Sonntagsfragen

Rudi Cerne: ,Ohne Vorurteile, aber mit kritischem Blick‘

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So möchte Rudi Cerne (55) für das ZDF von den olympischen Spielen in Sotschi berichten. Vor der Eröffnungsfeier sprach der Sportmoderator mit uns unter anderem über die Sicherheit vor Ort sowie die Zusammenarbeit mit der ARD.

Zur Person: Rudi Cerne

Rudi Cerne, geboren 1958 in Wanne-Eickel, startete seine Karriere als Eiskunstläufer, während der er zwei Mal deutscher Meister wurde. Mit dem Gewinn der Silbermedaille bei der Europameisterschaft 1984 in Budapest feierte er internationale Erfolge. Nach einigen Jahren bei der ARD ging Cerne, der sich inzwischen voll und ganz dem Fernsehjournalismus verschrieben hatte, 1996 ins ZDF. Dort präsentierte er bis 2005 u.a. «Das aktuelle Sportstudio». Bis heute moderiert Cerne hin und wieder den Sportteil bei den «heute»-Nachrichten. Neben seinen Arbeiten als Sportjournalist ist er seit 2002 Moderator von «Aktenzeichen XY... ungelöst».
Herr Cerne, am heutigen Freitag beginnt Olympia 2014 mit der Eröffnungsfeier im ZDF. Worauf freuen Sie sich aus sportlicher Sicht in den kommenden Tagen besonders?
Ich freue mich als ehemaliger Eiskunstläufer natürlich besonders auf die Eiskunstlauf-Wettbewerbe – zumal wir im ZDF am 12. Februar sogar die Entscheidung im Paarlaufen übertragen werden. Ich bin dabei als Reporter live im Einsatz. Für mich persönlich ist das klar das Highlight der Spiele.

Abseits des Sports dominierten in den letzten Wochen Berichte über Kriminalität, Anschläge in Wolgograd und Reisewarnungen für US-Bürger die Schlagzeilen. Wie besorgt sind Sie nach Russland geflogen?
Es gibt einige besorgniserregende Meldungen und neue Terrordrohungen. Trotzdem: Ich bin nicht mit Angst nach Russland geflogen, auch wenn es 100 Prozentige Sicherheiten nicht geben kann - auf keinem Flughafen und keinem Marktplatz der Welt. Ich kann mich beispielsweise sehr gut an die Olympischen Sommerspiele 1996 in Atlanta erinnern, bei denen damals ein Sprengsatz auf einem großen Platz detoniert ist. Damals kam eine Frau ums leben, viele wurden verletzt. Ich glaube aber einfach, dass die Verantwortlichen in Russland dafür sorgen werden, dass Sotschi in den nächsten Wochen der sicherste Ort der Welt sein wird. Die Anzahl der Sicherheitskräfte wird riesig sein, ähnlich wie 2002 in Salt Lake City, als sogar die US Army die Veranstaltungsorte bewachte.

Drückt sowas nicht aber auf die Stimmung vor Ort?
Klar, Heiterkeit sieht anders aus. Die Menschen sollten befreit und fröhlich sein können. Dass so große Sicherheitsaufgebote nötig geworden sind, ist schade, aber es ist nun mal so. Für alle Anwesenden muss Sicherheit eben garantiert sein. Das gibt mir aber auch Sicherheit, ohne Sorgen hinfahren zu können.

Sehen Sie einen Schaden, der durch die sehr schwierigen politischen Umstände im betreffenden Land an solchen Ereignissen entsteht?
Nein, nicht wirklich. Auch bei den Olympischen Spielen 2008 in Peking wurde intensiv über die politische Situation in China gesprochen. Auch im letzten Jahr bei den Sommerspielen in London gab es Befürchtungen, dass es in der U-Bahn zu Bombenanschlägen kommen könnte. Ich finde es sogar sehr wichtig, dass Dinge wie Menschenrechtsverletzungen und Diskriminierung durch den Sport mehr Präsenz erfahren. Der Sport nimmt weniger Schaden, aber durch die hohe Aufmerksamkeit werden Missstände im Land weltweit noch mehr wahrgenommen.

Bayern hat Olympia für 2022 abgelehnt. Sind Sport-Großereignisse zu Image- oder sogar Protz-Events für Staaten wie China, Südafrika oder jetzt auch Russland und Brasilien geworden?
Ein Image-Event ist es in jedem Fall. Aber ist das das Ziel? Jedes Land muss für sich entscheiden, inwieweit es das auch möchte. Schauen Sie nur nach PyeongChang, wo die Winterspiele 2018 stattfinden. Die Südkoreaner hatten sich mehrfach beworben und sich den Spielen komplett verschrieben. Da ist eine richtige Trabantenstadt entstanden. Auf diese Weise wollen diese Länder eben auf sich aufmerksam machen und erhoffen sich einen Schub – ob ich das gut finde oder nicht.

Ich fühle mit jedem Landwirt, mit jedem Hausbesitzer und Bewohner mit, der um die Idylle in Garmisch-Patenkirchen fürchtet
Rudi Cerne zum Votum der Münchener bzgl. Olympia 2022
Hätten Sie denn selbst gerne Olympia 2022 nach München geholt?
Bei mir schlagen da zwei Herzen in einer Brust. Ist ja klar, dass ich als sportbegeisterter Mensch Sommer- oder Winterspiele in Deutschland nochmal großartig fände. Auf der anderen Seite bin ich als Ex-Sportler vermutlich zu blauäugig. Aber ich kann auch Bedenken nicht außer Acht lassen. Ich fühle mit jedem Landwirt, mit jedem Hausbesitzer und Bewohner mit, der um die Idylle in Garmisch-Patenkirchen fürchtet und sehe auch diese Seite. Weil ich in der Materie zu wenig drin bin, kann und will ich mir kein abschließendes Urteil erlauben. Die Bürger haben entschieden. Das ist ihr gutes demokratisches Recht

ARD und ZDF versprechen eine kritische Berichterstattung. Wie möchten Sie von Olympia aus sportlicher Sicht berichten ohne die politisch schwierigen Umstände ganz aus den Augen zu verlieren?
Gut vorbereitete Frage (lacht)! Ich fahre nach Russland ohne Vorurteile, aber mit kritischem Blick – und das von Haus aus. Ich bin offen und neugierig, wie wohl jeder Kollege. Ich war noch nie in Sotschi, aber auch Peking war 2008 eine völlig neue Erfahrung. Als Vertreter des öffentlich-rechtlichen Rundfunks haben wir die Verpflichtung, auch die Kehrseite der Medaille zu beleuchten und das werden wir sehr gewissenhaft tun.

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