Hingeschaut

Aufbruch in die Ferne, Rückkehr zu schöneren Zeiten

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Auch wenn die Einschaltquoten es nicht reflektieren: Mit seiner New-York-Woche brachte Stefan Raab «TV total» zu alter Stärke zurück.

Quoten von «TV total live aus New York»

  • Montag: 0,81 Mio. Gesamtzuschauer, 0,68 Mio. 14- bis 49-Jährige // 5,4% MA insgesamt, 10,7% in der Zielgruppe
  • Dienstag: 0,55 Mio. bzw. 0,42 Mio. Zuschauer // 3,1% bzw. 5,4% MA
  • Mittwoch: 0,43 bzw. 0,34 Mio. Zuschauer // 2,9% bzw. 5,5% MA
  • Donnerstag: 0,58 bzw. 0,43 Mio. Zuschauer // 3,8% bzw. 6,9% MA
Dass ein Tapetenwechsel erquicklich sein kann, weiß schon der Volksmund. Und wie erstaunlich richtig der Volksmund manchmal liegt, bekam diese Woche das «TV total»-Stammpublikum mit allerhand Jubel und Trubel vorgeführt. Denn vom 27. Januar bis zum 30. Januar 2014 präsentierte Stefan Raab täglich seinen ProSieben-Dauerbrenner aus New York City, um auf den am Sonntag anstehenden SuperBowl vorzubereiten. Die Football-Promo geriet allerdings von der ersten Sekunde an weit, weit in den Hintergrund. Stattdessen erwachte das alteingesessene Lateshow-Format in der Stadt, die niemals schläft, zu neuem Leben.

Bereits vor Beginn der eigentlichen Montagssendung wurde klar, dass mit «TV total live aus New York» etwas Besseres als der momentan gewohnte Raab-Stoff zu erwarten steht: Der übliche Vorspann wich stimmungsvollen Bildern vom Big Apple, in die Raab auf kecke Weise einmontiert wurde und die durch dynamischen Schnitt richtigen Schwung in die statische Welt von «TV total» brachten. Zu sagen, dass in diesen Vorspann wohl mehr Arbeit floss, als in eine gesamte normale «TV total»-Folge, wäre gehässig, dies allerdings nur, weil die Raab-Show seit Mitte Oktober wieder launiger geworden ist. Noch im September 2013 hätte dieses Statement allerdings Geltung gefunden. Aber egal, ob das, was Montag bis Donnerstag auf den Spezialvorspann folgte, am Maßstab der «TV total»-Ausgaben von Anfang bis September 2013 gemessen wird, oder am qualitativen Durchschnitt der vergangenen paar Monate: Raabs Fernsehstunde kam in diesen Tagen nicht nur aus einem anderen Studio, sondern wie von einem anderen Stern!

Mit einem bloß 17 Personen starken Studiopublikum vor ihm und dem abendlichen Times Square im Rücken feuerte Raab am Montagabend einen lockeren Stand-Up ab, der nichts von der gemächlichen Kartenableserei hatte, die er sonst bei «TV total» von sich gibt. Durch das kleine, einen eigenen Charakter ausstrahlende Studio wandernd improvisierte Raab, scherzte über seine Beobachtungen der Mentalität im US-Fernsehen, interagierte mit den enthusiastischen Zuschauern und schuf neue Running Gags. Das Engagement Raabs im Stand-Up hielt sich die gesamte Sendewoche und fand am Donnerstag einen neuen Höhepunkt in einem Showstart, während dem der Entertainer unter anderem mit einer Horror-Babypuppe blödelte und Heavytones-Keyboarder Wolfgang ablöste, um in Gedenken an all die Hühnchen, die als SuperBowl-Snack endeten, „Shake a Tail Feather“ zu singen.

Der Ausflug nach New York gab Raab nicht bloß bei seinen Solonummern neue Energie, sondern lockte ihn auch wieder aus dem Studio: Täglich wartete «TV total» mit Einspielern im ursprünglichen «Raab in Gefahr»-Stil auf – als der Rubrikentitel noch ironisch gemeint war und der Kölner in sicheren Situationen für Unruhe sorgte. Und so gab es Raab beim Einkaufen in einem Klamottenladen von Pharrell Williams zu sehen, auf Hubschrauber-Tour durch New York, während der er die Weltmetropole durchgehend negativ mit Köln verglich, oder gemeinsam mit Tim Mälzer in einem US-Barbeque-Restaurant. Als Zuschauer durfte man sich in die Anfangszeiten von «TV total» zurückversetzt fühlen: Freche und alberne Sprüche, spontaner Gesang und perplexe Passanten wecken den Clown in Raab – und bringen eine Freude zurück in ein Format, das über die Jahre so gemütlich und formelhaft wurde.

Kein Wunder, dass die Talks mit den Studiogästen ebenfalls durchweg weit über dem üblichen «TV total»-Schnitt lagen. Mit außergewöhnlichen Gesprächspartnern bekam Raab selbst in den dunkelsten Jahren seiner Show vergnügliche Sendeminuten hin, aber in der New Yorker Showwoche gab es jeden Tag Momente zu bejubeln, die sonst als einsames Monatshighlight stattgefunden hätten. Vom lautstarken Gesang für Rapper Ice-T („Die Gedanken sind frei“ als NSA-Hymne) und semi-erotischem Hip-Hop-Yoga mit dessen Frau Coco, über einen aufmerksamen Talk mit Model Hana Nitsche hin zu spaßigem Geplapper mit US-Star Will Ferrell, der zum Kuhglockespielen genötigt wurde – an denkwürdigen Zwiegesprächen und Studioaktionen mangelte es wahrlich nicht.

Darüber hinaus kämpfte sich auch Luke Mockridge durch New York und machte unter anderem Wissenstests mit US-Passanten oder ging dem New Yorker Süßspeisenphänomen Cronut (einer Mischung aus Croissant und Donut) nach. Mockridges Einspieler zählten zwar zu den Schwachpunkten der Episoden, dies aber lag schlicht am mit voller Energie agierenden Raab, der die Messlatte überaus hoch ansetzte. In jeder normalen «TV total»-Woche hätten Mockridges pointierte Clips in ihrer kurzen, knackigen Form ganz weit oben mitgespielt.

Die große Schattenseite an «TV total in New York» ist daher allein der kalte Schrecken, der höchst wahrscheinlich am Montag auf das Publikum wartet. Selbst eine gute Ausgabe aus dem alten, muffigen Studio wird es schwer haben, gegen die flotten US-Folgen zu bestehen. Es bleibt nur zu hoffen, dass Raab und seine Redaktion den Ausflug als Inspirationsquelle nutzen. Die Reaktionen im Internet waren einstimmig: Mehr davon! Da sollten die Quoten nicht als Gegenargument herhalten.

Wer Raabs New Yorker Neugeburt versäumt hat, bekommt am Samstag, den 1. Februar, um 22.20 Uhr nochmal Gelegenheit, reinzuschauen. Denn ausnahmsweise darf «TV total» auch am Wochenende auf Sendung gehen. Außerdem stehen alle Folgen online bei Myspass.de zum Abruf bereit.

Kurz-URL: qmde.de/68758
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