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König Fußball und die Kinoflaute

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Mit der WM kommen Spitzenquoten für die übertragenden Fernsehsender. Und herbe Wochen für die deutschen Kinos. Doch ist diese Zuschauerflaute vermeidbar?

Die Fußball-Weltmeisterschaft nähert sich mit großen Schritten, und somit eine Freudenzeit für Fußballliebhaber, die übertragenden Fernsehsender, Bierbrauereien und Hersteller von Autofähnchen. Doch des einen Freud ist des anderen Leid: Fernsehsender ohne Fußballrechte dürften sich wohl kaum auf eine Fußball-WM oder -EM freuen,da sich während dieser Zeit immer wieder mehr als die Hälfte des Fernsehpublikums auf einen der Konkurrenzsender stürzt. Und alle zwei Jahre macht darüber hinaus die Kinobranche eine sommerliche Flaute durch. „Wir erwarten um die Hälfte weniger Besucher während der WM“, klagte etwa Cinemaxx-Chef Christian Gisy, dem auch andere Fußball-Großereignisse regelmäßig Sorgen bereiten.

Gisys sorgenvolle Erwartungen lassen sich leicht mit Zahlen belegen: So erreichten die zehn erfolgreichsten Filme während des dritten Wochenendes der WM 2010 zusammengerechnet weniger als 260.000 Besucher. Zum Vergleich: Die aktuelle Nummer eins der deutschen Kinocharts, «X-Men – Zukunft ist Vergangenheit», überbot dieses Ergebnis zum Start im Alleingang. Alles in allem standen, gemessen an den Zuschauerzahlen, während der vergangenen sechs Fußball-Weltmeisterschaften einige der magersten Kinowochen der gesamtdeutschen Geschichte zu Buche – einzig 2002 fielen die Werte gut aus. Der Unterschied: Weil diese WM in Südkorea und Japan stattfand, wurde zumeist vormittags hiesiger Zeit angepfiffen, also außerhalb der üblichen Kinobesuchszeiten. Eine weitere Differenz zwischen der WM 2002 und anderen großen Fußballturnieren: Die Verleiher entließen mit Filmen wie «Spider-Man» (insgesamt 5,70 Millionen Besucher), «40 Tage und 40 Nächte» (2,46 Millionen Zuschauer) oder auch dem DreamWorks-Zeichentrickfilm «Spirit – Der wilde Mustang» (1,54 Millionen Trickfans) trotz des Sportevents mehrere Publikumsmagneten in die Lichtspielhäuser. 2010 zum Beispiel fielen die größten Hits während der WM mit «Hanni & Nanni» (0,87 Mio. Besucher) und «Predators» (0,49 Millionen Interessenten) deutlich dürftiger aus.

2012 wiederum starteten während der Europameisterschaft vornehmlich Filme wie «StreetDance 2» (mit 0,27 Mio. Kinogängern einer der größeren Erfolge im Juni dieses Jahres). Als große Produktion wagte sich einzig Spider-Man ins EM-Getümmel: Am Donnerstag vor dem Finale angelaufen, brachte es «The Amazing Spider-Man» (Bild) auf insgesamt 1,54 Millionen Comicfans, allein am erfolgreichen Startwochenende wurden rund 321.000 Besucher gemessen. Diese Strategie fuhr 2006 auch der Computeranimationsfilm «Ab durch die Hecke». Allein am Startwochenende wurden trotz zweier wichtiger WM-Spiele mehr als 580.000 Tickets verkauft, insgesamt brachte es die DreamWorks-Produktion auf 3,42 Millionen Kinogänger.

Kurzum: Wenn in den Kinos mal ein zuschauerträchtiger Film startet, obwohl ein großes Fußballturnier stattfindet, finden die Kinobegeisterten auch den Weg in die Lichtspielhäuser. Und dennoch kneifen alle zwei Jahre wieder die Verleiher und stapeln mögliche Blockbuster in den Wochen direkt vor und nach der WM respektive EM. So auch dieses Jahr: Bereits am 29. Mai, also zwei Wochen vor Turnierbeginn, laufen mit «A Million Ways to Die in the West», «Edge of Tomorrow» und «Maleficent» drei große, sich gegenseitig beim Zuschauerfang behindernde Produktionen an, obwohl in den Folgewochen massig Platz in den deutschen Kinos ist. Denn schon am 5. Juni laufen nur noch kleinere Projekte an, der nächste aufwändige Massenstart ist dann wenige Tage nach der WM «Transformers – Ära des Untergangs».

Auch ein Blick nach Frankreich verrät, dass die fußballbedingte Besucherflaute in deutschen Landen eine selbsterfüllende Prophezeiung ist. Unsere französischen Nachbarn sind bekanntlich nicht die größten Fußballmuffel, und trotzdem trauten sich die dortigen Kinoverleiher, «Madagascar 3: Flucht durch Europa» (Bild, insgesamt 3,35 Mio. Kinogänger) kurz vor der EM und unter anderem «Snow White and the Huntsman» (insgesamt 1,96 Mio. verkaufte Tickets) und «Ice Age 4: Voll verschoben» (mehr als 6,58 Mio. Besucher) während der Euro 2012 zu starten. Zwei Jahre zuvor stellten sich unter anderem «Das A-Team – Der Film» (1,18 Mio.), «Für immer Shrek» (4,63 Mio.) und der dritte «Twilight»-Teil (3,93 Mio.) der WM-Konkurrenz.


Die Filme der "20 Jahre Arthaus"-Programmreihe

«Down By Law»,
«Night On Earth»,
«Der Prozes»,
«Das Fest»,
«Der Elefantenmensch»,
«The Doors»,
«Trafic – Tati im Stoßverkehr»,
«Angst essen Seele auf»,
«Das siebente Siegel»,
«Out Of Rosenheim»,
«Fitzcarraldo»,
«Außer Atem»,
«Apocalypse Now Redux»,
«Die große Illusion»,
«Die Reifeprüfung»,
«Die durch die Hölle gehen»,
«Wenn die Gondeln Trauer tragen»,
«Der englische Patient»,
«Das Piano» und
«Die Blechtrommel – Director’s Cut»
Deutsche Kinobetreiber hoffen, dieses Jahr trotz der Weltmeisterschaft wenigstens im Programmkinosektor zu punkten. Einer der Gründe dafür ist eine Aktion der Studiocanal GmbH, die das 20-jährige Jubiläum ihres Labels Arthaus feiert und daher 20 Filmklassiker zurück auf die Leinwand bringt. Dieses Filmfestival-Paket wird von Studiocanal aktiv als Mittel gegen die im Juni zu erwartende Besucherflaute beworben – so hieß es schon in der Ankündigung dieses Events, dass Kinobetreiber die Klassiker „insbesondere während der WM- und Open-Air-Saison“ buchen können.

Rodolphe Buet, CEO von Studiocanal in Deutschland merkt in diesem Zusammenhang an: „Gerade junge Leute sollen entdecken, dass es eine Filmgeschichte gibt und dass die großen Filme dieser Geschichte zeitlos und überhaupt nicht altmodisch sind.“ Tatsächlich ist diese Taktik bewährt: Bis in die 80er waren Wiederaufführungen beliebter Produktionen während der Sommermonate, gerade wenn König Fußball das Fernsehprogramm dominierte, in deutschen Kinos Usus. Trotzdem zeigt ein Blick auf die raren Ausnahmen der vergangenen Jahre, wenn trotz eines Fußballevents in Deutschland ein potentieller Publikumsrenner startete, sowie ein Vergleich mit unserem Nachbarn Frankreich, dass selbst neue Produktionen nicht floppen müssen, wenn das runde Leder rollt. Für 2016 dürfen sich die Verleiher also vornehmen, den Filmfans und Kinobetreibern ein Geschenk zu machen und auch in den EM-Wochen vereinzelte Blockbuster-Produktionen rausbringen.

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