Hingeschaut

«Hell's Kitchen»: Gute Entwicklung nach schleppendem Start

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Die Sat.1-Interpretation des internationalen Kochshow-Hits leidet zum Auftakt stark unter ihrer Sendezeit. Nach einer äußerst behäbigen Vorstellungsrunde steigert man sich jedoch schrittweise.

Im englischsprachigen Raum ist «Hell's Kitchen» bereits seit Jahren ein fester Bestandteil der Fernsehunterhaltung. Während das Format in seinem Heimatland Großbritannien jedoch bereits seit 2009 abgesetzt ist, feiert es in den Vereinigten Staaten auch nach inzwischen schon zwölf Staffeln noch immer Publikumserfolge. Hierzulande blieb es hingegen bei einem eher halbherzigen Versuch von RTL, das Konzept unter dem Titel «Teufels Küche» zu etablieren, doch nachdem Christian Rach als deutscher Gordon Ramsay im Jahr 2005 beim Publikum nicht wirklich gut ankam, gab man nach nur einer Staffel bereits auf. Ein Jahrzehnt später versucht sich nun Sat.1 ein weiteres Mal, diesmal mit dem Sternekoch Frank Rosin - und tut sich bei der Präsentation der ersten Folge zunächst äußerst schwer. Erst nachdem der Fokus endlich auf dem Kochen liegt, gewinnt die Show deutlich.

Und darum geht's: Elf prominente Lehrlinge ziehen in "Hell's Kitchen" ein, um unter der strengen Aufsicht von Profi-Koch Frank Rosin innerhalb kurzer Zeit ein schmackhaftes mehrgängiges Menü für 60 Gäste auf den Teller zu zaubern. Wer nicht spurtet und laut Rosin die schwächste Leistung abgeliefert hat, muss die Küche und damit auch die Sendung verlassen. Zusätzlich gibt es täglich Challenges, die für den Gewinner Immunität vor dem jeweils nächsten Rauswurf bedeuten.

Doch vor dem Kochakt lassen sich die Macher erst einmal Zeit, Koch und Kandidaten vorzustellen. Sehr, sehr viel Zeit sogar. Gut, das mag bei "Prominenten" wie Katharina Kuhlmann, Kasia Lenhard oder dem ewig daherschnatternden «TV total»-Rentnerpaar Ingrid und Klaus auch mitunter nötig sein, doch lässt dieser Akt fast eine Dreiviertelstunde verstreichen, in der quasi überhaupt nichts geschieht. Einzig Niels Ruf gelingt es mitunter, im Speisesaal, in den die Promis nach und nach gelotst werden, für eine Prise Witz und Unterhaltung zu sorgen. Ansonsten ist der Ablauf hier überaus behäbig und starr: Der Kandidat fährt vor, ein üppig ausgefallener Vorstellungsclip wird abgespult, Rosin tut kund, wie er die Person abzufertigen gedenkt, die daraufhin den Gemeinschaftssaal betritt und... erst einmal schlicht vorhanden ist.

Konträr zu diesem inhaltlichen Nichts verläuft die optische und musikalische Darstellung, die so überdramatisiert daherkommt, dass der Konsum nicht nur schwer fällt, sondern das Gesehene auch einfach lächerlich wirkt. Rosin bekommt mehr als nur latente Züge eines Koch-Despoten auferlegt, was beim Zuschauer immer mehr die Frage aufwirft, mit welcher Motivation die Promis überhaupt versuchen sollten, möglichst gute Leistungen abzuliefern, um einem Rauswurf zu entgehen. Die gewohnten Motive Geltungssucht und finanzieller Wohlstand sind bereits durch die Teilnahme erfüllt und der Komfort des Hauses, in dem sie für einen Stuhlgang erst einmal den Weg zum Garten auf sich nehmen müssen, lässt eher zu wünschen übrig. Vielleicht wollen sie ja auch wirklich einfach nur kochen lernen. Glauben wir das doch einfach einmal.

Nach einer umfassenden Inspizierung der diversen Räumlichkeiten und einigen recht peinlichen Momenten, die stilistisch ein wenig an «Promi Big Brother» erinnern, kommt es nach knapp einer Stunde zur Sensation: Rosin marschiert in die Küche ein und stimmt seine Truppe mit markigen Worten und pathetischer Rhetorik auf die bevorstehenden Aufgaben ein. Und tatsächlich nimmt die Sendung hier allmählich doch einmal Fahrt auf, wenngleich die erste große Challenge (die Untergebenen dürfen ihrer Führungskraft eine Frikadelle braten) eher den Thrill eines Kaffeekränzchens bei Oma Elisabeth birgt. Rosins Anweisungen und Beurteilungen kommen authentisch und kompetent daher, sein sehr offener Umgangston hat hier nicht mehr nur den Charme eines größenwahnsinnigen Küchen-Diktators und die Promis wirken - weshalb auch immer - tatsächlich engagiert.

Nachdem beinahe jeder seinen Einlauf für die nicht vorhandenen Bulettenbratkünste bekommen und Lady Bitch Ray dank ihrer sehr "echten" Frikadelle den Sieg in der ersten Challenge errungen hat, geht es in der letzten Stunde endlich ans Eingemachte: Das Abendessen für die 60 prominenten Gäste muss zubereitet werden. Nachdem dieser Prozess zunächst angemessen inszeniert ist und sich tatsächlich unter den "Lehrlingen" eine interessante Eigendynamik entwickelt, hält es Rosin nach einiger Zeit doch wieder für unerlässlich, das Team mit seiner Anwesenheit zu beglücken. Konkrete Ratschläge hat er kaum zur Hand, doch immerhin versteht er es, Hektik und Dramatik zu schaffen. Für den Fernsehzuschauer ist das irgendwo unterhaltsam, den Promis hingegen wünscht man hier manchmal schon, die Tortur könnte endlich ein Ende nehmen.

Nimmt es dann irgendwann auch, nachdem Rosin nach einiger Zeit die kulinarischen Unzulänglichkeiten nicht mehr ertragen möchte - und weiterhin nicht einsieht, selbst einmal Hand anzulegen. In einem arg selbstinszenatorischen Akt stellt er sich in den gut gefüllten Speisesaal und verkündet vor den Gästen, der Abend sei trotz aller Bemühungen seinerseits gescheitert und werde vorzeitig abgebrochen. Ein letztes Mal trommelt er seine eingeschüchterten Promi-Praktikanten zusammen und bemüht für den finalen Appell nicht nur die Ausstrahlung und Rhetorik großer Feldherren der jüngeren Zeitgeschichte, sondern mischt noch ein wenig Martin Luther King drunter, um seine Mixtur aus Wut und Enttäuschung auch adäquat zum Ausdruck zu bringen. Er hatte einen Traum - doch dieser wurde nicht erfüllt. Tragisch. Da allerdings immerhin alle gleich mies waren, darf nach dem ersten Tag noch keiner gehen. Sehr tragisch.

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Insgesamt ist «Hell's Kitchen» stets darum bemüht, mit großen inszenatorischen Mitteln Spannung zu schaffen und einen Profi-Koch in den Fokus zu rücken, der einen nahezu diabolischen Umgang mit seinen prominenten Lehrkräften pflegt. Die Umsetzung jedoch funktioniert nur in der deutlich aktionsreicheren zweiten Hälfte der Show, während sie in ruhigeren und spannungsärmeren Momenten nahezu lächerlich wirkt. Ob es eines despotischen Kochs bedarf, der viel mieszureden hat, gleichzeitig aber nur wenig konkrete Verbesserungsvorschläge anbring, ist gewiss diskutabel. Den Unterhaltungsfaktor der Sendung steigert dieser Schritt, weshalb Sat.1 hiervon gewiss nicht ablassen wird. Die Auftaktfolge nach unten zieht letztlich vor allem die zu stark aufgeblasene Vorstellungsrunde zu Beginn, weshalb man als Zuschauer optimistisch sein kann, in den kommenden fünf Wochen weniger Leerlauf ertragen zu müssen.

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