Hinter den Kulissen
- Produktion: Network Movie
- Drehbuch: André Georgi
- nach der gleichnamigen Erzählung von Siegfried Lenz
- Regie: Thomas Berger
- Kamera: Frank Küpper
- Produzenten: Dietrich Kluge und Jutta Lieck-Klenke
Am Nordseestrand wird eine Leiche angespült. Der Tote ist Alexander, der Mann der schönen, verschlossenen Bettina Halbach. Obwohl die Ehe unglücklich war und ihre Beziehung schon seit langem auf Eis lag, hatte Bettina während seiner schweren Nierenkrankheit immer zu Alexander gehalten. Gemeinsam besaßen sie ein Sommerhaus auf der Insel, in das sich Bettina für mehrere Monate zurückzog. Dort lebte sie zum Schluss auch das Verhältnis mit ihrem Geliebten Tom aus. Die Ehe von Tom und Ulrike, die eine Pension auf der Insel führen, geht deshalb durch eine tiefe Krise.
Alles spricht für einen Tod ohne Fremdeinwirkung. Niemand zweifelt; auch die junge Polizistin Maike, die der Familie seit Kindertagen verbunden ist, zunächst nicht. Dass ein Tourist die Tücken der Gezeiten nicht einschätzen kann, überrascht hier niemanden. Doch Alexander hätte nach all den Besuchen mit dem Wattenmeer vertraut sein müssen. Einen Selbstmord hält Tochter Mia für ausgeschlossen - Alexander hätte sich verabschiedet, zumindest von ihr. Als Maike herausfindet, dass Alexander kurz vor seinem Tod mit Tom telefoniert hat, dieser jedoch jegliche Verwicklung in den Fall abstreitet, will sie den letzten Moment der Wahrheit herausfinden.
Festgefahrene Konflikte und missglückte Kommunikation scheinen auch das Verhältnis zwischen Bettina und ihrer Tochter Mia zu belasten. Maikes Untersuchungen werden durch die persönlichen Beziehungen, die sie zu den Inselbewohnern pflegt, nicht gerade erleichtert. Die Seebestattung von Alexander führt die Inselbewohner schließlich am Hafen zusammen. Es kommt zum stillen Showdown; und Maike erfasst die ganze Tragik der Entfremdung zweier Menschen.
Darsteller
Ina Weisse («Das Ende einer Nacht») als Bettina Halbach
August Zirner («Klimawechsel») als Alexander Halbach
Bernadette Heerwagen («Die Braut im Schnee») als Maike Harms
Jürgen Vogel («Die Welle») als Tom Larson
Leonie Benesch («Das Jerusalem-Syndrom») als Mia Halbach
Nicolette Krebitz («Der Tunnel») als Ulrike Larson
Jan Peter Heyne («Tatort – Kiel») als Bengt Harms
Kritik
Es gibt ein Filmgenre, in dem das öffentlich-rechtliche Fernsehen in Deutschland besonders produktiv ist. Dieses Genre ist nicht geprägt von spezifischen Stilmitteln oder Themen, sondern von einer bestimmten Machart und kreativen Haltung. Es wird hierzulande massenweise produziert, hat aber nicht einmal einen eigenen Namen. Nennen wir es behelfsmäßig mal den Eigentlichfilm.
Ein Film dieses Genres soll immer durch ein hohes Maß an künstlerischem Anspruch bestechen, soll eine ernsthafte Begegnung mit komplexen Figuren erlauben, tiefsinnig sein, hoch dramatisch, intelligent und relevant. Er soll Intendanten und Programmdirektoren als Beleg dienen, ihren Bildungs- und Kulturauftrag erfüllt zu haben, damit sie voll bildungsbürgerlicher Besoffenheit stolz verkünden können, dass solche Filme nur die Öffentlich-Rechtlichen produzieren und nicht diese Analphabeten von RTL und Sat.1.
Doch sobald man ein wenig an der Oberfläche kratzt, findet man, dass sich hinter all dem pseudo-kulturellen Getue des Eigentlichfilms wenig mehr verbirgt als prätentiöses Gefuchtel um an sich banale Plots und Charaktere, die sich der Ästhetik der Avantgarde bedienen, um einen Stoff umzusetzen, der an künstlerischer Radikalität ebenso arm ist wie an thematischer Relevanz.
Was dabei herauskommt, sind Filme wie «Die Flut ist pünktlich». Der Stoff um die Entfremdung eines Ehepaares, die in der rauen Landschaft Nordfrieslands in einer Katastrophe kulminiert, hätte eine emotional wie intellektuell anspruchsvolle filmische Umsetzung ermöglicht – vor allem, wenn die belletristische Vorlage wie in diesem Fall von einem Autor wie Siegfried Lenz stammt.
Stattdessen ist daraus aber ein prätentiöses Melodram geworden, das man nicht Melodram nennt, weil das gleich so nach Rosamunde Pilcher klingt. Doch von thematischer Relevanz, psychologischer Vielschichtigkeit und künstlerischer Radikalität lässt «Die Flut ist pünktlich» bei konsequenter Analyse nur unwesentlich mehr übrig. Es versteckt das Banale nur geschickt hinter einer avantgardeaffinen Ästhetik.
Um das subtextarme Gewäsch nach Nouvelle Vague aussehen zu lassen, wird die norddeutsche Verstocktheit zum Stilmittel erhoben. Das Einzige, was die Figuren vielschichtiger werden lassen soll als ihre melodramlastigen Gegenstücke in anderen Produktionen, ist ihre Wortkargheit und Verschwiegenheit. Die Szenen sehen dann so aus:
„Ich war doch immer für dich da.“ Schweigen. „Nicht, als es drauf ankam.“ Schweigen. „Warum Tom?“ Forciert ausdrucksvolles In-die-Luft-Starren. Dabei Schweigen. „Ist das so wichtig?“
Ein anderes Beispiel, mindestens genauso vielsagend: „Ich will dir nicht weh tun.“ Schweigen. „Das tust du aber.“ Schweigen. Pianomusik. „Ich liebe dich.“
Spätestens wenn nach dem Geständnis des betrogenen wie betrügenden Ehemannes zu wabernder Steichermusik die theatralische Watschen fällt, kann man kaum noch an sich halten. Man schüttelt den Kopf ob all dieses pathetischen Melodrams, das sich den visuellen Anstrich der Avantgarde geben will, narrativ davon aber meilenweit entfernt ist. Man schüttelt den Kopf ob der Programm- und Filmemacher, die ihr Publikum wirklich für so einfach strukturiert halten und denken, die werden dieses Machwerk schon als künstlerisch wertvoll durchgehen lassen. Und ob der Kritiker, die darauf reinfallen, natürlich.
Denn am Schluss gelingt es nur Ina Weisse, diesen Film in seinen besten Momenten ein bisschen nach Godard aussehen zu lassen. Bei Bernadette Heerwagen sieht es dagegen wie das aus, was es im Kern ist: ein inhaltsarmer Klischeestoff auf prätentiösen Abwegen.
Das ZDF zeigt «Die Flut ist pünktlich» am Montag, den 24. Februar um 20.15 Uhr.