Das sagen US-Kritiker zu «Fargo»
- Hollywood Reporter: "Angesichts der Stolperfallen, die möglich waren, ist «Fargo» eine extrem beeindruckendes Konzept mit überraschender Schlagkraft dank Drehbuchautor Noah Hawley und einem superben Cast."
- New York Times: "Wie der Film ist die Serie eigentümlich, mit einem ungleichen Rhythmus und viel schwarzem Humor – und sie ist ein skurriler Gewinner."
- Washington Post: "Das Schöne an «Fargo» ist, seine freimütigen Charaktere von oben zu beobachten, wissend, wer für was verantwortlich ist. Und zu kichern, wenn sich die schlimmsten von ihnen ihr eigenes Grab tiefer und tiefer schaufeln."
Eine allzu gewöhnliche und ruhige Story, die auf wahren Ereignissen basiert, hat sich den Zuschauern im Jahr 1996 offenbart. Eine Story, die wenige Höhepunkte und schon gar keinen Showdown besitzt, eine Story, die die Umstände und ihre Menschen stilisiert.
Dass die neue TV-Serie «Fargo», vor einigen Tagen beim amerikanischen Sender FX («American Horror Story», «Louie») angelaufen, den gleichen Titel trägt wie der Film, ist gerechtfertigt. Drehbuchautor Noah Hawley hält sich in vielen Dingen an die Vorlage. Allein die Eröffnungssequenz, die von Ereignissen „nach einer wahren Geschichte“ erzählen, weckt Erinnerungen: Wieder ist es ein einsames Auto, das durch die gottverlassene Schneewüste fährt, anders als im Film bei Nacht statt bei Tag. Wieder gibt es eine Schwangere, diesmal ist sie nicht die Polizistin selbst, sondern die Ehefrau des Polizisten. Wieder geht es um Rache und Naivität, wieder gibt es Auftragskiller, wieder entfaltet sich ein Panorama schneeweißer Stille, das wunderbare Bilder auf den Bildschirm zaubert.
Diesmal spielt die Geschichte im Jahr 2006 in Minnesota, und Autoverkäufer Jerry Lundegaard aus dem Film entspricht Lester Nygaard in der Serie, einem Versicherungsvertreter, der wie Lundegaard die Büchse der Pandora öffnet: Nach einer unschönen Begegnung mit seinem ehemaligen High-School-Rivalen Sam Hess muss Lester wieder einmal einsehen, zu den Losern dieser Welt zu gehören. Die Erinnerungen der Demütigung kehren zurück, und mit ihnen der Hass. Wie durch Zufall ergibt sich für Lester die Möglichkeit, seinen Rivalen ein für allemal aus der Welt zu schaffen – dank Auftragsmörder Lorne Malvo, der Spaß am Töten zu haben scheint und Lester dazu drängt, endlich mal ein Mann zu sein und Sam Hess zu beseitigen. Wie im Original-«Fargo» ahnt der naive wie gutgläubige Geschäftsmann nicht, was nun auf ihn zukommt: Es bleibt nicht bei einem Mord, es gibt zahlreiche Kollateralschäden. Plötzlich befindet sich Lester Nygaard in einer Situation, aus der es kein Zurück gibt – und in der bald alles noch viel blutiger kommen soll.
Die TV-Serie «Fargo» besinnt sich in fast allen Bereichen auf den Film, ist in Sachen Story aber dennoch eigenständig genug, um nicht als Abklatsch zu gelten. Ein langsames Erzähltempo und eine ruhige Kamera, viele Landschaftsaufnahmen, zahlreiche nebensächliche Szenen, in denen die Figuren die Alltäglichkeit des Milieus porträtieren, erinnern an den Stil der Coen-Brüder. Ebenso der fast minimalistische wie stakkatohafte Soundtrack. Die Serie ist etwas schwärzer im subtilen Humor als das Original; dies liegt vor allem am Charakter Lester Nygaard. Gespielt wird er von Martin Freeman («Sherlock»), der seine Rolle etwas komischer und tollpatschiger auslegt als seinerzeit William H. Macy.
Selbst konfuse Philosophie-Ergüsse a la «True Detective» schwingen in «Fargo» mit, dank Auftragskiller Lorne Malvo (Billy Bob Thornton; Foto) mit seiner ganz eigenen Sicht auf die Welt. Er ist der stärkste Charakter des Formats, weil er gleichzeitig der einzig geheimnisvolle ist. Malvo scheint die Personifizierung der kalten, bedrückenden Region, in der er das Morden beginnt. Vermeintlich ohne Motiv – und damit anders als die beiden Gangster der Kinovorlage, die ihre Aufträge des Geldes wegen erfüllen. Billy Bob Thornton ist diese Rolle auf den Leib geschrieben.
Die Story entfaltet sich zudem anders als im Film langsam zu einem etwas größer angelegten Theaterstück: Malvo gehört scheinbar zu einem größeren Ring von Auftragsmördern, und Sam Hass – sein erstes Opfer in der Serie – war der Boss einer kriminellen Organisation, die sich nun auf die Suche nach seinem Mörder macht. Die überlange «Fargo»-Pilotfolge kann durchaus für sich allein stehen und als zweiter Film des „Fargo“-Zyklus gelten. Erst ab Folge zwei, in der die Story weitergeführt und ausgeweitet wird, entwickelt sie den Charakter einer TV-Serie.
«Fargo» ist kein «True Detective» im Schnee, weil es weniger eine Charakter-, mehr eine Milieustudie ist. Als Zuschauer wissen wir von Anfang an, wer die Mörder und wer die Opfer sind. «Fargo» ist ein ungewöhnlicher Genremix aus schwarzer Komödie, Psycho-Thriller, Drama und Krimi. Und es ist angesichts seiner beklemmenden Schneeweiß-Atmosphäre und skurrilen Stimmung kaum zu vergleichen mit anderen Formaten – außer mit dem Film der Coen-Brüder. Vielleicht ist dies die größte Erkenntnis des wirklich gelungenen «Fargo»: Es ist ein meisterlicher Begleiter eines Kultfilms. Und damit vielleicht Vorreiter für einen neuen Trend in einem vor riesigem Angebot strotzenden Seriengeschäft, dem langsam die eigenen Ideen auszugehen scheinen.