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Die «heute-show» ist ein satirischer Wochenrückblick, aber gleichzeitig eine Art Schnittmenge aus Satire und Comedy. Wir gönnen uns bei aller Haltung zu bestimmten Themen auch immer wieder Momente von komplett botschaftsloser Albernheit.
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Oliver Welke im Tagesspiegel
Dabei ging es noch relativ verhalten los mit dem modernen Satireklassiker: Nach einer gut aufgenommenen ersten Teststaffel brachte es die zweite Runde nur auf eine magere Durchschnittsreichweite von 1,59 Millionen Zuschauer. Lediglich 7,3 Prozent des Gesamtpublikums schalteten ein. Im Oktober 2010 entdeckten jedoch die 14- bis 49-Jährigen das Format für sich und sorgten von da an nahezu durchgehend für Marktanteile über Senderschnitt. Die in ihrem Tempo und ihrer Wortwahl jugendaffine, sich aber nie anbiedernde, Sendung wurde zudem zu einem Liebling der Preisjurys, so dass eine Absetzung nie in Frage kam. Mit Staffel vier kletterte dann auch die Gesamtreichweite auf einen Schnitt oberhalb der 2-Millionen-Zuschauer-Marke, im Frühjahr 2013 erfolgte dann endlich auch der Durchbruch bei der Gesamtsehbeteiligung: Folgen unter Senderschnitt sind nunmehr eine Rarität.
Teil des Erfolgsgeheimnisses der «heute-show» dürfte ihre markante Verquickung aus beobachtender sowie kommentierender Politsatire und leichtfüßigem Humor ohne Aussage sein. Während der Spiegel, den die Redaktion dem Politzirkus bissig vors Gesicht hält, dem Format sein Gewicht verleiht, sind es die Momente gesunder Albernheit, dank denen die «heute-show» mehr Esprit aufweist als gestandene Kabarettsendungen wie etwa «Scheibenwischer» oder «Die Anstalt». So findet die Redaktion der «heute-show» oftmals lustigere Pannen und peinlichere Versprecher als die Sichter von «TV total». Doch nicht nur mit diesen Ausschnitten hebt sich die «heute-show» von ihren Satirekollegen ab. In einer „echten“ Satiresendung würden wohl kaum aktuelle Politikentscheidungen anhand eines Sketches kommentiert, der nebenher liebevoll die Kindernachrichten «logo» parodiert. Keine andere Show würde ein «Telekolleg» zum Thema „Entspannt verarscht werden“ veranstalten. Die «heute-show» wiederum bietet im Regelfall mindestens eine solche Aktion pro Folge. Derartige Studiosketche setzen die Tradition der 90er-«Wochenshow» fort, nur dass zusätzlich zum verspielten Element des Medienmimikry auch ein Seitenhieb auf die Politik oder Großkonzerne einhergeht.
Ein Blick auf die «heute-show» ist zugleich auch ein Blick auf das politische Bild in Deutschland – womöglich mehr als bei allen anderen Satireformaten. Zunächst ist dies durch das lose Kleid einer Nachrichtensendung gegeben: Die «heute-show» thematisiert wochenaktuell all das, was ernste Nachrichtenformate bewegt – und somit Innen- wie Außenpolitik, Sozial- und Wirtschaftsthemen und dann und wann auch mediale Ereignisse, sei es ein großes Fußballturnier, die Einstellung von «Wetten, dass..?» oder der «Eurovision Song Contest». Des Weiteren hat die «heute-show» keine kohärente Grundhaltung. Haben viele Kabarettisten eine feste Position (etwa wie Pelzig die eines strebsamen Kleinbürgers) und somit einen politischen Erzfeind, schießt die Redaktion der «heute-show» auf alle Zielscheiben im Blickfeld der Nachrichtenlage – zumindest so lange sie humoristische Ergebnisse versprechen.
Deswegen wird genauso über die kaum handelnde „Mutti Merkel“ hergezogen, wie über die an Biss verlierende SPD, zu gleichen Teilen über Linkspolitik wie Rechtspopulismus. Böse Zungen würden die «heute-show» daher vielleicht als Fähnchen im Wind bezeichnen, doch dies wäre eine gewollte Fehlinterpretation der Absichten von Welke und seinem Team. Immerhin erfüllt die «heute-show» für die „satirische Bildung“ die Position, die «heute» für den Informationsjournalismus erfüllen sollte: Sie ist überparteilich und repräsentativ. Dass die FDP während ihrer politischen Talfahrt Daueropfer der Nachrichtensatire war und nun eher die AfD Hohn und Spott erntet, ist da genauso selbstredend, wie das Aufbäumen und spätere Verschwinden der Piraten innerhalb der «heute-show».
So, wie sich die wiederholt behandelten Themen mit der Zeit ändern, kam es bei Oliver Welkes Wochenrückblick auch bereits zu vereinzelten Castwechseln. Yunus Cumartpay verließ das Format nach Episode 67, und damit auch seine Figur des Integrationsexperten Mesut Güngen. Dafür stieß Claus von Wagner als Studioexperte für allerlei Belange hinzu, später übernahmen auch Dietmar Wischmeyer und Ralf Kabelka (Dr. Udo Brömme aus der «Harald Schmidt Show») reguläre Rollen in der Show. Mit zahlreichen Veteranen und einigen Neuankömmlingen, darunter Carolin Kebekus, droht das «heute-show»-Ensemble langsam unübersichtlich zu werden. Gleichwohl erlaubt die Vielzahl an Mitwirkenden und unterschiedlichen Stilen genügend Abwechslungsreichtum – was bei einem Dauerbrenner wie der «heute-show» nicht zu unterschätzen ist. Immerhin drohte zwischenzeitlich Gernot Hassknecht mit mehreren Rubriken, in denen er als Wutzwerg Unruhe stiftete, anstrengend und eintönig zu werden. Jedoch bemerkte die Redaktion die Abnutzungserscheinungen und setzt den wandelnden Running Gag mittlerweile wieder bewusster und unterhaltsamer ein.
In der Sommerpause heißt es für den Mainzer Sender aber erstmal wieder: Daumen drücken, Augen zu und durch. Denn eine wirklich rundum zufriedenstellende Sommervertretung für die «heute-show» wurde bislang nicht gefunden. «Nicht nachmachen!» funktionierte nur bei den Jungen, «Durchgedreht!» ging komplett baden. «Vier sind das Volk» wiederum absolvierte seine Testfolge im April bei den 14- bis 49-Jährigen hervorragend, beim Gesamtpublikum dagegen fiel die Impro-Comedy durch. Eine Fortsetzung steht aktuell in den Sternen. Doch würde sie sich lohnen? Die «heute-show» bewies, dass sich Geduld auszahlt, was für weitere Folgen spricht. Aber: Wie will das ZDF Geduld mit «heute-show»-Ersatzprogrammen zeigen, wenn diese eh nur in den Sommermonaten zum Zuge kommen? Denn am «heute-show»-Ausstrahlungsplatz möchte niemand mehr rütteln, was sie für den Mainzer Sender zum Luxusproblem macht: Sie blockiert einen attraktiven Sendeplatz – mit großem Erfolg. Sendetermine für andere Formate zu kürzen, wäre töricht. Doch auf keinem anderen Sendeplatz würde sich jugendaffine Comedy mit Köpfchen besser machen als auf dem der «heute-show». Welche dank ihres Ruhms jede programmtechnische Alternatividee blass aussehen lässt. Und das voraussichtlich noch jahrelang.