte und sich innerhalb des ProSiebenSat.1-Konzerns hauptsächlich auf die Zuschauer über 30 Jahre konzentrierte, war die Senderführung permanent auf der Suche nach weiteren Klassikern, die man reaktivieren konnte. In «Was bin ich?» glaubte man, einen geeigneten Anwärter gefunden zu haben. Möglich war eine Übernahme dadurch, dass der Bayerische Rundfunk als bisheriger Lizenznehmer kurz zuvor auf eine Verlängerung verzichtet hatte. Vorangegangen waren außerdem drei andere Versuche, das Spielprinzip aufzugreifen.

Im Jahr 1990, nur wenige Monate nach dem Tod von Robert Lembke, wechselte nämlich sein komplettes früheres Rateteam zu Sat.1 und setzte ihre Arbeit unter dem Titel «Heiter weiter» fort - allerdings mit geringer Publikumsresonanz. Ein paar Wochen später wagte Das Erste mit «Ja oder Nein» unter der Leitung von Joachim Fuchsberger eine eigene Neuauflage. Während die Sat.1-Variante lediglich 26 Folgen überlebte, brachte es Fuchsberger innerhalb von über fünf Jahren auf 60 Ausgaben. Parallel präsentierte Harald Schmidt mit «Pssst...» ein klamaukigeres, aber dennoch sehr ähnliches Format, das sich im Kern lediglich darin unterschied, dass nicht nur Berufe zu erraten waren.

Angesichts dieser Vorgänger stand kabel eins nun vor der Wahl, welchen Ansatz man für die eigene Verwirklichung wählen sollte. Das verantwortliche Team entschied sich letztendlich dafür, den ursprünglichen Klassiker fast identisch zu übernehmen. "Das Konzept des Originals ist so gut, dass man es keinesfalls ändern sollte", ließ der damalige kabel eins-Geschäftsführer, Nicolas Paalzow, in einer Pressemitteilung verlauten. So blieben nicht nur der Titel der Show, sondern auch die Ankreuz-Tafel, der Gong, die Karnevalsmasken sowie die niedlichen Sparschweine erhalten. Selbst der maximale Gewinn von 50 DM wurde trotz möglicher Millionensummen in Konkurrenzprogrammen nicht erhöht. Lediglich der legendäre Satz "Welches Schweinerl hätten's gern?" musste dem Spruch „Welche Sau woll'n Sie genau?" weichen.

Den Platz von Robert Lembke übernahm nun Björn-Hergen Schimpf, der in den Anfangszeiten von RTLplus durch sein Mitwirken an den anarchistischen Nachrichten «7 vor 7» und dem Reisequiz «Ein Tag wie kein anderer» sowie durch seine bissige Puppe Karlchen sehr populär und vielbeschäftigt war. Mitte der 90er wurde es etwas ruhiger um ihn, nicht zuletzt weil sein täglicher Call-In «Schimpf 19717» nur mäßig ankam. Es folgte im Herbst 1999 die unwitzige Sport-Comedy «Dritte Halbzeit», die nach drei Ausgaben beerdigt wurde.

Bei kabel eins saßen ihm als neues Rateteam der ehemalige Bundesarbeitsminister Dr. Norbert Blüm, der ehemalige «RTL Samstag Nacht»-Star Tanja Schumann, der ehemalige «Schmidteinander»-Sidekick Herbert Feuerstein sowie die damals noch amtierende Talkshowmoderatorin Vera Int-Veen gegenüber. Bei ihrer Arbeit ließ ihnen Schimpf deutlich mehr Freiheiten, denn sie durften sich miteinander beraten, was unter Lembke absolut verboten war. Später wurde abwechselnd jeweils ein Ratefuchs durch Prominente wie Nina Hagen oder Heiner Lauterbach ersetzt. Zusätzlich traten erneut berühmte Kandidaten auf, die erraten werden mussten. Unter ihnen befanden sich Namen wie Jan Hofer, Thomas Ohrner, Kai Böcking, Hannes Jaenicke, Hella von Sinnen oder Michelle.

Angesichts des Erfolgs der Vorlage, der prominenten Besetzung und dem großen Zulauf der anderen Showklassiker im Programm von kabel eins waren die Erwartungen an die Produktion entsprechend hoch. Intern soll ein Marktanteil von zehn Prozent angestrebt worden sein, was einer Verdoppelung des Senderschnitts entsprochen hätte. Dazu sollte es allerdings nicht kommen. Trotzdem mauserte sich die Sendung zu einem beachtlichen Erfolg für den Kanal, denn anfangs schalteten regelmäßig deutlich über zwei Millionen Menschen die einstündigen Episoden am Donnerstagabend ein. Durch die geringen Herstellungskosten - angeblich hätten sowohl Moderator als auch die Ratenden pro Ausgabe jeweils nur 1.500 DM erhalten - war das Format damit äußerst lukrativ.

Über mehrere Jahre entwickelte sich die Reihe zu einer festen Größe im Line-Up des Kanals und entzog sich konsequent der sonst üblichen Modernisierung. Sogar als die deutsche Währung von DM auf Euro umgestellt wurde, landeten im Sparschwein weiter 5-Mark-Stücke, die jedoch im Anschluss in Euro umgewandelt wurden. Die Quoten waren sogar derart gut, dass sie kabel eins ermutigten, mit «Dingsda» einen weiteren ARD-Klassiker neu aufzulegen.

Zu einem Dauerbrenner wie seine Vorlage wandelte sich das neue Beruferaten dennoch nicht, denn ab Ende 2003 begannen der Zuspruch langsam zu sinken. Insbesondere die junge Zielgruppe wanderte stark ab. Am Ende lag der Anteil der über 49-Jährigen an der Gesamtzuschauerschaft bei 75 Prozent. Aus diesem Grund versuchte man zahlreiche Dokusoaps als Ersatz zu etablieren, was meist aber nicht gelang. Als mit «Unser Bauernhof - Hilfe, die Großstädter kommen» ein weiterer solcher Anlauf scheiterte, schickte man nahezu unvorangekündigt eine neue Staffel als kurzfristigen Ersatz auf den Schirm, die dadurch vollends unter die Räder geriet. Am Ende jener zwölften Staffel wurde die Produktion daraufhin endgültig eingestellt. Die letzten noch im Archiv verbliebenen Episoden liefen zusammen mit einer Handvoll Best-Ofs nur noch am Sonntagvorabend.

«Was bin ich?» wurde schließlich am 14. August 2005 beerdigt und erreichte ein Alter von rund 150 Folgen. Die Show hinterließ den Moderator Björn-Hergen Schimpf, der im Anschluss keine nennenswerten Engagements mehr erhielt und dadurch im Jahr 2008 ins Dschungelcamp von «Ich bin ein Star, holt mich hier raus!» einzog. Das gleiche Schicksal ereilte Tanja Schumann ebenso, die zunächst beim Trash-Event «Die Burg» mitmachte und dann im Winter 2014 obendrein in den australischen Urwald fuhr. Der Sat.1-Talk von Vera Int-Veen wurde indessen 2006 eingestellt, weswegen sie zum Konkurrenten RTL wechselte und dort zunächst «Helfer mit Herz» und zuletzt «Schwiegertochter gesucht» präsentierte. Übrigens, das Spielprinzip von «Was bin ich?» wird noch heute regelmäßig von Stefan Raab in seiner Sendung «TV Total» aufgegriffen, denn dort errät er in der Rubrik «Wer bin ich und was mache ich hier?» seine eigenen Mitarbeiter.

Möge die Show in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann dem rotzfrechen Alter-Ego von Jochen Bendel.

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