Fernsehen ist geil. Es hilft, wenn man sich das immer mal wieder vorsagt. Insbesondere wenn man Kritiker ist und sich regelmäßig mit dem Sendung gewordenen Elend konfrontiert sieht.
Es hilft auch, sich in Momenten des aufkommenden Entsetzens, wenn man wahlweise an der eigenen geistigen Gesundheit oder der so manches Produzenten oder Senderverantwortlichen zu zweifeln beginnt, die Grimme-Listen anzuschauen. Vor allem natürlich, wenn die Jury des Deutschen Fernsehpreises mal wieder ihr Gegenmodell vorgestellt und den Kontrast somit gerade besonders deutlich gemacht hat.
Denn während sich der Deutsche Fernsehpreis der Lächerlichkeit preisgegeben hat, hat der Grimme-Preis sein Standing und seine Reputation trotz manchem vermeintlichen Skandal mühelos aufrecht erhalten können. Das bedeutet nicht, dass man in jedem einzelnen Fall mit den Entscheidungen der Grimme-Jury d'accord sein muss. Doch man kann sich sicher sein, dass sie das Ergebnis intellektuell-künstlerischer Überlegungen sind und nicht Ausfluss der Auffassung, ein Format sei schon auszeichnungswürdig, wenn es für ein bestimmtes Publikum maßgeschneidert ist (Anders lassen sich die Nominierungen von «Hubert und Staller» und «Christine – Perfekt war gestern» an Stelle von «Verbrechen» im letzten Jahr ja nicht erklären).
2014 wird die begehrte Statue aus Marl zum 50. Mal verliehen. Anlass genug für die Filmemacher Martin Farkas und Dominik Graf, sich in einer Dokumentation mit seiner Geschichte zu beschäftigen, die ein Spiegel der Geschichte Nordrhein-Westfalens und der Geschichte des deutschen Fernsehens ist, und davon ausgehend auf höchstem intellektuellen Niveau die Funktion, Wirkung und Aufgabe des Mediums zu reflektieren.
Und was für eine Dokumentation das geworden ist. In zahlreichen Interviews mit Referatsleitern des Grimme-Preises, mit Fernsehspielchefs, mit Abteilungsleitern, mit Schauspielern und Produzenten umkreisen sie fast zwei Stunden lang die Themen, die unser Fernsehzeitalter und das unserer Eltern und Großeltern ausmachen. Es entstanden hoch intelligente Gespräche über Trimedialität, Quotendruck, die Versöhnung von Avantgarde und Popularität und die damit verbundenen Konflikte und Reibungen. Kein PR-Sprech, sondern selbstreflexive, teilweise auch selbstkritische Töne sind da zu vernehmen, manchmal gar Worte der Frustration über eine Marktsituation, die den eigenen Interessen und künstlerischen Auffassungen diametral entgegensteht, aber die eben, so scheint es für viele zumindest, bedient werden muss, um überleben zu können.
«Es werde Stadt – 50 Jahre Grimme-Preis in Marl» ist eine Dokumentation, die durch ihre intellektuelle Schärfe, durch die interessanten Gespräche, die treffenden Einordnungen und die kunstvoll geschriebenen Voice-Over in zweierlei Hinsicht zeigt, wie geil Fernsehen ist, wenn es gelingt: sowohl bezüglich des Themas, das sie behandelt, als auch im Hinblick auf ihre eigene künstlerische und journalistische Qualität.
Der WDR zeigt sie am Freitagabend um 23.15 Uhr.