AMCs aktuelle und geplante Serien
- Mad Men (noch eine Staffel, endet im Frühjahr 2015)
- The Walking Dead (gestartet 2010)
- Hell on Wheels (gestartet 2011)
- Turn (gestartet am 6. April 2014)
- Halt and Catch Fire (gestartet im Juni 2014)
- Better Call Saul (startet im November 2014)
«Mad Men» war zwar nicht die erste erfolgreiche, hochqualitative Kabelserie (schon in den Jahren zuvor waren Formate wie «The Shield» oder «Monk» gestartet), aber sie war die erste, die durch ihre Preise und Auszeichnungen ein Signal ausgesendet hat: ein Signal an die gesamte Branche, besseres Fernsehen machen zu können als bisher. Und mit den Pay-TV-Sendern mithalten zu können, auch wenn man sich zum Teil durch Werbung finanziert. «Mad Men» gewann 2008 als erste Kabelserie überhaupt den „Emmy Award for Outstanding Drama Series“ – in den drei Jahren danach strich das Format den Preis ebenfalls ein.
Auch für AMC selbst war «Mad Men» ein Game Changer: Wenige Jahre zuvor hatte der Sender noch für „American Movies Classic“ – abgekürzt AMC – gestanden, für eine Abspielstation alter amerikanischer Filme. Für einen Zapping-Kanal wie jeder andere. Nun aber gewann AMC eine hohe Reputation und wollte sich nicht auf den bisherigen Erfolgen ausruhen: «Breaking Bad» und «The Walking Dead» starteten in den Jahren danach – mit Ideen und Konzepten, die nicht den Erfolg von «Mad Men» als Period Drama nachzueifern versuchten, sondern auf ihre ganz eigene Weise innovativ und originell waren.
Der Mann hinter dem damaligen Erfolg ist Jeremy Elice, 2006 von FX zu AMC gewechselt. Er übersah die Produktion und Besetzung von «Mad Men», er holte Vince Gilligans «Breaking Bad» zum Sender – vorher war das Format bei FX in Entwicklung gewesen. Und er kaufte Frank Darabonts Drehbücher von «The Walking Dead», gab dem Projekt schnell grünes Licht und hatte damit Anteil am Erfolg des Zombie-Dramas.
Im Januar 2011 verließ Elice AMC, andere Top-Manager waren kurz zuvor gegangen (Christina Wayne, Vlad Wolynetz, Rob Sorcher). Es mag nicht nur Zufall sein, dass AMC genau seitdem ohne erfolgreiches, frisches Material dasteht. Die kreative Hochphase des Senders hatte in den fünf Jahren zuvor – also innerhalb kürzester Zeit – drei Serien hervorgebracht, die in Sachen Storytelling, Kritikererfolg und Präsentation nahezu beispiellos sind.
Der kreative Crash
Was kam danach? Mit «The Killing» (Foto) adaptierte man 2011 eine dänische Serienproduktion, stellte Kritiker und Fans vor allem mit den Staffelfinals unzufrieden. Zweimal wurde «The Killing» abgesetzt, die vierte und letzte Staffel wird der Video-on-Demand-Anbieter Netflix zeigen. Ein weiterer Flop war das Krimidrama «Low Winter Sun», das 2013 nach nur einer Staffel abgesetzt wurde. Die Kritiker senkten den Daumen, vor allem aber fehlten die Zuschauer – trotz eines Sendeplatzes nach den immens erfolgreichen letzten Folgen von «Breaking Bad». Die einzige Dramaserie von AMC, die sich nach dem Start von «The Walking Dead» gehalten hat, ist das Westerndrama «Hell on Wheels». Den einstigen Ansprüchen des Kabelsenders wird sie aber kaum gerecht: Mäßige Kritiken, keine Preise, nur passable Zuschauerzahlen in jüngster Zeit. Zuletzt lief «Hell on Wheels» am Samstagabend, auf einem Sendeplatz also, wo fast niemand in den USA den Fernseher einschaltet und wo man erst recht keine Fans gewinnen kann.
Am Sonntag nun startet die zweiteilige letzte Staffel von «Mad Men» bei AMC, sie endet im Frühjahr 2015. Nach dem furiosen Ende von «Breaking Bad» (Foto) im vergangenen Jahr hat der Sender dann zwei seiner drei Vorzeige-Formate verabschiedet. Zwar überstrahlt der wahnsinnige Erfolg von «The Walking Dead» noch alles – aber hinter dessen Schatten ist keine Serie zu sehen, die den Platz der Zombies, von Walter White oder von Don Draper auch nur ansatzweise einnehmen könnte. Es ist das «Sopranos»-Syndrom, das AMC derzeit befällt: Eine Hit-Serie wird bald das Gesicht des Senders nahezu im Alleingang prägen, doch reicht dies auf lange Sicht?
Der kreative Crash des Senders ist nur allzu offensichtlich, und er bahnte sich seit Jahren an. Die Wechsel in der Führungsetage gingen einher mit neuen merkwürdigen Entscheidungen. Ab 2010 veranstaltete der Sender öffentlichkeitswirksam sogenannte bake-offs, bei denen Drehbuchautoren in einem Hotel eine Woche lang die Pilot-Konzepte von AMC ausarbeiten sollten. Vielleicht hatten die neuen Verantwortlichen bei AMC zu viele «Mad Men»-Meetings gesehen, das eigenartige Kreativ-Event muss seine Daseinsberechtigung jedenfalls noch beweisen: Bisher ging keine Serie aus einem bake-off hervor. Stattdessen hinterließ man verärgerte Autoren; bekanntere Drehbuchschreiber blieben der Veranstaltung ohnehin fern.
2006, als der kreative Höhenrausch von AMC begann, war die Branche zudem deutlich kleiner als heute: Gute Ideen und Skripte fanden abseits von HBO, FX und teils Showtime kaum Interessenten, weil der Markt einfach nicht vorhanden war. AMC hatte somit leichtes Spiel, sich aus einem großen Angebot zu bedienen – «Mad Men» selbst ist hier bestes Beispiel, hatten HBO und Showtime die Produktion des Projekts doch zuvor abgelehnt. Doch der Erfolg von AMC und «Mad Men» veränderten alles: Gute Drehbücher sind heute gefragter als je zuvor, aus dem Käufer- wird ein Verkäufermarkt. Immer mehr Sender liefern sich einen Wettbewerb um die besten Geschichten. Es ist Ironie des Schicksals, dass AMC diese Entwicklung im Wesentlichen angeschoben hat. Und mittlerweile selbst von der Konkurrenz eingeholt wird: Der Serienhit «House of Cards» landete nur deswegen nicht bei AMC, weil man damals nur einen Piloten bestellen wollte. Netflix ließ gleich eine ganze Staffel produzieren und sicherte sich damit den Polit-Thriller, über den 2013 jeder sprach. Gleichzeitig machte AMC selbst negative Schlagzeilen: Man kürzte das Budget für «The Walking Dead», feuerte dessen Showrunner Frank Darabont und wird mittlerweile von ihm verklagt, weil ihm angeblich Gewinne aus dem Franchise vorenthalten wurden.
Der nächste Versuch: «Turn»
Es ist bezeichnend, dass der Sender gerade jetzt eine neue Serie namens «Turn» startet. Sie spielt zu Zeiten des Amerikanischen Unabhängigkeitskrieges um 1776 und erzählt die Geschichte des ersten US-Spionagerings, des sogenannten Culper Ring. Unter dem Kommando von George Washington gegründet, spionierten dessen Mitglieder die britischen Truppen aus, die jüngst Gebiete von New York für die britische Krone zurückerobert hatten. Die Premierenfolge entfaltet ein komplexes Historiendrama, das vor allem durch authentisch wirkende Dialoge und eine hervorragende Präsentation überzeugt. Leider fühlt sich der Rest ein wenig wie Geschichtsunterricht an: trocken, langatmig, grau. Es fehlt emotionale Unterhaltung; die Charaktere wirken blass und unnahbar – vor allem Hauptfigur Abe Woodhull, der vom Farmer zum Spion und damit vermeintlicher Held von «Turn» wird. Es braucht etwas mehr als die soapige Story um eine verzweifelte Liebe zu einer Verflossenen, um dem Charakter Tiefe zu geben.
Die Kritiken für «Turn» fielen gemischt bis positiv aus, und viele sind sich einig, dass die neue AMC-Serie viel Potenzial besitzt, es im Pilotfilm aber nur ansatzweise zeigt und eher durch Langeweile überzeugt. Tim Goodman vom „Hollywood Reporter“ zieht einen Vergleich zur Buchvorlage, die sich darin vertiefe, wie beim Culper Ring alles begann. „Basierend auf diesem Buch, müsste «Turn» eine Menge aufregender sein als es jetzt ist. Es kommt vielleicht noch dahin – aber viele Serien, die nicht «Mad Men», «Breaking Bad» oder «The Walking Dead» heißen, sind niemals angekommen. Und dies ist ein fortlaufendes Problem.“
Vor einem Jahr hat AMC still und heimlich sein Motto geändert: „Story Matters Here“ wurde zu „Something More“. Bezeichnender kann man den derzeitigen Wandel des Senders nicht ausdrücken.