Die Kritiker

«Letzter Moment»

von

Das Erste zeigt eine Grimme-nominierte Romanze, die Generationen umspannt.

Cast und Crew

Vor der Kamera:

Matthias Habich («Unkenrufe») als Peter, Thomas Thieme («Rosa Roth») als Konstantin, Ulrike C. Tscharre («Im Angesicht des Verbrechens») als Isabel, Gila von Weitershausen («Der Schwarzwaldhof») als Katharina, Ole Puppe («Heiter bis tödlich - Zwischen den Zeilen») als Jan, Beatrice Richter («Niete zieht Hauptgewinn») als Anja, Katja Steuer («Himalaya») als Lena


Hinter der Kamera:

Regie: Sathyan Ramesh, Produktion: Markus Gruber & Andrea Günther, Szenenbild: Dietmar Linke, Kamera: Jana Marsik, Schnitt: Dora Vajda
Sommerliche Temperaturen und dann steht obendrein die Fußballweltmeisterschaft vor der Tür: Neue, aufwändige Fernsehfilme darf man vorerst kaum im TV-Programm erwarten. Doch glücklicherweise haben die Senderarchive ja so manche kaum bekannte Highlights zu bieten, die im Sommerloch ausgegraben und auf prominenterem Sendeplatz einem neuen Publikum präsentiert werden können. So gestaltet nun auch Das Erste den kommenden Mittwochabend und zeigt zur besten Sendezeit das Drama «Letzter Moment», das erstmals im September 2010 bei arte zu sehen war. Fast vier Jahre sowie eine Grimme-Preis-Nominierung im Bereich Fiktion später, wandert der Neunzigminüter endlich verdientermaßen ins Hauptprogramm der ARD, um dort viele der üblichen Fernsehfilmklischees gekonnt zu umgehen.

Die Handlung beginnt, als der Intellektuelle Peter, ein störrischer Einzelgänger Ende 60, bei einem Restaurantbesuch mit seiner Ex-Frau ihr Angebot ablehnt, mit ihr wieder zusammenzuleben. Seine abgeklärte Absage verscheucht seine einstige Lebensgefährtin, dafür erregt Peter aber das Interesse der 32-jährigen Kellnerin Isabel. Spätnachts lockt sie ihn in die Küche – und schläft dort mit ihm. Der Abschied ist so rau, wie zuvor der Sex leidenschaftlich war: Er sagt zwar, dass er sie wiedersehen will, doch sie muss ihn abweisen – sie heiratet nächste Woche und ist eigentlich eine treue Seele. Wenige Stunden später sehen sich die beiden jedoch wieder, sprechen miteinander, vertiefen ihre emotionale Verbindung. Isabel heiratet trotzdem, auf der anschließenden Feier verdrückt sie sich allerdings, um sich mit Peter zu treffen. Eine große Liebe entsteht zwischen dem nachdenklichen Peter und der Dauerstudentin Isabel, die schlussendlich ihren Mann verlässt und Peter stolz ihren Eltern vorstellt. Ihr Vater nimmt Peter freudig in Empfang – und unerwarteterweise auch ihre sonst so kritische Mutter. Dessen ungeachtet verhält sie sich seltsam. Der Isabel unbekannte Grund dafür: Vor vielen Jahrzehnten hatte sie eine Liaison mit Peter, und dieses Wiedersehen rüttelt alte Gefühle wach …

Es beginnt alles so hochgemut: Die Kennenlernphase zwischen Peter und Isabel ist geprägt von leiser Situationskomik. So lehnt Isabel Peters Avancen nach ihrem vermeintlichen One-Night-Stand mit der Erklärung ab: „Ich bin treu“, nur um sogleich einzuräumen, dass diese Aussage wohl komisch klingen mag. Ulrike C. Tscharre trifft die Unbedarftheit, die solche Sätze benötigen um amüsant-realistisch zu bleiben, perfekt, zudem gelingt es ihr, diesen Eindruck nicht auf ihre Figur als Ganzes überschwappen zu lassen. Tscharres Isabel ist reif und bodenständig genug, um glaubwürdig zu vermitteln, dass sich Peter in sie verlieben könnte – und sich mit ihr nicht einfach nur ein junges Betthäschen aussucht. Aber während Tscharre ihrer Rolle davon abgesehen recht wenig Kontur verleiht, brilliert Matthias Habich durchgehend.

Er raunt, grummelt und grantelt sich durch romantische Sätze, wie es ein frustrierter, alter Einzelgänger wohl so tun würde, wenn ihn unverhofft die große Liebe übermannt. Dies gibt seiner Figur selbst in den wenigen schnulzigen Momenten einen schroffen Charme sowie in Phasen, in denen der Dialogwitz überwiegt, eine raue Menschlichkeit. Diese ist es, die den ersten Part von «Letzter Moment» förmlich vorbeifliegen lässt und sehr amüsant gestaltet. Peter und Isabel sind anfangs ein kurzweiliges, vitales Paar. Es ist sympathisch, zu sehen, dass Isabel etwa bei Peters Ex-Frau durchaus gut ankommt und sie augenzwinkernd mit dem Eifersuchtsvorwurf umgeht.

Aber es dauert nicht all zu lang, bis sich die herbe Seite der Liebeswelt in diese Geschichte einschleicht. Dass Isabels gehörnter Mann erst in Tränen und dann in Wut ausbricht, ist ein früher Moment des Unglücks – wenngleich auch ein erwartbarer. All dies ändert sich, sobald Isabels Mutter (eindringlich, ohne zu dick aufzutragen: Gila von Weitershausen) auf Peter zugeht und ihm aufgrund ihrer einstigen Beziehung zueinander zu verbieten versucht, weiterhin mit ihrer Tochter auszugehen. Die bodenständige Romantikkomödie schleicht ab dann mit allmählich an Vergnüglichkeit verlierenden Charaktermomenten und harscher werdenden Dialogpassagen ins tragische Fach. Diesen Wandel skizziert der Regisseur und Autor Sathyan Ramesh in plausiblem Tempo und da er dem Zuschauer eingangs die Figuren nahebringt, hat der Zerfall des Liebesglücks auch eine wirksame emotionale Fallhöhe.

Im letzten Drittel greift Ramesh zwar auf ein paar arg gekünstelte filmische Stilmittel zurück, die nicht in die sonst nüchterne Ästhetik von «Letzter Moment» passen wollen, dennoch bleiben die Figuren auch in ihrer Tiefphase realistisch und facettenreich. Zum Schluss wird der Zuschauer Peter und Isabel entweder verfluchen oder ihnen ihr Ende gönnen, ganz abhängig von seinen eigenen moralischen Standpunkten. Aber sie werden in jedem Fall eine starke Emotion hervorrufen, und dies ist, trotz mancher Klischeesätze im melodramatischen Part des Films, den Darstellern genauso zu verdanken, wie dem Drehbuch und seiner Umsetzung.

«Letzter Moment» ist am 11. Juni 2014 ab 20.15 Uhr im Ersten zu sehen.

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