Die Kritiker

«Bates Motel»

von

«Bates Motel» erzählt mit viel Suspense und starken zentralen Darstellern den Werdegang des «Psycho»-Killers.

Cast und Crew

Vor der Kamera:

Vera Farmiga («Up in the Air») als Norma Louise Bates, Freddie Highmore («Wenn Träume fliegen lernen») als Norman Bates, Max Thieriot («My Soul to Rake») als Dylan Massett, Olivia Cooke («Blackout») als Emma Decody, Nicola Peltz («Die Legende von Aang») als Bradley Martin, Nestor Carbonell («Lost») als Sheriff Alex Romero, Keegan Connor Tracy («Final Destination 2») als Miss Watson, Mike Vogel («Under the Dome») als Deputy Zach Shelby


Hinter der Kamera

Idee: Carlton Cuse, Kerry Ehrin und Anthony Cipriano; basierend auf den Figuren aus Robert Blochs Roman «Psycho», Ausführende Produzenten: Mark Wolper, Roy Lee, John Middleton Jr., Kerry Ehrin und Carlton Cuse, Kamera: Thomas Yatsko, Regie: Tucker Gates (Episoden 1, 2, 9 und 10) und andere, Musik: Chris Bacon
Thrillerserien mit Horror-Elementen sind derzeit groß im Kommen in der Fernsehlandschaft. Neben der jede Staffel eine andere Handlung erzählenden «American Horror Story» gibt es in der aktuellen TV-Welt unter anderem zwei recht einträglich laufende Neuinterpretationen berühmter, fiktionaler Serienmörder zu bestaunen: In «Hannibal» hilft der kannibalistische Hannibal Lecter dem FBI, Verbrecher zu jagen, derweil erzählt «Bates Motel» von den Jugendjahren des schaurigen Motel-Besitzers und Killers Norman Bates. Obwohl die Produktion des «Lost»-Autoren einen gewissen Retro-Charme ausstrahlt, der sich vor allem in der an Hitchcocks «Psycho» orientierenden Gestaltung des Bates-Hauses sowie des altmodischen Motels wiederspiegelt, ist diese Serie jedoch kein Prequel des einflussreichen Hitchock-Klassikers.

Stattdessen verlegten die Serienschöpfer Kerry Ehrin, Carlton Cuse & Anthony Cipriano die Handlung ihres in den USA auf dem Kabelkanal A&E laufenden Formats ins 21. Jahrhundert. Anders als etwa die BBC-Serie «Sherlock», die stilistisch und inhaltlich enorm von diesem Setting beeinflusst wird und nahezu durchgehend auf heutige Technologien verweist, geht «Bates Motel» bei seiner Modernisierung des Stoffs behutsamer vor: Auf dem Motel-Werbeschild weißt ein kleiner Schriftzug auf das Gratisinternet hin, Familie Bates hört aktuelle Chartmusik sowie ausgewählte Klassiker und der schüchterne Außenseiter Norman Bates versichert seiner Mutter, dass er ewig für sie da sein wird, indem er ein Filmzitat anbringt.

Böse Zungen werden behaupten, dass «Bates Motel» nur aus Kostengründen im Heute spielt, weil durch die Ansiedlung in der Gegenwart Retrokostüme gespart werden können und zudem ohne größere Umbauten Dreharbeiten in modernen Kleinstädten möglich sind. Jedoch sind die behutsamen Aktualisierungen bereits in den ersten Episoden, so unaufdringlich sie auch sein mögen, vielversprechend: So legen Anspielungen auf bestimmte Serienkiller, die anderweitig nicht möglich wären, Fährten, welchen Weg die Serie noch gehen wird, und die zeitgemäße Musikuntermalung lässt die bekannten Figuren in neuem Licht dastehen.

Es ist zudem ein Versuch, sich aus dem Schatten der übermächtigen Hitchcock-Regiearbeit zu bewegen. Ein weiser Entschluss, würde ein 50er/60er-Setting nur Vergleiche nahelegen, bei denen die Serie kaum obsiegen könnte. Was die Serie aus dem bisherigen «Psycho»-Mythos beibehält, sind das bereits erwähnte Bates Anwesen und die enge Mutter-Sohn-Beziehung zwischen Norma und Norman Bates. Sowie selbstredend das stets über Norman und seiner Mutter schwebende Damoklesschwert: Diese Geschichte wird eines Tages eine drastische, düstere Wende nehmen und Normas Leben kosten, während Norman als psychopathischer Mörder zurückbleibt.

Auch wenn das Ziel, das «Bates Motel» ansteuert, bekannt ist: Wie sich die Serie dorthin bewegt, bleibt unklar. In den ersten Episoden deuten die Autoren mehrfach klischeehafte Elemente aus Serienkillerdramen an, bloß um sie dann doch nicht zu verwenden: Der unauffällige, sehr an seiner Mutter hängende, uncoole Teenager Norman kommt in eine neue Stadt, begegnet erstmals seinen neuen Mitschülern – doch statt ihn aus fadenscheinigen Gründen zu hänseln, sind sie freundlich und respektvoll zu Norman. Eines der Mädels flirtet sogar mit ihm. Und es bleibt nicht allein dabei: Norman lernt in der Schule eine schwer erkrankte Gleichaltrige kennen, die sich ebenfalls für ihn interessiert, weil er sie so zuvorkommend behandelt. Der Anfang eines giftigen Liebesdreiecks? Nein, hier schalten die Autoren nach der Antäuschung einer Eskalation ebenfalls einen Gang zurück.

Auch die Beziehung zwischen Norman und seiner Mutter ist, zumindest in den ersten Folgen, zwar ungewöhnlich, aber noch nicht gestört: Nach dem Tod von Normans Vater hält Norma die Zügel fest in der Hand, dennoch verbietet sie ihm kein Leben abseits von ihr. Dass die einsame Mutter, die sich mit großem Tatendrang ein neues Berufsleben aufbauen will und dabei Hilfe von ihrem Sohn braucht, ist ebenso normal, wie der Umstand, dass Norman als Stubenhocker halt mehr Zeit mit seiner Mutter verbringt, als seine regelmäßig ausgehenden Mitschüler mit ihren Eltern. Was die Umarmungen und liebevollen Gespräche unbequem macht, ist vornehmlich das Wissen des Zuschauers, dass sich eine gefährliche Dynamik entwickeln wird. Und damit spielen die Serienmacher, lassen Norma und Norman nach einem Angriff auf das Motel sehr lange in den Armen liegen – so lange, bis es dem Zuschauer unangenehm wird.

«Bates Motel» versucht auf inhaltlicher Seite also redlich, das unvermeidliche Spannungsdefizit einer Serie mit gegebenem Ausgang auszugleichen, indem der Part zwischen Anfang und Ende möglichst im Unklaren gelassen wird. Während diese Gratwanderung zumeist gelingt und nur gelegentlich fast schon enervierend lang auf die Zukunft der Familie Bates hingedeutet wird, wissen die Darbietungen der zwei wichtigsten «Bates Motel»-Ensemblemitglieder durchgehend zu fesseln: Die Oscar-nominierte Vera Farmiga verleiht Norma eine komplexe Persönlichkeit, die sich zu gleichen Teilen aus einer emotionalen Verletzlichkeit und einem selbstbewussten, kampfbereiten Auftreten zusammensetzt. Mit mütterlicher Ausstrahlung in ihrem Verhalten und einem attraktiven Äußeren gießt Farmiga Öl ins Feuer, macht den Zuschauer subtil auf die Dualität ihrer Rolle aufmerksam. Freddie Highmore indes gibt völlig klischeefrei einen ruhigen Außenseiter, der sich in sozialen Interaktionen tapsig verhält, gleichwohl nicht völlig unfähig ist, mit Gleichaltrigen umzugehen. Normans Beziehung zu seiner Mutter legt Highmore hauptsächlich unschuldig-naiv an – umso aufreibender sind die raren Momente, in denen seine Stimme knackst oder sein Blick zu eiskalt gerät. Highmore macht klar, dass dieser Charakter nicht stabil ist und eine Kette von schlimmen Ereignissen ihn boshaft verändern könnte.

So nachwirkend diese beiden zentralen, gut geschrieben Figuren sind, so durchwachsen gerieten den Serienmachern die weiteren erwachsenen Rollen: Nahezu jeder Anwohner von White Pine Bay hat so seine Leichen im Keller, bereits in der ersten Episode wird Norma Opfer eines Vergewaltigungsversuchs und da die Polizei wirkt nicht sehr vertrauenerweckend wirkt, fällt für sie und Norman der Gang zu den Justizwächtern als Option flach. Gewiss: Die versuchte Vergewaltigung inszeniert Regisseur Tucker Gates mit viel Suspense und wohl gewählten Gewaltspitzen – die Hinleitung zu diesem beeindruckenden Moment und das Motiv des Täters sind allerdings nur müde Schatten der viel durchdachteren Sequenzen, in denen Norma und Norman im Fokus stehen. Nur wenige der Klein- und Großverbrecher in dieser Serie sind wirklich rund charakterisiert. White Pine Bay als Norma und Norman als seelisch zerstörender Sündenpfuhl? Das steht in dieser Simplizität im Kontrast zu den zahlreichen Stärken der Serie.

Dessen ungeachtet: «Bates Motel» ist ein überzeugendes, düsteres Charakterdrama mit einer packenden Atmosphäre und furios gespielten Hauptcharakteren. Genrefreunde, die trotz der Thriller-Erzählweise keine zu ausschweifenden Horror-Aspekte erwarten und über die flache Skizzierung der Einwohner von White Pine Bay hinwegsehen können, kommen bei diesem Projekt daher zweifelsfrei auf ihre Kosten.

«Bates Motel» ist bei VOX ab dem 5. Mai immer montags ab 22 Uhr in Doppelfolgen zu sehen.

Kurz-URL: qmde.de/70494
Teile ich auf...
Kontakt
vorheriger Artikel«Josephine Klick»: Die Serie mit dem „Nummer-Sicher-Faktor“nächster Artikel«Grey's Anatomy»: Vier weitere Stars verlängern Verträge
Weitere Neuigkeiten

Optionen

Drucken Merken Leserbrief



Heute für Sie im Dienst: Fabian Riedner Veit-Luca Roth

E-Mail:

Quotenletter   Mo-Fr, 10 Uhr

Abendausgabe   Mo-Fr, 16 Uhr

Datenschutz-Info

Letzte Meldungen

Werbung

Mehr aus diesem Ressort


Jobs » Vollzeit, Teilzeit, Praktika


Surftipp


Surftipps


Werbung