Die Kino-Kritiker

«American Hustle»

von

Hat David O. Russells neuester Film seine Favoritenrolle bei den kommenden Oscars wirklich verdient?

Filmfacts «American Hustle»

  • Kinostart: 13. Februar
  • Genre: Komödie/Drama
  • Laufzeit: 138 Min.
  • FSK: 6
  • Drehbuch: Eric Warren Singer, David O. Russell
  • Regie: David O. Russell
  • Darsteller: Christian Bale, Bradley Cooper, Amy Adams, Jeremy Renner, Jennifer Lawrence, Louis C.K.
  • OT: American Hustle (USA 2013)
«Three Kings», «I Heart Huckabees», «The Fighter», «Silver Linings». David O. Russells Filmografie liest sich wie die Beispielliste eines Lehrbuchs für herausragendes Filmemachen. Mittlerweile ist der Regisseur mit seinen Werken auch regelmäßig bei der Oscarverleihung vertreten. Während das Boxerdrama «The Fighter» vor drei Jahren in den Nebendarstellerkategorien absahnen konnte, gab es zwei Jahre später für «Die Tribute von Panem»-Star Jennifer Lawrence eine Auszeichnung als beste Hauptdarstellerin in der Tragikomödie «Silver Linings». Der neueste Eintrag in Russells Œuvre, die zwischen Drama und Komödie mit einem etwas stärkeren Ausschlag zu letzterem, pendelnde Produktion «American Hustle», fügt sich dabei in vielen Belangen nahtlos in sein bisheriges Schaffen ein. Erneut ist ihm ein vor allem darstellerisch und mit geschliffenen Dialogen auftrumpfendes Stück Filmkunst gelungen, dessen Handlung im letzten Drittel allerdings ein wenig die Puste ausgeht.

Obwohl der abgebrühte Irving Rosenfeld (Christian Bale) eine Kette von Wäschereien besitzt, verdient er den Großteil seines Lebensunterhalts als Trickbetrüger. Bei einer Party trifft er eines Tages auf die hübsche und taffe Sydney Prosser (Amy Adams), in die er sich schnell verliebt, obwohl er bereits mit der naiven und leicht psychotischen Rosalyn (Jennifer Lawrence) verheiratet ist und obendrein deren Sohn adoptiert hat. Schließlich führt er Sydney in seine illegalen Machenschaften ein, sodass die beiden fortan gemeinsam und erfolgreicher denn je verschuldete Menschen um ihr letztes Geld bringen. Bald geraten sie dabei jedoch an den aufstrebenden FBI-Agenten Richie DiMaso (Bradley Cooper), der das Gaunerpärchen vor eine heikle Wahl stellt: Entweder sie helfen ihm, eine Reihe bedeutender Politiker der Korruption zu überführen oder sie wandern ins Gefängnis.

Notgedrungen sehen sich Irving und Sydney dazu gezwungen auf den Deal einzugehen. Einem riskanten Plan folgend, versuchen sie, den um das Wohl seiner Mitmenschen besorgten Bürgermeister von Camden, Carmine Polito (Jeremy Renner), dazu zu bringen, Schmiergeld von einem falschen Scheich für die Wiederbelebung der einstigen Glücksspielhochburg Atlantic City anzunehmen. Während sich die Spannungen zwischen Irving, Sydney und Richie zunehmend verschärfen, verstricken sich die Drei immer mehr in ihren Lügen und geraten bald sogar an die skrupellose Mafia, die ein entscheidendes Wörtchen in der Förderung des Casino-Treibens von Atlantic City mitreden will.

Bei der am 2. März 2014 stattfindenden Oscarverleihung führt «American Hustle» mit 10 Nennungen die Liste der Nominierten gemeinsam mit «Gravity» an. Und tatsächlich sticht der Film alleine schon durch das auffällige Erscheinungsbild seiner Protagonisten, die direkt einer 70er-Jahre-Disco entsprungen zu sein scheinen, aus der Masse hervor. Die stilechte, teilweise auch unterhaltsam überspitzte Ausstattung, insbesondere in Bezug auf Kostüme und Figuren, ist schlichtweg grandios und weiß schon für sich genommen für regelmäßiges Schmunzeln zu sorgen. Bereits die großartige Eröffnungsszene, in der man Christian Bales Irving Rosenfeld dabei zusehen darf, wie er seine Halbglatze mithilfe eines Toupets akribisch, jedoch mehr schlecht als recht kaschiert, ist in ihrer zurückhaltenden Ausführung urkomisch, ohne dass dies in irgendeiner Hinsicht plump forciert wird. Generell zeichnet David O. Russells Film, einmal vom Look der Hauptfiguren abgesehen, eine angenehm subtile Inszenierung aus. Dies verhindert zwar wirklich spektakuläre Regieeinfälle, hat aber trotzdem durch wiederkehrende visuelle Elemente eine recht eigene auflockernde Handschrift, wenn Russell zum Beispiel vereinzelt in (mehr oder weniger) gewöhnlichen Gesprächssituationen seine Kamera, ähnlich wie schon in «Silver Linings», plötzlich langsam über die Figuren schweifen lässt und ihr somit fast schon ein kleines verspieltes Eigenleben verpasst.

Ein Prunkstück von «American Hustle» ist darüber hinaus ohne Frage der perfekt harmonierende Dreiklang aus Dialogen, Figuren und Darstellern. Den skurrilen und teils völlig kaputten, fast schon zu Karikaturen stilisierten Charakteren legen Russell und sein Co-Autor Eric Warren Singer («The International») ausgefeilte Zeilen in den Mund, die, egal ob in Streitgesprächen oder anderweitigen Konversationen meist hervorragend zu unterhalten wissen. Insbesondere die herrlich absurden Auseinandersetzungen zwischen Bradley Coopers («Hangover», «Silver Linings») überambitioniertem FBI-Agenten DiMaso und seinem von Comedy-Star Louis C.K. («Louis») amüsant mürrisch verkörperten Vorgesetzten gehören zu den humoristischen Glanzlichtern des Films. Doch nicht nur in den Wortgefechten weiß die zu Hochform aufspielende und bisweilen regelrecht frei drehende Besetzung zu begeistern, wobei vor allem Hauptdarsteller Christian Bale («The Dark Knight», «The Fighter») auftrumpfen kann.

Gerade wenn man glaubt, mit dem stets sehenswerten Spiel des Oscar-Preisträgers in allen Facetten inzwischen vertraut zu sein, streut der Brite einen überraschenden Blick oder eine dezente Geste ein, mit denen er mehrere Szenen prompt an sich reißt. Zu letzterem Umstand trägt aber zweifelsohne auch sein fast schon erschreckendes Äußeres mit der bereits erwähnten schwindenden Haarpracht und einer stolzen Plauze bei. Obwohl Bale an vielen Stellen eher zurückhaltend agiert, bekommt man als Zuschauer ein gutes Gefühl für das ambivalente Innenleben seiner Figur, die nicht nur zwischen zwei Frauen steht, sondern auch zunehmende Zweifel an der geplanten Verunglimpfung von Carmine Polito hegt, empfindet er doch bald eine aufrichtige freundschaftliche Zuneigung für den charismatischen Politiker.

Umso bedauerlicher ist es, dass sich die bestechenden Qualitäten von «American Hustle» nur eingeschränkt auf die im Zentrum stehende Handlung erstrecken. Auch wenn die absurden Entwicklungen der Story gerade aufgrund des Bezugs auf wahre Begebenheiten eine bizarre Faszination ausüben, dreht sich das Geschehen ab einem gewissen Punkt weitestgehend im Kreis. Etwas arm an Spannungshöhepunkten, kann die Geschichte ihr Niveau nicht über die gesamte Laufzeit halten. Spätestens auf der Zielgeraden lässt der Film wirklichen Pfiff vermissen, bevor er dann, abgesehen von einem zumindest gut funktionierenden Twist, sogar recht unspektakulär endet.

Nichtsdestotrotz setzt Regisseur David O. Russell mit «American Hustle» seine beeindruckende Serie bemerkenswerter Filme fast reibungslos fort. Dabei bietet er vor allem seinen erstklassigen Darstellern viel Raum zur Entfaltung, den diese, herrlich verkleidet, auch mit Freude nutzen. Die Schauspieler sind es auch, die die oftmals zündende Dialog- und Situationskomik ebenso vorzüglich transportieren wie die tragischen Töne. Erzählerisch erfindet Russell das Rad jedoch keineswegs neu, tritt gegen Ende im Kampf gegen vereinzelte Längen und Redundanzen sogar auf der Stelle. Damit ist «American Hustle» zwar ein gekonnter und über weite Strecken unterhaltsamer Balanceakt zwischen skurriler Komödie und zwischenmenschlichem Drama, jedoch leider nicht der beste Film des Jahres.

«American Hustle» ist ab dem 13. Februar in den deutschen Kinos zu sehen.

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