Fernsehfriedhof

Der Fernsehfriedhof: Lass' das mal die Anke machen

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Christian Richter erinnert an all die Fernsehformate, die längst im Schleier der Vergessenheit untergegangen sind. Folge 278: Ralf Husmanns inoffizieller Vorgänger von «Stromberg».

Liebe Fernsehgemeinde, heute gedenken wir einer der wenigen deutschen Sitcoms, die Lob bei Kritikern fand.

«Anke - Die Comedyserie» wurde am 28. Januar 2000 in Sat.1 geboren und entstand zu einer Zeit, als der Sender versuchte, den großen Erfolg seiner wöchentlichen Nachrichtensatire «Die Wochenshow» durch zusätzliche Formate zu verlängern. Daher entstanden um die Jahrtausendwende mit «Briskos Jahrhundertshow» und «Voll witzig!» gleich zwei Reihen, in denen mit Ingolf Lück, Markus-Maria Profitlich und Bastian Pastewka drei feste Darsteller des damaligen Kult-Ensembles mitwirkten. Obwohl diese nur mäßige Zuschauerzahlen generieren konnten, gab sich das verantwortliche Produktionsunternehmen Brainpool nicht geschlagen und konzipierte parallel einen weiteren Ableger - diesmal für das vierte und einzig weibliche Team-Mitglied Anke Engelke. Dieser Schritt war insofern logisch, als sie inoffiziell als das beliebteste Gesicht der Crew gehandelt wurde und es ihr bereits im Dezember 1998 gelang, mit der Weihnachtsgala «Danke Anke!» viele Zuschauer zu begeistern.

Anders als bei den vorangegangenen Versuchen entwickelte man jedoch keine weitere Unterhaltungsshow, sondern eine fiktive Comedyserie. Darin verkörperte Engelke die Moderatorin eines Daily Talks, die zwar beruflich stets souverän und professionell wirkte, im Privatleben dagegen eher unsicher und chaotisch auftrat - insbesondere im Bereich der Liebe, denn nie konnte sie den richtigen Partner finden. Lediglich ihr Ex-Freund Tom (Ingo Naujoks), für den sie keine romantischen Gefühle mehr hegte, wich ihr nicht von der Seite. Außerdem traten ihr zynischer Redaktionsleiter Schröder (Frank-Leo Schröder), die attraktive Sekretärin Nikki (Sandra S. Leonhard) sowie die überforderte, aber herzensgute Redakteurin Lisa als weitere Hauptprotagonisten auf.

Hinter den Kulissen war hauptsächlich der frühere Autor der «Harald Schmidt Show» Ralf Husmann für das Ergebnis verantwortlich, der die meisten Drehbücher verfasste und als Produzent tätig war. In einem Interview bemerkte er, dass es sich bei seinem Vorhaben weniger um eine Medienkritik als vielmehr um eine Serie handeln würde, die das Fernsehen als Kulisse benutzt. Entsprechend wenig Raum nahm die Darstellung der fiktiven Fernsehsendung ein, obwohl jede Episode mit einem Titel versehen war, der einem typischen Talkshow-Thema glich (z.B. „Anke, mein Partner ist im Bett 'ne Null"). Stattdessen bekam man vorwiegend Geschichten über Ankes private Probleme sowie Turbulenzen innerhalb der Redaktion dargeboten. Gerade bei jenen Handlungssträngen über den dortigen Büroalltag ließen sich schon damals Ansätze für Husmanns späteres Projekt «Stromberg» erahnen.

Anstatt auf brachiale Gags und die Anwendung bewährter Sitcom-Muster zu bauen, versuchte Husmann eher subtilere und situationsbedingte Komik zu benutzen. Nicht nur deswegen wurde das Ergebnis oft mit der damals sehr populären US-Serie «Ally McBeal» verglichen. Viele Kritiker lobten die Abkehr von "dumpfbackig-derben" Zoten zugunsten eines Humors, der „angenehm zwischen Ulk, sophisticated comedy und einem Hauch von Anarchie pendelte". Dies brachte der Produktion bereits mit ihrer ersten Staffel eine Nominierung für den Grimme-Preis sowie für die Goldene Rose von Montreux ein, wo sie unter anderem gegen die skandalträchtige «Ingo Appelt Show» antreten musste. Zusätzlich wurde Hauptdarstellerin Engelke zweimal für ihre Leistung mit dem deutschen Comedypreis ausgezeichnet.

Es fanden sich indessen auch zahlreiche Stimmen, denen das Geschehen zu unwitzig wirkte. So waren beispielsweise damals in der ZEIT folgende Worte zu lesen: „Leider hat man versäumt, Engelke das Drehbuch schreiben zu lassen, vielleicht wäre dann der eine oder andere komische Funken in den Dialog gehopst. Wenn sie selber reden darf, hört man ihr immer mit Vergnügen zu. Aber als Anke ist Anke total zum Abwinken."

Viele Fernsehzuschauer schienen ebenso empfunden zu haben, denn kaum ein anderes Programm verlor innerhalb weniger Wochen derart stark an Zuspruch. Gestartet waren die 30minütigen Folgen am Freitagabend um 21.15 Uhr noch mit einer hervorragenden Sehbeteiligung von 4,39 Millionen Zuseher und einem Zielgruppenmarktanteil von 19,6 Prozent. Damit konnte sogar die parallel laufende Sitcom «Alles Atze» beim Konkurrenten RTL geschlagen werden. Im Laufe der nachfolgenden Wochen ging dieses Interesse aber so sehr zurück, dass zuletzt nur noch Reichweiten um 1,6 Millionen Menschen gemessen wurden.

Trotzdem ließen sich weder die Verantwortlichen bei Brainpool noch bei Sat.1 davon entmutigen und gingen direkt eine zweite Season an. Ganz unbeeindruckt von dem Quotenverfall blieb man jedoch nicht, denn in der Hoffnung, ein größeres Publikum anzusprechen, veränderte man den Grundton der Serie stark. Zuvor soll eine interne Auswertung der ersten Staffel ergeben haben, dass diese zu passiv, zu melancholisch und zu wenig auf ihr prominentes Aushängeschild fokussiert gewesen sein soll. Um sich stärker auf die Produktion konzentrieren zu können, stieg Engelke sogar aus ihrem Sprungbrett «Die Wochenshow» aus. Zusätzlich wurden vermehrt namhafte Gaststars wie Thomas Ohrner, Stefan Raab und Kai Pflaume verpflichtet, die selbstironische Auftritte bekamen.

Letztlich gerieten die neuen Folgen deutlich klamottiger, wie Helge Hopp in der Berliner Zeitung schrieb: „Statt breiter Pointenstreuung und sorgfältiger Inszenierung wird nun eine Art Lachparade veranstaltet, die nicht nur jeden Vergleich mit dem Wortwitz von «Ally McBeal» fürchterlich zu scheuen hat, sondern phasenweise gleich in die Prä-«Klimbim»-Ära zurückfällt. Hier werden die Witze so gnadenlos überstrapaziert, dass sie elendig auf offener Szene verrecken."

Darüber hinaus verlor das Format den prominenten Sendeplatz am „Fun Freitag" und wurde ab Mitte Mai 2001 auf den Montagabend um 21.15 Uhr verlegt. All dies half allerdings nicht, die Einschaltquoten zu verbessern, sodass die zweite Staffel die endgültig letzte werden sollte. Zwar erzielte man bei Wiederholungen im Herbst 2002 zu einer späteren Uhrzeit schließlich doch noch überdurchschnittliche Marktanteile, für eine Wiederaufnahme der Dreharbeiten reichte dies trotzdem nicht mehr aus.

«Anke - Die Comedyserie» wurde am 30. Juli 2001 beerdigt und erreichte ein Alter von 24 Folgen. Die Serie hinterließ die Hauptdarstellerin Anke Engelke, die sich anschließend in «Ladykracher» wieder auf Sketche konzentrierte und damit an frühere Erfolge anknüpfen konnte. Ironischerweise führt sie derzeit mit «Anke hat Zeit» tatsächlich durch eine eigene Talkshow, die sich aber stark von den damaligen Daily Talks unterscheidet. Ihr Serienpartner Ingo Naujoks war später unter anderem im Hannoveraner «Tatort» an der Seite von Maria Furtwängler sowie im Vorabendkrimi «Morden im Norden regelmäßig zu sehen. Autor Ralf Husmann schuf derweil neben «Stromberg» noch die Reihen «Dr. Psycho» und «Der kleine Mann», die ebenfalls über einen dezenteren Humor und geringe Reichweiten verfügten. Übrigens, die Szenen der fiktiven Talkshow «Anke» entstanden damals im Studio von «TV Total», das zu dieser Zeit noch im Kölner Theater am Rudolfplatz untergebracht war.

Möge die Serie in Frieden ruhen!

Die nächste Ausgabe des Fernsehfriedhofs erscheint am kommenden Donnerstag und widmet sich dann einer Spielshow, an der nicht einmal Peter Zwegat seine Freude gehabt hätte.

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