Über die Jahrzehnte hinweg lassen sich nicht nur technologische und gesellschaftliche Veränderungen beobachten. Mit der Zeit kommen natürlich auch filmische Trends. Sowie: Verschiebungen in der Titelgebung cineastischer Werke. 1970 etwa brachte Regisseur Peter Weck die Komödie «Nachbarn sind zum Ärgern da» in die Kinos und lockte somit rund zwei Millionen Menschen an. Nunmehr treiben sich Seth Rogen und Zac Efron als streitsüchtige Nachbarn in den Wahnsinn, doch die am 8. Mai gestartete Komödie bedient sich eines hippen (?), zwei Wörter umfassenden englischen Titels: «Bad Neighbors».
Nun, dies soll aber keine Klageschrift gegen englische Filmtitel im deutschsprachigen Raum sein. Sondern schlichtweg ein Denkanstoß. Ein Denkanstoß über die kulturellen Mechanismen hinter Filmtiteln. Da Titel nämlich auch ein Stück weit ein Marketingelement sind, sagen sie nicht nur etwas über den Film aus, sondern auch über den Markt, in dem ein Kinofilm herauskommt. «Bad Neighbors» könnte in Deutschland, rein inhaltlich betrachtet, genauso gut «Nachbarn sind zum Ärgern da» heißen, aber als wilde Komödie mit bei der Jugend beliebten Hauptdarstellern „muss“ der Film auf Englisch über seinen Inhalt referieren. Weil die deutsche Sprache nicht als „cool“ genug erachtet wird. Siehe auch: «Fack ju Göthe!», der zwar auch als Verballhornung schlechter Sprachkenntnisse durchgeht, genauso gut aber auch «Heine, du Huränsohn!» hätte heißen können.
Während «Bad Neighbors» (der in den USA übrigens als «Neighbors» anlief) frisch in die Kinos kam, sortieren immer mehr Kinos derzeit einen anderen Film aus, der in Deutschland mit einem in den USA nicht verwendeten englischen Titel vom Stapel lief: «The Return of the First Avenger». Dies ist ein Paradebeispiel für einen Filmtitel, der mehr über den hiesigen Kinomarkt aussagt als über den eigentlichen Filminhalt. Captain America, die verklausuliert als „First Avenger“ erwähnte Hauptfigur des Films, kehrt schließlich nicht zurück. Das geschah bereits in «The Avengers». In diesem Film hingegen führt Captain America seinen Einsatz für das Recht konsequent fort und bekämpft unter anderem den ominösen Winter Soldier. Nicht ohne Grund heißt diese Marvel-Produktion in den USA «Captain America: The Winter Soldier» (auch wenn «Captain America and The Winter Soldier» noch sinniger wäre).
Jedoch zählte Deutschland zu den schwächsten Märkten des ersten «Captain America»-Teils, zum Teil deshalb, weil der Titel und die Hauptfigur einige Gelegenheitszuschauer abschreckten. Um klar zu machen, dass in einem Film über Captain America kein US-Hurrapatriotismus zu erwarten steht, wurde daher das Sequel mit dem umständlichen Titel «The Return of the First Avenger» bedacht, das wärmere Assoziationen mit dem Kassenschlager «The Avengers» weckt.
Eine der letzten richtig starken deutschen Titeleigenkreationen in dieser Ära der englischsprachigen Alternativtitel und 1:1 Titelübernahmen war «Fluch der Karibik», und eben diese Umbenennung wurde bei den Fortsetzungen bekanntlich rückgängig gemacht, um auch in Deutschland den internationalen Franchisetitel durchzusetzen. Das Studio argumentierte unter anderem, dass spätere Fortsetzungen möglicherweise nicht mehr von einem Fluch handeln könnten, und der Titel somit inkorrekt wäre (nicht, dass das jemals jemanden bei «Halloween» oder «Freitag, der 13.» interessierte), manche Filmfans fragen derweit rückblickend, wieso aus «Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl» in Deutschland die Verkürzung «Fluch der Karibik» werden musste. Denn eine direkte Übersetzung oder Übernahme des US-Titels hätte das deutsche Namenswirrwarr bei den Fortsetzungen verhindern können.
Doch während «Pirates of the Caribbean» in den USA aufgrund der populären, gleichnamigen Disney-Attraktion (und der Vorlage des ersten Films) ein fester Begriff ist und somit klare Konnotationen hat, klingt «Piraten der Karibik» in Deutschland viel zu generisch. „Joah, Piraten aus der Karibik halt. Im Gegensatz zu den Mittelmeer-Piraten, offenbar.“ Das zieht Zuschauer nicht gerade magisch an. «Fluch der Karibik» hingegen ist nicht generisch, klingt stattdessen exotisch und ungewöhnlich – und ist obendrein griffiger als der US-Titel. Nicht umsonst prägte sich dieser Titel beim hiesigen Publikum so sehr ein, dass gemeinhin selbst nach drei «Pirates of the Caribbean»-Fortsetzungen beim normalen deutschen Filmfreund von der «Fluch der Karibik»-Reihe die Rede ist.
Eine weitere einfallsreiche deutsche Titelgebung, noch dazu bei einer Filmreihe, gibt es hierzulande dafür bei den «Planet der Affen»-Prequels respektive -Reboots zu beobachten. Wurde für den deutschen Markt aus dem umständlich formulierten, sprachlich uneleganten «Rise of the Planet of the Apes» (mit der doppelten „of the“-Dosis) der clevere Wortwitz «Planet der Affen – Prevolution», führt dieses Jahr der nächste Teil diesen Einfall fort: «Dawn of the Planet of the Apes» wird zu «Planet der Affen – Revolution», und zumindest ich würde dem Verleih gratulieren, wenn er den dritten neuen «Planet der Affen»-Film 2016 als «Planet der Affen – Evolution» herausbringt. Was die galant-kreativen Titel der neuen «Planet der Affen»-Saga über den deutschen Kinomarkt sagen? Nun, zugegebenermaßen bin selbst ich an diesem Punkt mit meinem Latein am Ende. Vielleicht hat aber einer der Leser dieser Kolumne einen Erklärungsansatz? Über Post würde ich mich freuen!