Von welchem Studio spreche ich? Es ist ein recht junges US-Produktionshaus, das bislang durchgehend finanziellen Erfolg feierte. Die Filme dieses Studios kamen beim zahlenden Publikum gut an und erhielten zudem nahezu durchgehend positive Kritiken. Der populäre Erstling des Studios erhielt zwei Fortsetzungen, wobei die zweite von einem anderen Regisseur verantwortet wurde und in den Kinos mehr als eine Milliarde Dollar einspielte. Außerdem ist es Teil des Disney-Konzerns. Ja, ich könnte hier von den Pixar Animation Studios sprechen, aber eigentlich meine ich die Marvel Studios. Beide Studios haben, wie man so sieht, so ihre Gemeinsamkeiten – und aktuell stellt sich die spannende Frage, ob eine weitere Parallele hinzu kommt. Pixar genoss seitens der Fans über viele Jahre und Projekte hinweg großes Vertrauen, welches mit überaus positiven Kritiken einherging. Und dann kam die Produktion, die dem Siegeszug bei den Kritikern einen herben Schlag versetzte und von erwachsenen Pixar-Fans mit verachtenden Blicken gestraft wurde: «Cars 2».
Die Marvel Studios genossen, wie auch Pixar, bislang großes Vertrauen von ihren Anhängern. Was unter anderem dadurch deutlich wird, dass selbst «Guardians of the Galaxy» einen enormen Vorabhype genießt, und dies, obwohl die Vorlage selbst unter Comiclesern nicht den höchsten Bekanntheitsgrad aufweist. Nun jedoch kündigt sich an, dass auch Marvel seine reine Weste verlieren und sein Ansehen bei den Fans nachhaltig beschmutzen könnte. Was für Pixar «Cars 2» war (auf den zwei Liebhaber polarisierende Filme folgten), könnte für Marvel «Ant-Man» werden. Grund dafür: Am späten Abend des 23. Mai sorgte die Meldung, dass Regisseur Edgar Wright den Film wenige Wochen vor Drehbeginn verlassen hat, im Internet für einen Sturm der Entrüstung. Wright arbeitete seit 2006 an «Ant-Man», allein seine Passion für das Projekt überzeugte die Marvel-Studiobosse, diesem relativ obskuren Helden eine Chance zu geben und erst kürzlich erläuterte Kevin Feige (Präsident der Marvel Studios), dass Wrights «Ant-Man» thematische Ideen beinhaltet, auf die das Marvel Cinematic Universe seit 2008 hinarbeitet.
Dass urplötzlich Wright sein Passionsprojekt verlässt, ist Anlass für allerlei Spekulation und für die Mehrheit der Social-Media-Nutzer ist sicher, dass nicht Marvel zum Wohle von «Ant-Man» einen unerwartet schlechte Arbeit liefernden Edgar Wright rausschmeißen musste, sondern Wright bei einem mutlosen, unkreativen Studio auf Granit gestoßen und daraufhin gegangen ist. Glaubwürdig ist dies durchaus, schließlich schmissen schon zahllose Studios massenhaft fähige Regisseure raus, weil es ihnen an Fantasie mangelte.
Jedoch klingt das so gar nicht nach Marvel. Mit Joe Johnston («Captain America – The First Avenger»), Joss Whedon («The Avengers») und Shane Black («Iron Man 3») arbeiteten bereits andere Regisseure mit markantem Stil problemlos für das Produktionshaus und «Guardians of the Galaxy» wird von James Gunn verwirklicht, der um ein Vielfaches schriller ist als Edgar Wright. Zudem: Gunn wurde laut eigener Aussage stets ermutigt, noch mehr von seinem Stil in den Film einfließen zu lassen. Vielleicht verlor Wright tatsächlich schlicht die Übersicht?
Für all jene, die weder Marvel noch Wright im Unrecht sehen wollen, hat James Gunn eine weitere Theorie parat: Beide Seiten haben sich nichts zu schulden kommen lassen. Bei Facebook kommentiert der «Super»-Regisseur den «Ant-Man»-Vorfall: „Manchmal hat man Freunde, die sich in einer Beziehung befinden. Man liebt sie beide ganz unabhängig von einander und denkt, dass sie richtig tolle Personen sind. Wenn sie zu einem kommen, um über ihre Probleme zu sprechen, tut man alles in seiner Macht stehende, um sie zu unterstützen, damit sie zusammenbleiben – denn wenn man sie beide liebt, warum sollten sie sich nicht auch lieben? Aber Stück für Stück sieht man ein, dass sie nicht füreinander gedacht sind – nicht, weil mit ihnen irgendetwas nicht stimmt, sondern weil sie Persönlichkeiten haben, die schlicht nicht gut zusammenpassen.“
Und vielleicht ist es ja so, wie James Gunn es sieht, womöglich sind all die Sorgen der Marvel-Fans unnötig. Trotz eines Personalwechsels auf dem Regieposten muss «Ant-Man» nicht zu Marvels «Cars 2» verfallen. Um den Pixar-Vergleich noch ein letztes Mal heranzuziehen: Es gab einst ein Pixar-Projekt, das in einer späten Phase der Vorproduktion einen Regiewechsel durchlaufen musste. Diese Produktion galt aufgrund ihrer Grundidee eh als schwer zu vermarkten und viele Kinokenner erachteten den plötzlichen Austausch des Regisseurs als Beweis dafür, dass nichts von ihr zu erwarten sei. Sie wurde zu einem der beliebtesten Pixar-Filme überhaupt: Brad Birds «Ratatouille». «Ant-Man» muss all diesem Tumult zum Trotz keine Schrottkarre werden. Uns kann genauso gut auch ein filmischer Gaumenschmaus erwarten.