Die Kritiker

«App»: Der erste Second-Screen-Film

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Der Horrorthriller «App» lädt zum Mitmachfernsehen ein und liefert dabei einen interessanten Beitrag zur immer populärer werdenden Second-Screen-Technik. Gelingt das Vorhaben, den Zuschauer aktiv ins Geschehen miteinzubeziehen?

Filmfacts: «App»

  • Genre: Horror/Thriller
  • FSK: 16
  • Laufzeit: 75 Min.
  • Kamera: Ezra Reverda
  • Musik: Herman Witkam
  • Autor: Robert Arthur Jansen
  • Regie: Bobby Boermans
  • Darsteller: Hannah Hoekstra, Isis Cabolet, Robert de Hoog, Alex Hendrickx, Matthijs van de Sande Bakhuyzen
  • OT: App (NL 2013)
Das Prinzip des “Second Screen” steckt hierzulande noch in den Kinderschuhen. TV-Sender versuchen regelmäßig, das Publikum mit eigenen Apps zum aktiven Mitmachfernsehen zu animieren. Doch einen wirklichen Mehrwert bieten solche Angebote (derzeit) noch nicht, sorgen wie im Falle von «Quizduell» sogar regelrecht für Chaos. Mehr noch: Zuschauer, die derartige Angebote nicht nutzen, fühlen sich während einer Sendung sogar gestört, wenn die Hälfte des TV-Bildes User-Kommentaren von App-Nutzern weichen muss.

Der in Deutschland noch weitgehend unbekannte, niederländische Filmemacher Bobby Boermans («Claustrofobia») ging mit seinem Filmexperiment «App» im vergangenen Jahr noch einen Schritt weiter und brachte die Second-Screen-Methode gar in die niederländischen Kinosäle. Mithilfe von App IRIS wird das Publikum zum wesentlichen Bestandteil einer ordentlich inszenierten Mystery-Horrorgeschichte. So ist es gut möglich, dass «App» sich als Wegweiser für eine Technik entpuppt, die dem modernen Filmerlebnis neue Akzente hinzufügt; Hoffentlich trauen sich in Zukunft noch so einige Regisseure, der „Generation Facebook“ mit derlei Spielereien neuen, filmischen Input zu liefern.

Die Psychologie-Studentinnen Anna (Hannah Hoekstra) und Sophie (Isis Cabolet) sind beste Freunde. Gemeinsam teilen sie nicht nur ihre Liebe zum Tauchen, sondern auch eine Wohnung. Im Zuge einer rauschenden Partynacht wacht Anna eines Morgens mit einem heftigen Kater auf und macht die Bekanntschaft mit IRIS, einer App, die sich seit letzter Nacht auf ihrem Smartphone befindet. IRIS ist klug, scheint so ziemlich jede Antwort auf jede erdenkliche Frage zu wissen und erweist sich schon bald als erschreckend neugierig. Es dauert nicht lange und IRIS übernimmt nicht nur die Kontrolle über Annas Handy, sondern auch über ihr Leben. Doch nicht nur sie scheint von der Software verfolgt zu werden; IRIS verbreitet sich in Windeseile und schnell gibt es den ersten Toten…

Die modernen Medien zum Dreh- und Angelpunkt eines Horrorfilms zu machen, ist spätestens seit dem Video-Grusel «Ring» nicht mehr neu. Bereits im mäßig erfolgreichen «Pulse» entpuppte das Internet als tödliche Falle und zuletzt ließ der unterschätzte «Zimmer 205» eine Tote über die Online-Plattform StudiVZ mit der Welt kommunizieren. Im Subgenre Multimedia-Horror eigene Impulse zu setzen, bedarf somit einer enormen Kreativität. Filmemacher Bobby Boerman gelingt dies allein durch die Integration besagter App, die im gleichnamigen Film einen wesentlich höheren Mehrwert besitzt, als man ihr zunächst zutrauen möchte. Nachdem IRIS parallel zum Filmbeginn gestartet wird, orientiert sich die App, die lediglich auf die Mikrophon-Funktion des Smartphones zugreift, an einem für das menschliche Gehör nicht wahrnehmbaren, sehr hohen Ton, um sich an den passenden Stellen durch eine stumme Vibration bemerkbar zu machen und Zusatzinfos zu liefern. Kurze Videoclips zeigen die Handlung aus unterschiedlichen Blickwinkeln, der Zuschauer erhält Einsichten in wichtige SMS-Austausche zwischen den Figuren und aus der Ego-Perspektive geschossene Aufnahmen vermitteln den Eindruck, sich direkt am Set zu befinden.

Per se funktioniert die eigentliche Handlung aus den üblichen Versatzstücken eines Horrorfilms, ohne dabei jedoch auf allzu viel Effekthascherei, geschweige denn Jump-Scares zu setzen. Dadurch ist «App» nicht derart angsteinflößend wie «Ring» und schon gar nicht so comichaft wie «Pulse»; Die Bodenständigkeit in der Inszenierung führt stattdessen dazu, dass sich der Zuschauer schneller als erwartet mit den Geschehnissen auf dem Bildschirm identifiziert. Die nuanciert aufspielenden und dadurch jederzeit glaubhaften Darsteller, allen voran die ebenso süße wie toughe Hannah Hoekstra («Hemel»), unterstreichen diesen Eindruck.

Das ZDF zeigt den niederländischen Mitmach-Thriller am 26. Mai um 22:15 Uhr im Rahmen des ZDF-Montagskinos. Die App IRIS steht im Apple-Appstore, im Android-Market oder auf appfilm.zdf.de zum Download bereit.

Kurz-URL: qmde.de/70859
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