Die Kritiker

«Unter Verdacht: Ohne Vergebung»

von  |  Quelle: Inhalt: ZDF

Ein Triebtäter kommt auf freien Fuß. Die Dorfgemeinschaft dreht durch. Und Senta Bergers Eva Prohacek gerät zwischen die Fronten.

Hinter den Kulissen

  • Produktion: Eikon Media GmbH
  • Drehbuch: Florian Iwersen und Stefan Holtz
  • Regie: Andreas Herzog
  • Kamera: Wolfgang Aichholzer
  • Produzent: Mario Krebs
Inhalt
Der Polizist Walter Maiberger zerrt den Sexualstraftäter Friedrich Schmolzer bei einer Verkehrskontrolle aus dessen Auto und schlägt ihn fast tot. Die umstehenden Passanten lassen es geschehen. Der ehemalige Häftling Schmolzer, der vier Frauen vergewaltigt hat, habe es verdient. Wenn er trinkt, verliert er die Kontrolle. Daran lassen auch seine psychologischen Gutachten nicht zweifeln.

Der Europäische Gerichtshof hat rückwirkende Sicherungsverwahrung als Verstoß gegen die Menschenrechte bewertet, deshalb musste Schmolzer entlassen werden. Zuflucht fand er bei seinem Bruder und dessen Familie in Wallershofen. Claus Reiter kennt den Fall. Schon lange versucht er zwischen der wütenden Bevölkerung und dem ehemaligen Sträfling zu vermitteln. Doch jetzt setzt Staatssekretärin Charlotte Lorenz Eva Prohacek auf den Fall an. Reiter fühlt sich in die Ecke getrieben. Um jeden Preis muss er seine Autorität behalten. Für Prohaceks Scheitern ist er sogar bereit, Menschenleben aufs Spiel zu setzen.

In Wallershofen liegen die Nerven blank. Proteste, Drohanrufe und Angriffe sind für die Schmolzers Alltag geworden. Seit der Sexualstraftäter nach Wallershofen gezogen ist, haben sich die Menschen hier verändert. Sie leben ihre Neurosen, ihre Härte, ihre Hysterie frei aus. Angst, Misstrauen und Gewalt sind die Folge. Und mittendrin Eva Prohacek, die befürchtet, dass ihre Ermittlungen den Ort zerreißen könnten. Niemand will den Angriff des Polizisten Walter Maiberger auf Friedrich Schmolzer beobachtet haben. Maiberger streitet ohnehin alles ab. Erst mit einem Trick kann Prohacek seine Tat beweisen.

Als Maiberger sich daraufhin unter mysteriösen Umständen das Leben nimmt und Auszüge aus einem internen Ermittlungspapier in einer regionalen Zeitung auftauchen, eskaliert die Situation. Die Menschen wollen ihrer Wut mit tätlichen Angriffen Luft machen. Nur Prohacek und Langner trennen die wütende Menge von dem Sexualstraftäter. Dabei wird André Langner von einem Stein getroffen, er verliert das Bewusstsein.

Prohacek ist auf sich allein gestellt. Während sie ermittelt, trifft sich Schmolzer scheinbar heimlich mit einer Brieffreundin aus Gefängnistagen. Damit verstößt er gegen seine Entlassungsauflagen. Als Prohacek deren Wohnung ausfindig machen kann, findet sie sie leer vor. Seit Tagen ist niemand hier gewesen. Ist Schmolzer tatsächlich rückfällig geworden? Hat er die Frau vergewaltigt, ermordet und ihre Leiche irgendwo versteckt? Für Eva Prohacek beginnt ein Wettlauf gegen die Zeit. Und Reiter ist ihr dabei dicht auf den Fersen.

Darsteller


Senta Berger («Kir Royal») als Dr. Eva Maria Prohacek
Gerd Anthoff («Die Ehrabschneider») als Dr. Claus Reiter
Rudolf Krause («Körner und Köter») als André Langner
Michael Stange («Die Versöhnung») als Friedrich Schmolzer
Christian A. Koch («Wickie und die starken Männer») als Manfred Schmolzer
Markus Mittermeier («Der Staatsanwalt») als Walter Maiberger
Meret Becker («Kokowääh») als Veronika Maiberger

Kritik


Welches Verhältnis ein Mensch (oder eine Institution) zum Rechtsstaat hat, lässt sich am einfachsten feststellen, wenn es um Triebtäter geht. Nachdem der vierfache Vergewaltiger Schmolzer aus der illegalen Sicherungsverwahrung entlassen werden musste, reichen die Slogans des Stammtisches in der neuen Folge von «Unter Verdacht» von „Hau ab, du Sau“ bis zu „Kastriert das Schwein!“. Wenn es nicht gleich zu gewaltsamen Übergriffen kommt, natürlich. Auch das ist nahezu an der Tagesordnung im bayerischen Wallershofen. Der wütende „Demonstranten“-Mob wirft mit Bierflaschen um sich, der Polizist Walter Maiberger prügelt den Schwerkriminellen bei einer Verkehrskontrolle krankenhausreif.

Die Autoren entwerfen in der ersten Hälfte eine sehr bedrückende Atmosphäre, ein Klima der systematischen Zersetzung, dem die Familie Schmolzer schonungslos ausgesetzt ist. Der Sichtschutz im heimischen Garten wird mit unflätigen Graffitis zugesprayt, die Nichte des Ex-Häftlings wird im Schwimmbad angegangen. Auch die öffentliche Empörung, die sich nicht mehr im Zaum halten kann, kennt Kollateralschäden und nimmt sie geradezu freudig in Kauf.

Für beide Seite kann man Verständnis empfinden: Die Dorfgemeinschaft, die nun in Angst vor einer (vermeintlichen?) tickenden Zeitbombe leben muss; vor allem, da sich andeutet, dass Schmolzer seinen Auflagen nicht nachkommt. Dessen Familie, die vom Mob systematisch drangsaliert wird. Und letzten Endes auch für Schmolzer selbst, der schließlich das Opfer exzessiver Polizeigewalt geworden ist.

Der Einzige, für den man kein Verständnis empfinden kann, ist der Staat, der durch sein unfähiges bis böswilliges Personal und wohl auch die mangelhaften Rahmenbedingungen letztlich daran scheitert, sowohl die Bevölkerung vor einem gefährlichen Mann zu schützen, als auch die rechtsstaatlichen Prinzipien bis in die Details zu wahren.

Hieraus ergeben sich auch die dramaturgischen Fehler, die „Ohne Vergebung“ trotz seiner überaus spannenden Ausgangssituation für «Unter-Verdacht»-Verhältnisse nur durchschnittlich werden lässt: Denn am Schluss ist es gerade Claus Reiter, der manchmal etwas spetzlversessene, manchmal etwas allzu vetternwirtschaftende, aber ansonsten immer akkurate, immer rechtschaffene Leiter des Kommissariats, der im Fall Schmolzer über Leichen gehen will. Das passt nicht und ist unglaubwürdig.

Dass der Film seine Auflösungen im Einfachen sucht, schmälert leider den guten Eindruck, den seine erste Hälfte mit ihrem Willen zur erzählerischen wie psychologischen Komplexität durchaus zu hinterlassen verstanden hat. Eine schwache Meret Becker, die ihre (von den Autoren nicht ideal geführte) Figur lieber eindimensional als vielschichtig verkörpert und in ihrem Spiel nur wenig Variation zeigt, trägt ihr übriges dazu bei. Senta Berger und Rudolf Krause spielen dagegen in gewohnter Weise eindringlich und nahegehend, während Gerd Anthoff bei seiner missglückten Rolle noch das Schlimmste verhindern kann.

Das ZDF zeigt «Unter Verdacht – Ohne Vergebung» am Samstag, den 8. Februar um 20.15 Uhr.

Kurz-URL: qmde.de/68873
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