Die Kritiker

«Women’s Murder Club»: VOX‘ neuer Frauen-Krimi

von

Die Buchadaption kommt zwar zu großen Teilen als klassisches Police Procedural daher, konzentriert sich aber auch auf die Privatleben um Liebe und Partnerschaft. Funktioniert der Genre-Mix?

Cast & Crew

Vor der Kamera:
Angie Harmon («Rizzoli & Isles») als Lindsey Boxer, Cindy Thomas («1st to die») als Aubrey Dollar, Paula Newsome («Little Miss Sunshine») als Claire Washburn, Laura Harris («The Faculty») als Jill Bernhardt, Tyrees Allen («RoboCop») als Warren Jacobi & Rob Estes («Silk Stalkings») als Tom Hogan


Hinter den Kulissen:
Executive Producers: Elizabeth Craft, Sarah Fain, Joe Simpson & James Patterson, Schöpfer: Elizabeth Craft & Sarah Fain, Produktionsstudios: 20th Century FOX Television & Rat TV

Emanzipation war auch im US-Fernsehen vor ein paar Jahren noch ein Thema. Im Jahr 2007 ging beim US-Sender ABC eine Serie an den Start, die Protagonistinnen enthielt, deren Jobs in den bis dato bekannten etablierten Fernsehserien meist von Männern ausgeübt werden. In VOX‘ neuer Serie trifft man gleich vier verschiedene solcher Charaktere an: Eine Polizeibeamte, eine Staatsanwältin, eine Reporterin und eine Gerichtsmedizinerin. Die Geschichte basiert auf der gleichnamigen Buchreihe James Pattersons, den der Spiegel 2010 noch zum „erfolgreichsten Schriftsteller der Welt“ kürte. Angie Harmon steht im Mittelpunkt der 20th Century FOX-Produktion und nahm somit in der kurzlebigen Show noch vor ihrem absoluten Durchbruch mit «Rizzoli & Isles» eine Hauptrolle ein. Als Lindsey Boxer, Ermittlerin der Mordkommission San Francisco, löst sie die Fälle, anders als etwa Ermittler-Duos oder Teams in anderen Serien, quasi im Alleingang, erhält jedoch Hilfe von ihren Freundinnen, die in ihrem jeweiligen Arbeitsbereich absolute Expertinnen sind.

Schon gleich zu Beginn des Piloten erinnert «Women’s Murder Club» an ein klassisches Police Procedural. Der verbrechensbekämpfende Hauptcharakter sieht sich einem neuen Fall ausgesetzt, macht während der Episode ermittlerische Höhen und Tiefen durch, vermag aber trotzdem am Ende den Fall zu lösen – so auch in «Women’s Murder Club». Erst wenn die weiblichen Protagonistinnen auf der Bildfläche erscheinen, wird klar, was die Crime-Serie vom Durchschnitts-Format abhebt: Anders als bei anderer US-amerikanischer Krimi-Ware geht «Women’s Murder Club» auch verstärkt auf das Privatleben der vier weiblichen Charaktere ein, inklusive Beziehungsprobleme und Männergeschichten.

Zur ersten Folge arbeitet das Team aus Ermittlerin Lindsey Boxer, Gerichtsmedizinerin Claire Washburn (Paula Newsome) und Juristin Jill Bernhardt (Laura Harris) noch zu dritt als eingespieltes Team, bevor in den nächsten Episoden Journalistin Cindy Thomas (Aubrey Dollar) das Quartett komplettiert. Dabei offenbart die Serie aber auch Rollenklischees, die in dieser Form schon unzählige Male zu Tage traten, vor allem in frauenaffinen Romantic Sitcoms. Schon die ersten Dialoge zwischen den drei Freundinnen entlarven Lindsey als taffe, unabhängige Karrierefrau, die ihre Probleme mit Zwischenmenschlichkeiten hat, während Jill sich als unentschlossene Chaotin mit schlechter Männerwahl outet. Für etwas Ordnung sorgt bei den beiden Claire, glückliche Mutter einer Familie, die für jede Lebenslage einen Ratschlag parat zu haben scheint. So zeigen sich bei «Women`s Murder Club» nicht nur Parallelen zu «CSI», sondern auch zu Formaten wie «Sex and the City», bei der die Charakteraufteilung in ähnlicher Form stattfindet.

Etwa zur gleichen Zeit als auch «Women’s Murder Club» debütierte, gab es in Richtung weiblicher Protagonistinnen von Shows wie «Bones» oder «The Closer» erste Vorstöße, vorher hingegen konzentrierten sich die klassischen Crime-Formate meist auf hartgesottene, gewiefte oder emotional gespaltene männliche Hauptcharaktere, die ihre Fälle auf ihre eigene Art und Weise lösten. Zeit wurde es, dass die Geschlechterrollen überdacht werden. Wie dies allerdings in «Women’s Murder Club» umgesetzt wurde, war nicht zielführend: Die Produzenten konnten sich scheinbar nicht entscheiden, ob sie aus dem Format ein Police Procedural mit weiblichen Protagonistinnen machen wollten oder eine Beziehungs- und Freundschafts-Dramedy mit Crime-Hintergrund. Schon in der Pilotfolge wird klar, dass die Serie bei 45-minütiger Laufzeit nicht eine passende Brücke schlagen kann und damit sowohl den Charakteren und ihrem Verhältnis zueinander nicht gerecht wird als auch das „Verbrechen der Woche“ nicht detailliert genug aufarbeitet – stets lässt der Kompromiss zwischen beiden Ansätzen etwas zu kurz kommen.

Um dieses zwiegespaltene Konzept doch irgendwie erfolgreich umzusetzen, arbeitet «Women’s Murder Club» mit Zufällen, die sich am Rande der Glaubwürdigkeit bewegen. Lindseys Mann (Rob Estes), der sie nach sechs Jahren Ehe verließ, weil Lindsey nur noch Augen für ihre Arbeit hatte, wird jetzt ihr Chef und damit der neue Lieutnant des Dezernats. Neben dem Mord an einer umtriebigen Journalistin, den es für Lindsey in der ersten Episode aufzuklären gilt, macht die Serie bei jeder Begegnung von Lindsey und ihrem Ex-Mann Tom zaghafte Versuche unbewältigte Spannungen zwischen den beiden heraufzubeschwören, die aber zumindest vorerst nicht beim Zuschauer ankommen. Wo die Bücher sich alle Zeit der Welt lassen können, ist der Zeitrahmen der Serienadaption einfach zu klein, um den Versuch gelingen zu lassen, die vier Hauptcharaktere und ihr Umfeld näher zu beleuchten sowie den Wochenfall aufzuarbeiten und alles aufeinander zu beziehen. Am, zum Debüt der Serie harten US-Fernsehfreitag, blieb «Women’s Murder Club» nicht genug Zeit sein ambitioniertes Unterfangen gelingen zu lassen – nach einer 13-episodigen ersten Staffel war Schluss für Lindsey Boxer und Co. Unglücklicherweise fiel die Show zudem USAs Autoren-Streik zum Opfer, wodurch sich zusätzlich Schwierigkeiten auftaten.

Dennoch bewies Angie Harmon mit «Women’s Murder Club» schon 2007, dass sie es versteht eine Hauptrolle zu tragen und das ihr Serien-Charakter nicht schlecht angelegt war: In «Rizzoli & Isles» spielt sie nämlich in etwa die gleiche Rolle. Insbesondere Frauen werden auch trotz der ungegorenen Umsetzung Freude am Format haben, das hin und wieder zum Schmunzeln einlädt, zum Beispiel wenn die oftmals mit zweifelhaften Methoden arbeitende Lindsey im Verhörzimmer einen Verdächtigen ungewöhnlich hart in die Mangel nimmt, weil der seine hart schuftende Frau betrogen hat Das kann Lindsey natürlich gut nutzen, um gehörig Dampf hinsichtlich der unaufgearbeiteten Emotionen hinsichtlich der Trennung mit ihrem Mann abzulassen. Die Ergebnisse in den USA sprechen in Bezug auf Zielgruppe auch eine klare Sprache: Der Durchschnittszuschauer von «Women’s Murder Club» war eine 57—jährige Frau. Dieser Umstand, nämlich dass die Serie in der Zielgruppe nicht punkten konnte, wurde dem Format in den Staaten zum Verhängnis, dabei unterhielt «Women’s Murder Club» vor dessen Sendeplatz-Verschiebung in den USA in neun von zehn Malen die meisten Fernsehenden.

Damit keine Routine einkehrt, was bei Police Procedurals naturgemäß eine Gefahr darstellt, führt «Women`s Murder Club» außerdem den vielversprechend wirkenden Fall um den Küss-mich-nicht-Killer als roten Faden der Serie ein, von dem Lindsey früher so besessen war, dass sie ihr Privatleben ausblendete und so ihre Beziehung in die Brüche ging. Der Serienmörder, der seinen weiblichen Opfern die Münder zunäht, kehrt wieder zurück und neben den privaten Turbulenzen sieht sich Lindsey nun wieder ihrem härtesten Gegenspieler ausgeliefert. Dass das Format nicht über mehr als eine Staffel bei VOX hinauskommen wird, ist nicht zu verhindern. Dennoch könnten weibliche Best-Ager einen großen Spaß an den kommenden 13 Episoden haben und sich nach Ablauf der Folgen nach mehr neuen Ausgaben sehnen. Formate, die trotz gutem Ansatz konzeptionell einfach nicht auf den Punkt produziert wurden, hat das Fernsehpublikum schon häufiger verziehen.

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