Die Kino-Kritiker

«47 Ronin»

von

Keanu Reeves führt 46 tapfere Samurai in den Kampf gegen einen finsteren Fürsten und teuflische Kreaturen.

Filmfacts «47 Ronin»

  • Kinostart: 30. Januar
  • Genre: Action/Fantasy
  • Laufzeit: 118 Min.
  • FSK: 12
  • Musik: Ilan Eshkeri
  • Drehbuch: Chris Morgan, Hossein Amini
  • Regie: Carl Rinsch
  • Darsteller: Keanu Reeves, Hiroyuki Sanada, Kô Shibasaki, Tadanobu Asano, Min Tanaka, Cary-Hiroyuki Tagawa
  • OT: 47 Ronin (USA 2013)
Es ist immer recht heikel, wenn sich westliche Filmemacher einem klassischen fernöstlichen Stoff für ihre Werke annehmen. Schon das bereits auf einem US-amerikanischen Roman basierende Drama «Die Geisha» von Rob Marshall («Pirates of the Caribbean - Fremde Gezeiten») löste im Jahr 2005 in dieser Hinsicht einige Kontroversen aus. Mit seinem Langfilmdebüt «47 Ronin» hat sich der Brite Carl Rinsch nun sogar eine der bekanntesten japanischen Geschichten über bedingungslose Treue und Loyalität vorgenommen, die er damit zum ersten Mal außerhalb Japans verfilmt. Gemeinsam mit seinen beiden Drehbuchautoren Chris Morgan («Fast & Furious 6») und Hossein Amini («Drive») ist es ihm gelungen, die zu Grunde liegende wahre Geschichte recht behutsam an westliche Sehgewohnheiten anzupassen und an vielen Stellen weiter auszuschmücken. Im Endeffekt kommt das durchaus ambitionierte Projekt aufgrund blasser Charaktere und einer uninspiriert erzählten Handlung jedoch trotzdem kaum über Mittelmaß hinaus.

Als er in einem Wald in seiner Provinz Ako den umherirrenden Kai (Daniel Barber) aufliest, gewährt der gutherzige und traditionsbewusste japanische Fürst Asano (Min Tanaka) dem heimatlosen Jungen Zuflucht in seinem Reich. Dort wächst das „Halbblut“ Kai relativ behütet, wenn auch aufgrund seiner teilweise britischen Wurzeln wenig geachtet, als Außenseiter auf. Mehrere Jahre später soll Asano zu Ehren der Ankunft des Shoguns Tsunayoshi (Cary-Hiroyuki Tagawa) ein Fest ausrichten, bei dem auch Fürst Kira (Tadanobu Asano) zugegen sein wird. Der heimtückische Kira sieht dabei seine Chance gekommen, die Macht über Ako an sich zu reißen, um somit auch einer angestrebten Herrschaft über ganz Japan ein gutes Stück näher zu kommen.

Mit der Unterstützung der Hexe Mizuki (Rinko Kikuchi) bringt er Asano dazu, ihn anzugreifen, wodurch der ahnungslose Fürst beim Shogun in Ungnade fällt und wenig später rituellen Selbstmord begeht. Die ihm dienenden Samurai werden dadurch zu Ronin, herrenlosen Kriegern, die aus der Region vertrieben werden. Kira hingegen plant nun, Asanos Tochter Mika (Kō Shibasaki) zur Frau zu nehmen, um den Bund zwischen den Provinzen zu stärken und somit vor allem seine Macht zu vergrößern. Ōishi (Hiroyuki Sanada), der Anführer der Ronin, möchte dies um jeden Preis verhindern. Hierzu bittet er Kai (nun Keanu Reeves), der selbst ein hochbegabter Schwertkämpfer und obendrein in Mika verliebt ist, um Hilfe. Gemeinsam versammeln sie Ōishis ehemalige Weggefährten, um Kiras zahlenmäßig weit überlegenen Truppen den Kampf anzusagen.

In einer Hinsicht kann dabei halbwegs Entwarnung gegeben werden. Auch wenn es nach wie vor ein wenig befremdlich und der Atmosphäre etwas abträglich ist, dass trotz des Settings und der sogar fast durchgehend japanischen Besetzung in Englisch gedreht wurde, trifft «47 Ronin» einen Ton, der, abseits der Neuerfindung von Keanu Reeves’ Filmfigur, den Geist der zum japanischen Kulturgut gehörenden Geschichte durchaus wahrt. Gerade einer Mainstream-Produktion dieser Größenordnung ist dies hoch anzurechnen. Die meiste Zeit glückt dem Abenteuer der schwierige Balanceakt zwischen westlichem Einfluss und traditioneller Vorlage.

Der Film entwirft ein ausgefeiltes Bild des feudalen Japan, in dem er die von Obrigkeitshörigkeit, Strenge, Respekt und Ehrgefühl geprägte Gesellschaft äußerst greifbar erscheinen lässt. Abgerundet wird der positive Eindruck des Settings durch schöne Landschaftsaufnahmen, die opulente Ausstattung und atemberaubende Sets, von denen ein Großteil in der Tat real erbaut und somit nur durch CGI-Effekte ergänzt worden sind. Jene Anreicherung mit Bildern aus dem Computer funktioniert hervorragend und meist fast unbemerkt, ohne dass diese die Szenerie überlagern. Selbst das Hinzufügen einer Fantasy-Komponente, inklusive Hexen, Dämonen und weiterer mystischer Wesen, wirkt sehr stilecht und nicht aufgesetzt. Gerade weil sich dieses Element so erstaunlich nahtlos und selbstverständlich in das Geschehen einfügt, hätten Rinsch und sein Team hier sogar noch mehr aus den Vollen schöpfen können, wenn sie schon einen derartigen Weg einschlagen. An dieser Stelle fällt darüber hinaus allerdings auch die eine oder andere nicht ganz so ansehnliche Computer-Animation negativ auf, so scheint ein Großteil des fast 200 Mio. US-Dollar umfassenden Budgets wohl in das bereits erwähnte Produktionsdesign geflossen zu sein.

Mit der großartigen Ausstattung und den fast schon märchenhaft wirkenden Fantasy-Ausflügen erschöpfen sich die wirklich positiven Seiten von «47 Ronin» jedoch bereits allmählich. Das der Handlung zweifellos innewohnende Potential wird durch eine meist allzu konventionelle Erzählstruktur nicht vollends ausgeschöpft. Nahezu der gesamte Handlungsablauf mitsamt einigen platten Dialogen wirkt überaus vertraut und ist selbst bei Unkenntnis der historischen Geschichte der 47 Ronin schnell vorauszuahnen. Auch die meist bemerkenswert kurzen Kämpfe sprühen, abgesehen von kleinen visuellen Spielereien, nicht gerade vor Ideenreichtum. Rinsch versucht sich in seiner Inszenierung häufig in großen, bedeutungsschwangeren Gesten, deren Wirkung jedoch weitestgehend verpufft, nicht zuletzt da es seinem Film deutlich an Emotionalität und der Ermöglichung eines Zugangs zu seinen Charakteren mangelt.

Zwar wird hier eine Welt gezeichnet, in der unterkühlte und distanzierte Umgangsformen an der Tagesordnung sind, doch hätte gerade die Liebesgeschichte zwischen Kai und Mika, immerhin eine der Hauptantriebsfedern des Plots, eine feinere Ausarbeitung vertragen können. Auch ansonsten hält sich das Interesse am Schicksal der Charaktere in Grenzen, wodurch sich die Erzählung an vielen Stellen unnötig in die Länge zieht und den Zuschauer insgesamt oftmals kalt lässt. Dazu trägt auch bei, dass die agierenden Figuren durch die Bank weg blass bleiben. Über die Mitstreiter der Hauptcharaktere erfährt man so gut wie nichts und auch die Protagonisten selbst kommen über stereotype Eigenschaftszuordnungen kaum hinaus. Motivationen bleiben zudem häufig im Dunkeln, Charakterentwicklung sucht man, abseits des obligatorischen „Oh!-Der-von-uns-die-ganze-Zeit-über-Verstoßene-ist-ja-doch-kein-so-schlechter-Typ“ in den meisten Fällen vergeblich.

Lediglich Ronin-Anführer Ōishi kann dabei positiv aus der Masse herausstechen, was zu großen Teilen auch Schauspieler Hiroyuki Sanada («Wolverine: Weg des Kriegers») zu verdanken ist, der im Gegensatz zum zweiten Hauptdarsteller Keanu Reeves («Matrix»), welcher mit «47 Ronin» rund fünf Jahre nach «Der Tag, an dem die Erde stillstand» sein Blockbuster-Comeback feiert, auch darstellerisch auftrumpfen kann. Ein weiterer Lichtblick ist außerdem die wirklich sehenswerte und beeindruckend konsequente Schlussszene, die nach dem zuvor wie erwartet eingetretenen Ausgang der Ereignisse, zumindest bei nicht vorhandenem Wissen über die wahren historischen Begebenheiten, doch noch einmal für Überraschung sorgen kann.

Das großartig ausgestatte Fantasy-Abenteuer «47 Ronin» bleibt leider hinter seinen Möglichkeiten zurück. Gute Ansätze und ein weitestgehend respektvoller, wenn auch teilweise recht freier Umgang mit einer bedeutenden japanischen Legende stehen einer vor sich hinplätschernden, da meist einfallslosen Erzählform sowie größtenteils oberflächlich konturierten Charakteren gegenüber. Die üppigen Sets und das mutige Ende wissen dafür aber zumindest noch ein wenig zu entschädigen. In jedem Fall ist «47 Ronin» trotz deutlicher Mängel immerhin dafür gut, dass Interesse an einem noch heute in Ehren gehaltenen Teil der japanischen Geschichte zu wecken.

«47 Ronin» ist seit dem 30. Januar in den deutschen Kinos zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/68766
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