Inhalt:
Das Leben von Claire (Katherine Kelly) und Daniel Reid (Darren Boyd) verändert sich für immer, als ihr vierjähriger Sohn Callum (Daniel Runacres-Grundstrom) 2008 spurlos verschwindet. Callum wurde nie gefunden, der Fall blieb ungelöst. Fünf Jahre später finden Bauarbeiter Callums Leiche ganz in der Nähe seines Elternhauses und der Alptraum scheint sich zu wiederholen. Detective Maggie Brand (Tamsin Greig) übernimmt den Fall. Die ehrgeizige Ermittlerin war gerade schwanger, als der kleine Junge verschwand und musste den Fall abgeben. Jetzt will sie aufklären, was mit Callum geschah und geht dabei akribisch, fast besessen vor - und gefährdet somit ihr eigenes Familienglück. Die Ermittlungen werfen immer mehr Ungereimtheiten auf. Selbst als sich ein vermeintlicher Täter der Polizei stellt, glaubt Maggie noch immer nicht an die Auflösung des Falls. Sie konzentriert sich auf das damalige Umfeld des kleinen Callums und entdeckt schon bald ein grausames Geheimnis.
Darsteller:
Arsher Ali («Silent Witness», «Beaver Falls») ist DS Vinesh Roy
Tom Beard («Lachsfischen im Jemen», «Hunted») ist DSI Alan Reece
Darren Boyd («Spy», «Case Sensitive») ist Daniel Reid
Ruta Gedmintas («Lip Service», «Do no Harm») ist Teresa Morgan
Tamsin Greig («White Heat», «Friday Night Dinner») ist DCI Maggie Brand
Katherine Kelly («Coronation Street», «Mr Selfridge») ist Claire Reid
Linda Marlowe («Dame, König, As, Spion», «Die Borgias») ist Lynn Brand
und viele andere
Kritik:
Wenn sich ein Sender dazu entschließt, eine Serie am Stück und nicht Episode um Episode auszustrahlen, ist dies meist von eher negativer Bewandtnis. So versendet RTL 2 in einer Nacht gern die ganze Staffel eines Formats; sind die Einschaltquoten einer einzelnen Folge doch meist nicht auf dem Niveau von derartigen Eventprogrammierungen. Mit der ITV-Produktion «The Guilty» verfährt VOX nun ähnlich und zeigt die drei Episoden der britischen Miniserie direkt hintereinander und zur besten Sendezeit. Letzteres lässt bereits auf das Vertrauen schließen, das die Verantwortlichen in das hochwertige Crime-Format stecken. Nicht ganz zu Unrecht. «The Guilty» beweist erneut, dass die Briten sich in puncto Suspense nichts vormachen lassen.
Die von Edward Bazalgette («Inspector Banks») inszenierte Story treibt nicht nur den Puls des Zuschauers in die Höhe, sondern funktioniert nach einem ganz besonderen Erzählstil. Anders als es die durchschnittliche (nationale wie internationale) Ermittlerserie tut, kann «The Guilty» nicht mit dem Schema-F-konformen Aufbau punkten, der in den ersten zehn Minuten das Verbrechen und anschließend die Ermittlungen schildert. Drehbuchautorin Debbie O'Malley («The Game») lässt sich viel Zeit für die Einführung in den Serienkosmos und erzählt die Geschichte fast schon quälend langsam. Dass hieraus keine behäbige Trägheit resultiert, ist den Figuren, deren vielfältigen Charakteren und der komplexen Handlung geschuldet, die über den üblichen Umfang einer Crime-Serie hinausgehen. Anders als «CSI», «NCIS», aber auch britische Formate wie «Law and Order: UK» oder «Scott & Bailey» konzentriert sich «The Guilty» vornehmlich auf die in die Tat mittelbar oder unmittelbar involvierten Personen und – viel wichtiger – deren durch das Ereignis aufgewühlte Gefühlswelt. Das Geschehen, ein Kind zu verlieren, bekommt der Zuschauer dadurch stärker zu spüren, als ihm lieb ist.
Dazu trägt auch die technische Gestaltung bei. Ohne besonders aufwändige Kniffe, fast schon im Stile eines Dogma-Filmes, gibt die Serie respektive der Film das Geschehen auf dem Bildschirm unmittelbar an sein Publikum weiter. Ab und an taucht ein leichter Farbfilter das Geschehen in eine fiebrige Stimmung, um Rückblenden von den aktuellen Geschehnissen abzugrenzen und das Innenleben einzelner Figuren noch deutlicher in den Fokus zu rücken. Kameramann Gavin Finney («The Fear») verzichtet darauf, den Ereignissen seinen Stempel aufzudrücken und sorgt für zurückhaltende, die Handlung unterstreichende Aufnahmen. Komponist Paul Englishby («An Education») ergänzt diese um einen ebenso reservierten Score, dessen Minimalismus den anklingenden Dogma-Stil der Inszenierung unterstreicht. Ab und zu werden Erinnerungen an Thomas Vinterbergs «Die Jagd» wach, der mit ähnlich wenig Mitteln eine ebenso einnehmende Atmosphäre generieren und damit in diesem Jahr eine Oscar-Nominierung einheimsen konnte.
Der visuelle Gewaltgrad ist derweil bemerkenswert niedrig, ohne auf irgendeine Art und Weise weichgespült oder gar heruntergekürzt zu wirken. «The Guilty» zieht sämtlichen Suspense aus der inneren Anspannung der Charaktere und macht sich die bedrohliche Prämisse zunutze. Blut oder ausführende Brutalität braucht der Zuschauer gar nicht zu Gesicht zu bekommen. Die Serie ist derart intensiv und dicht erzählt, dass zusätzliche Gewaltspitzen allenfalls für einen kurzen Adrenalinschub sorgen. Das Hauptaugenmerk liegt auf den bedrückenden Nachforschungen und der sich nach und nach aufbauenden Spannung, die sich ob der "Wer ist der Täter?"-Frage entwickelt.
Tamsin Greig, 2015 in «Best Exotic Marigold Hotel 2» zu sehen, meistert die facettenreich gezeichnete Figur der Maggie Brand tadellos. Ihre Darbietung der akribischen, nahezu besessenen Ermittlerin ist nicht nur von enormer Spannung; Trotz einiger befremdlicher Charakterzüge geht ihr ein hoher Sympathiewert nicht ab. So findet sich das Publikum stets auf Augenhöhe mit Maggie wieder und wird damit unmittelbar in das Geschehen miteinbezogen. Da wird der Zuschauer schnell zu einem Mit-Ermittler. An Greigs Seite glänzt eine Handvoll Nebendarsteller, die allesamt eine mehr als solide Leistung erbringen, die bewegte Bühne jedoch hauptsächlich Tamsin Greig überlassen.
Fazit: «The Guilty» ist keine dröge Crime-Story, sondern ein emotional forderndes, anspruchsvolles Thriller-Event auf höchstem Niveau, das die Nerven seines Publikum – vor allem aus psychologischer Sicht – stark strapaziert.
VOX zeigt alle drei Folgen von «The Guilty» am 05. April ab 20:15 Uhr in einer Event-Programmierung.