Die Kino-Kritiker

«X-Men: Zukunft ist Vergangenheit»

von

Gelingt Regisseur Bryan Singer das ehrgeizige Vorhaben, zwei «X-Men»-Reihen mittels Zeitreisen miteinander zu verknüpfen?

Film-Facts «X-Men: Zukunft ist Vergangenheit»

  • Kinostart: 22. Mai 2014
  • Genre: Action
  • Laufzeit: 132 Min.
  • FSK: 12
  • Regie: Bryan Singer
  • Drehbuch: Simon Kinberg
  • Darsteller: Hugh Jackman, James McAvoy, Michael Fassbender, Jennifer Lawrence, Patrick Stewart, Ian McKellen
  • OT: X-Men: Days of Future Past (USA 2014)
Nach «X-Men: Der letzte Widerstand», dem dritten Teil der Verfilmungen von Marvels beliebten Mutanten-Comics, stand es lange Zeit in den Sternen, ob die bestehende Trilogie noch weiter fortgeführt wird. Mit dem qualitativ missglückten Spin-Off «X-Men Origins: Wolverine» versuchte man sich zumindest zunächst an einem anderen Weg, auf dem sich noch stärker einem der beliebtesten Mutanten gewidmet wurde. Spätestens aber als mit Matthew Vaughns «X-Men: Erste Entscheidung» ein weiteres Prequel zur ursprünglichen Trilogie realisiert wurde, schien ein vielversprechender Ansatz gefunden worden zu sein, von dem aus eine neue Reihe gestartet werden könnte. Den verdienten positiven Zuspruch im Rücken nutzten die Macher hinter dem Franchise nun allerdings, um sich schließlich doch noch einmal den Anfängen der Comic-Filme zuzuwenden.

Während bereits «Wolverine: Weg des Kriegers» nach den Geschehnissen von «Der letzte Widerstand» angesiedelt war (sich ansonsten aber fast ausschließlich auf seine Titelfigur beschränkte), gibt es in «X-Men: Zukunft ist Vergangenheit» ein etwas ausgiebigeres Wiedersehen mit einem Großteil des Ensembles aus «X-Men 1-3». Der neueste Ableger der Comic-Blockbuster ist sowohl eine direkte Fortsetzung zu «X-Men 3» aus dem Jahr 2006 als auch zu «X-Men: Erste Entscheidung» von 2011. Bryan Singer («Die üblichen Verdächtigen»), der über zehn Jahre nach «X-Men 2» nun wieder das Regieruder übernommen hat, und sein Autor Simon Kinberg («Sherlock Holmes») haben sich mit der ambitionierten Verknüpfung zweier verschiedener Zeitebenen und Mutanten-Besetzungen viel vorgenommen. Doch was leicht hätte scheitern können, meistern die beiden Filmemacher dank einer ausgewogenen Erzählweise und hervorragender Schauspieler absolut bravourös.

Als inhaltlicher Ausgangspunkt von «X-Men: Zukunft ist Vergangenheit» dient eine konsequent und radikal zugespitzte Weiterführung der schon in «X-Men 1-3» allgegenwärtigen Furcht der Gesellschaft vor Mutanten und den daraus resultierenden Bestrebungen, dem Treiben der außergewöhnlich begabten Menschen ein Ende zu bereiten. Die Handlung setzt in einer nicht allzu fernen dunklen Zukunft an, in der der Kampf der Mutanten um Toleranz und Anerkennung längst verloren ist. Die meisten von ihnen wurden ebenso wie die Menschen, die ihnen zur Seite standen, getötet oder in Gefangenenlager gesperrt. Die Überlebenden befinden sich auf der Flucht und leben in ständiger Angst vor Angriffen durch die Sentinels, hochentwickelte Killermaschinen, die nahezu unbesiegbar sind. In diesen schwierigen Zeiten haben sich sogar die Erzfeinde Professor Charles Xavier (Patrick Stewart) und Magneto (Ian McKellen) zusammengerauft, um ihre Überlebenschancen zu steigern. Doch ist es nur eine Frage der Zeit, bis die Sentinels auch sie erwischen.

Daher verfolgen die beiden einen kühnen Plan, für dessen Durchführung sie die junge Kitty Pryde (Ellen Page) aufsuchen. Mithilfe ihrer Fähigkeiten soll Kitty das Bewusstsein von Wolverine (Hugh Jackman) durch die Zeit zurück in seinen jüngeren Körper schicken, damit er Anfang der 1970er Jahre verhindern kann, dass die Gestaltwandlerin Mystique (Jennifer Lawrence) den Wissenschaftler und Sentinel-Schöpfer Bolivar Trask (Peter Dinklage) umbringt, da jene Tat die verstärkte Mutantenverfolgung überhaupt erst in die Wege leitete. Dazu benötigt Wolverine jedoch die Hilfe der jüngeren Ausgaben von Xavier (James McAvoy) und Magneto (Michael Fassbender), die zu jenem Zeitpunkt allerdings gar nicht gut aufeinander zu sprechen sind.

Anfangs ist die ausgelassene Handlungszeitspanne zwischen «X-Men 3» und «X-Men: Zukunft ist Vergangenheit» fast ein wenig bedauerlich, scheint in gewisser Weise ein Film zwischen jenen beiden Franchise-Einträgen zu fehlen, der sicherlich ebenfalls großes Potential gehabt hätte. Nichtsdestotrotz gelingt es Bryan Singer aber auch so, mit nur wenigen Szenen und einem von Beginn an hoch angesetzten Tempo ein bedrückendes Endzeitszenario zu entwerfen, das die allgegenwärtige Bedrohung für die Mutanten und ihre trost- und aussichtslose Situation nachvollziehbar veranschaulicht. Allzu viel Zeit bleibt jedoch nicht für das Wiedersehen mit Patrick Stewart, Ian McKellen, Halle Berry und Co., geht es doch recht früh zurück in die 70er Jahre, womit die junge Mutantengarde definitiv stärker im Fokus des Films steht als ihre älteren Pendants, eine der vielen weisen Entscheidungen, die mit «X-Men: Zukunft ist Vergangenheit» getroffen wurden.

So schön das geglückte Wiedersehen mit den obigen Darstellen ist, kann die Besetzung der Mutanten der Vergangenheit dank der erneut brillierenden Casting-Glücksgriffe James McAvoy, Michael Fassbender und Jennifer Lawrence noch um einiges mehr glänzen. Dabei rückt selbst Hugh Jackmans Wolverine, der als Bindeglied zwischen den zwei Zeitebenen fungiert, im weiteren Verlauf mehr in den Hintergrund, hat er doch mehrere der vorherigen «X-Men»-Filme schon genügend dominiert. Trotz der Konzentration auf die 70er Jahre wird mittels mehrfach eingestreuter kurzer Sequenzen zwischendurch auch hin und wieder auf das düstere Zukunftssetting zurück (oder vielmehr voraus) geschaut, sodass nicht aus den Augen verloren wird, was für die agierenden Figuren auf dem Spiel steht. Dabei haben Singer und Kinberg durchaus einen smarten, wenn auch nicht alle Paradoxa beseitigenden Weg gefunden, mit der Zeitreisethematik auf eine recht schlüssige Art und Weise umzugehen, die mit einer Wettlauf-gegen-die-Zeit-Dynamik die Spannungsschraube noch einmal ein gutes Stück anziehen kann.

Nicht zuletzt aufgrund ihrer inhaltlichen Relevanz sind aber auch die Actionszenen durchweg gelungen, ohne dass der Film auf ein allzu überladenes Over-the-Top-Finale zurückgreift, an dem viele Blockbuster dieser Größenordnung kranken. Trotzdem muss man als Zuschauer nicht auf echte Action-Leckerbissen verzichten. Ein absolutes Highlight entspringt aus der Fähigkeit der Mutantin Blink (Fan Bingbing), zwei miteinander verbundene Portale von einem Punkt im Raum zu einem anderen zu erzeugen. Bryan Singer versteht es, diese besondere Gabe durch an das Videospiel «Portal» erinnernde Spielereien mit der räumlichen Vorstellung virtuos und temporeich umzusetzen. Als weiterer inszenatorischer Höhepunkt bleibt definitiv auch der äußerst gelungene, wenn auch kurze Auftritt des übernatürlich schnellen Teenagers Pietro Maximoff aka Quicksilver (Evan Peters) in Erinnerung (Aaron Taylor-Johnson, der die gleiche Rolle in «The Avengers 2» verkörpern wird, muss sich auf jeden Fall warm anziehen). Insbesondere eine grandios realisierte Sequenz, in der Quicksilvers Fähigkeiten im Angesicht einer aussichtslos scheinenden Situation genüsslich zelebriert werden, verleitet dazu, vor Begeisterung aus dem Kinosessel zu springen und in Jubelstürme auszubrechen.

Fazit: Im Jahr 2000 war Bryan Singers «X-Men» einer der Initiatoren der noch immer andauernden modernen Comicfilm-Welle. «X-Men: Zukunft ist Vergangenheit» beweist nun, dass das Franchise in seinem Umfeld noch längst nicht zum alten Eisen gehört. Der originelle Ansatz der Verknüpfung zweier Zeitlinien und Besetzungen geht voll auf. Singer und sein Drehbuchautor Simon Kinberg beweisen ein gutes Gespür dafür, welchen Figuren sie wieviel Leinwandzeit gewähren, bescheren dabei aber auch einigen der weniger in Erscheinung tretenden Charaktere äußerst prägnante Momente. Die mitreißende, runde Story, großartige Darsteller, tolle Actionszenen und der wohl dosierte Humor inmitten eines sehenswert düsteren Ausgangsszenarios machen «X-Men: Zukunft ist Vergangenheit» schließlich endgültig zu einem der bislang besten Filme der Reihe und das Warten auf die bereits für 2016 angekündigte Fortsetzung «X-Men: Apocalypse» nicht gerade leichter.

«X-Men: Zukunft ist Vergangenheit» ist ab dem 22. Mai in den deutschen Kinos zu sehen.

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