Hinter den Kulissen
- Produktion: ITV Studios Germany GmbH und Twenty Four 9 Films
- Headautoren: Robert Dannenberg und Stefan Scheich
- weitere Autoren: Jan-Martin Scharf, Arne Nolting, Richard Kropf, Uschi Müller und Christian Heider
- Regie: Andreas Menck und Sascha Thiel
- Kamera: Markus Hausen
- Produzenten: Philipp Steffens und Gerda Müller
Folge 01: „Sterbehilfe“
Weil er dem Bitten einer unheilbar kranken Patientin nachgekommen ist und Sterbehilfe geleistet hat, wird der gut situierte Arzt Tobias Falk vor Gericht gestellt. Da die alte Dame ihn ohne sein Wissen als Alleinerben eingesetzt hat, ihre geldgierige Verwandtschaft sich um den Nachlass betrogen sieht und sich Nico Vogler, Tobias „Freund“ und Anwalt, als komplett unfähig entpuppt, nimmt das Unheil seinen Lauf. Der Hammer fällt. Tobias Falk wird wegen Mordes zu mehreren Jahren Haft verurteilt.
In der JVA-Nord sieht sich Tobias Falk dem rauen Knastalltag und den Schikanen des Chefschließers Bernd Hollerbach ausgesetzt. Doch er hat Glück im Unglück. Als Tobias Falk in die Auseinandersetzung zweier Insassen verwickelt wird und einer mit eingedrücktem Kehlkopf zu Boden geht, greift er beherzt ein und rettet seinem „Patienten“ mittels Luftröhrenschnitt das Leben – eine Tat auf die auch die Knastdirektorin Katja Herwald aufmerksam wird. Sie unterbreitet ihm ein überraschendes Angebot: Tobias Falk soll – natürlich inoffiziell – die Leitung der JVA-eigenen Krankenstation übernehmen. Im Gegenzug winken ihm Hafterleichterungen und allerhand Vergünstigungen.
Tobias Falk, der bis hier hin glaubt, dass das Urteil gegen ihn in einem Berufungsverfahren niemals Bestand haben wird, nimmt den Job schließlich an – und muss sogleich merken, worauf er sich eingelassen hat. Seine Sprechstundenassistenz Anke Bruchhausen entpuppt sich als wahre Kratzbürste, weil sie eigentlich auf die Leitung der Krankenstation gehofft hatte, und auch die Patienten, die Tobias Falk nun behandelt, entsprechen nicht ganz der „Privatkassen-Klientel“, die er gewohnt war. Einer von ihnen ist der unheimliche Knastpate Victor Rodenko, der ein ganz spezielles medizinisches Problem mit sich herum trägt und von Falk die Herausgabe von Medikamenten zu erpressen versucht. Spätestens jetzt merkt Tobias Falk, dass ihn seine Doppelrolle aus Arzt und Insasse regelmäßig zwischen allen Stühlen sitzen lässt. Doch so widrig die Umstände auch sein mögen, Tobias Falk kämpft um seine Patienten.
Eine von ihnen ist Lara Neumünster. Bei der jungen Mutter, die wegen Verstößen gegen das Betäubungsmittelgesetz sitzt und deswegen auch um das Sorgerecht für ihr Kind bangt, sieht alles nach einem neuerlichen Rückfall aus. Anders lassen sich die Halluzinationen der Frau nicht erklären. Ihren Beteuerungen, den Drogen abgeschworen zu haben, schenkt niemand glauben. Erst recht nicht, als ein Schnelltest Spuren von LSD nachweist. Allein Tobias Falk vertraut seiner Patientin und geht seinem ganz eigenen Verdacht gegen alle Widerstände nach. Zwar eckt er dabei heftig an, doch macht er am Ende eine Entdeckung, die nicht nur Lara Neumünster das Leben rettet, sondern auch seinen Kritikern das Zugeständnis abringt, dass die Krankenstation um einen verdammt fähigen Arzt reicher ist.
Folge 2: „Verräter“
Auch wenn Tobias Falk sich mittlerweile als Arzt beweisen konnte, fremdelt er in seinem Leben als Insasse immer noch gewaltig. Ausgerechnet in dem Knastpaten Victor Rodenko scheint er jedoch einen „Freund“ gefunden zu haben, der ihm Ärger vom Hals hält. Die Warnung, sich besser nicht auf einen wie Rodenko einzulassen, schlägt Falk in den Wind. – Zumal diese ausgerechnet von Schließer Hollerbach kommt, der Falk selbst gehörig triezt.
Doch Tobias Falk ist nicht der einzige neue Insasse. Benno Wozniak, gerade erst aus Stuttgart in die JVA-Nord verlegt, wird mit Grippesymptomen auf der Krankenstation vorstellig. Keine große Sache. Verwunderlich ist nur, dass Wozniak nicht, wie sonst für Insassen üblich, auf eine Krankschreibung spekuliert, sondern die Station sogar gegen Falks Einwände vorzeitig verlässt. Es bleibt nicht die einzige Ungereimtheit. Wieso zum Beispiel ist Anstaltsleiterin Katja Herwald dermaßen am Gesundheitszustand ihres Neuinsassen interessiert? Und wieso sucht dieser augenscheinlich die Nähe zum Knastpaten Rodenko?
Die Fragen werden nicht weniger, als Benno Wozniak plötzlich zusammenbricht und Symptome einer Tropenkrankheit aufweist – nicht gerade die Sorte Infektion, die man bei einem langjährigem Insassen deutscher Gefängnisse erwarten würde.
Darsteller
Bernhard Piesk («Das Duo») als Dr. Tobias Falk
Clelia Sarto («Der Landarzt») als Katja Herwald
Laura Osswald («Doctor's Diary») als Anke Bruchhausen
Michael Starkl («Blonder als die Polizei erlaubt») als Bernd Hollerbach
Aleksandar Jovanovic («Mantrailer – Spuren des Verbrechens») als Victor Rodenko
Götz Argus («Vera – Die Frau des Sizilianers») als Paul Botz
Kritik
Jetzt muss mal was kommen. «Doc meets Dorf», «Christine – Perfekt war gestern», «Sekretärinnen» und zuletzt «Schmidt – Chaos auf Rezept» – alle waren sie Hoffnungsträger, sollten frischen Wind in die allein auf Action-Formate ausgerichtete Fiction bei RTL bringen.
Einmal auf Sendung, entpuppten sie sich im besten Fall als ganz nett, aber unspektakulär, im schlechtesten als überkandidelt erzählte Rohrkrepierer. Neben ihrer desaströsen bis mittelprächtigen Erzählweise eint sie ihr Schicksal: Drei sind bereits abgesetzt, eine muss nur noch darauf warten, bis die Axt auch offiziell runterkommt.
Sogar in den Rheinhallen wird man kaum glauben, dass der «Knastarzt» das Ruder noch rumreißen könnte; schließlich stammt das Projekt aus dem selben Produktionszyklus und befand sich gerade mitten in den Dreharbeiten, als der Mädelsabend das Fiction-Desaster einläutete.
Nach Sichtung der ersten beiden Folgen fühlt man sich in der Prognose bestätigt: Alles, woran schon die anderen RTL-Neustarts dieser Saison gescheitert sind, macht der «Knastarzt» fast genauso.
Symptomatisch sind mitunter die vielen kleinen und großen Ungereimtheiten, die Ungenauigkeiten und Unpräzisionen, die in ihrer Summe aber einen relevanten Ausschlag geben. Das beginnt mit verzeihbaren sachlichen Fehlern (Knastarzt Falk soll eine Zustimmung zu seiner Entmündigung unterschreiben, auch wenn es Entmündigungen in der Bundesrepublik schon lange nicht mehr gibt) und endet mit allerhand maßlos unrealistischen Überzeichnungen, die die Dramatik des Stoffes verschärfen, die Hintergründigkeit allerdings verwässern sollen: Kein ordentlicher Gefängnisdirektor würde sich die Therapiehoheit über die medizinische Versorgung seiner Insassen anreißen, wie hier gezeigt, oder die systematischen Schikanen seiner Häftlinge durch die Bediensteten dulden. Und natürlich würde niemand im Traum auf die Idee kommen, einen verurteilten Mörder zum Stationsarzt einer JVA zu machen.
Das Problem ist nicht einmal, dass allein die Grundsituation an sich schon völlig unglaubwürdig ist. Vieles hätte man mit etwas gutem Willen halbwegs plausibel gestalten können – das Problem scheint vielmehr, dass man sich absichtlich so weit von einem möglichen Realitätsbezug entfernt hat, um allgemeingültiger erzählen zu können, mehr Identifikationsmöglichkeiten zuzulassen, kurz: um möglichst vielen zu gefallen.
Dieser Drang zum Alle-Müssen's-Gucken, gepaart mit dem Versuch, in ihrer Radikalität deutlich entschärfte Knaststorys zu erzählen (RTL ist ja nicht HBO, Deutschland nicht die USA) und auch noch die Geschichte vom smarten Kerl mit den flotten Sprüchen zu bedienen, führt erneut direkt in den Abgrund. Man will es allen recht machen, aber am Schluss wenden sich alle angewidert ab. Für die Typen, die nach «Alarm für Cobra 11» dranbleiben sollen, hat der «Knastarzt» ein paar Anekdoten über Drogenschmuggel und ein paar Schlägereien parat, für die Mädels den zum Eyecandy mit festgetackertem Dackelblick reduzierten Bernhard Piesk – und die, die ansprechende Geschichten über starke, interessante Figuren sehen wollen, die sollen was von HBO gucken, weil weder Mainstream noch Zielgruppe.
Diese Rechnung ist für RTL in dieser Saison bei keinem einzigen Serien-Neustart aufgegangen. Dass sich das mit dem «Knastarzt» ändert, scheint angesichts dieses Trackrecords unwahrscheinlich.
Abführen!
RTL zeigt sechs Folgen von «Der Knastarzt» ab Donnerstag, den 3. April um 21.15 Uhr.