Kolumnen

1 Stunde Wahnsinn mit einem Fußballmuffel – Teil II: Deutschland gegen Ghana

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Teil II: Deutschland gegen Ghana Quotenmeter.de-Redakteur Sidney Schering zappt erneut durch die TV-Konkurrenz der deutschen Nationalelf.

Am 16. Juni 2014 setzte ich mich vor meinen Fernseher und boykottierte das erste Fußball-WM-Spiel 2014 mit deutscher Beteiligung. Andere hätten dies als Folter betrachtet, weil sie die deutsche Nationalelf bei ihrem ersten Kick in Brasilien sehen wollten. Ich aber zählte nicht zu den rund 26,36 Millionen Menschen, die sich das Spiel unbedingt sehen wollten. Denn ich bin ein Fußballmuffel. Und das Gegenprogramm zum Deutschlandspiel enthielt zwar manch irre Zutaten, war insgesamt jedoch ganz hinnehmbar.

Doch der wahre Wahnsinn liegt noch vor mir. Immerhin spielten Deutschland und Portugal am 16. Juni um 18 Uhr deutscher Zeit und somit gegen das reguläre, werktägliche Vorabendprogramm. Da gibt es so manchen Realityschrott zu sehen, aber auch einige nette Formate und gute Serien. Jetzt aber spielt Deutschland um 21 Uhr. Lassen wir es uns auf der Zunge zergehen: Deutsches WM-Spiel. An einem Samstag. Zur Primetime. Die TV-Sender drehen deswegen am Rad! Der Disney Channel hat sogar für eine Woche die «Muppet Show» aus dem Programm genommen! Was zur Hölle soll ich denn nun bitte im Fernsehen gucken?

Naja, fang ich halt einfach mit besagtem Familiensender an. Nachdem ich ihn in meinem vergangenen Versuchsbericht lobend erwähnte, besteht vielleicht die Hoffnung, dass er mich einmal mehr überzeugt. Schon wenige Sekunden, nachdem ich eingeschaltet habe, weiß ich, dass ich mich irre. Es läuft der DVD-Film «Air Bud 4: Mit Baseball bellt sich's besser». Muss ich dazu noch irgendetwas los werden? Es ist die dritte Fortsetzung zu einem Film über einen Golden Retriever, der Basketball spielt. Und in diesem Kitschfilm spielt der Hund … Baseball! Nicht als Catcher, sondern verflucht noch eins als Schlagmann. Das ist albern, das ist unmöglich und … gute Güte, er hat einen besten Freund, einen kleinen Waschbären! Wenigstens sprechen die Tiere hier noch nicht, das erlernen sie erst zwei Filme später – was ich als Disney-Fan nicht so alles weiß. Dafür weiß ich nicht, wie ich diesen überzogenen, quietschig-süßen und banalen Film länger aushalten soll. Zapp!

„Dann tu ich halt was für meinen Intellekt und schalte zu arte“, denke ich und lande nicht etwa mitten in einem Kunstfilm oder in einer philosophischen Dokumentation, sondern bei der Reportage «Die schönsten Küsten Frankreichs». Es ist die zweite Folge einer Reihe und wie mir mit ruhiger Stimme erklärt wird, geht es von Honfleur zum Mont-Saint-Michel. Ich wundere mich, wieso ich schon wieder bei einer geographischen Doku lande, wenn ich arte einschalte, bleibe aber Dank der erstaunlichen Luftaufnahmen am Ball. Die Sendung erinnert frappierend an «Deutschland von oben», der Videotext verrät mir allerdings, dass sie von 2009 ist und somit etwas älter als die Vorzeigereihe von «Terra X». Nach einigen Minuten wird mein Reisefieber wohlgemerkt unerträglich groß, weshalb ich es vorziehe, umzuschalten.

Auf, auf und davon zu Tele 5. Bruce Boxleitner, Tron höchstpersönlich, erfüllt meinen Bildschirm und schleicht sich durch dröge Landschaften. Die Hintergrundmusik ist zum Einschlafen und die Dialoge so platt, dass ich überlege, lieber zum plötzlich so anspruchsvoll erscheinenden Disney-Hundesportfilm «Air Bud 4: Mit Baseball bellt sich's besser» zurückzukehren. Ich wundere mich, was ich mir hier überhaupt ansehe, bis mir die Figuren einen klaren Hinweis geben: Sie plaudern von einem gefährlichen Monster namens „Bone Eater“. Ist wohl ein Horrorfilm. Oder besser gesagt: Das hier wäre wohl gern ein Horrorfilm. Mal schauen, was RTL Nitro so zu bieten hat. Und BUMM! «Alarm für Cobra 11»! Okay, okay, ich übertreibe. Ich werde beim Umschalten nicht von einer Explosion begrüßt, sondern „nur“ von einer Verfolgungsjagd. Da ab und an Verfolgungsjagden auf einer Autobahn in meiner Nähe gedreht werden, schaue ich mir den Schauplatz ganz genau an, um abzuschätzen, ob auch diese Folge bei mir um die Ecke produziert wurde. Sieht aber nicht danach aus, also zappe ich weiter …

… und lande bei Hamburg 1. Ach, wie schön: Es läuft «Kino News TV», eines der wenigen regulären Kinomagazine im deutschen Free-TV. Meine Freude hält aber nicht all zu lang an, denn es läuft zunächst ein Beitrag über ein Konsolenspiel. Auch wenn der Fußballmuffel in mir Lust danach verspürt, kann ich nicht aufschreien, dass die WM daran schuld sei. Immerhin hat die Sendung schon immer bei Gelegenheit auf andere Entertainment-Themen geblickt. Daher sei den Machern dieser Zockerbeitrag gegönnt. Ändert aber nichts daran, dass das Magazin in den vergangenen Wochen nachgelassen hat. Nicht, dass alle Beiträge mager geraten sind, jedoch ist die Schlagzahl an gelungenen Clips ganz klar geringer geworden. Wie dem auch sei, ich will ja meinen kleinen TV-Versuch hier durchziehen, und daher bleibe ich weiter aufmerksam und warte geduldig, ob «No Turning Back» auch noch einen Beitrag spendiert bekommt. Er tut es tatsächlich, er ist sogar der Film der Woche. Brav so!

Ich bleibe auf den hinteren Programmplätzen, wechsle aber vom hohen Norden zu einem Sender aus dem Süden. Servus TV zeigt das wenig gesehene, aber immerhin für zwei Academy Awards nominierte Künstlerdrama «Pollock». Der meist miesepetrige Charaktere spielende Ed Harris spielt hierin einen verbitterten Maler der Moderne. Gerade flimmert eine Streitszene mit seiner Leinwandfrau Marcia Gay Harden als Lee Krasner über meine Mattscheibe, Harris' Rolle Jackson Pollock ist verzweifelt, verbissen und angetrunken. Intensives, glaubwürdiges Schauspiel schwappt mir entgegen und ich verspüre große Lust, das von Harris inszenierte Biopic endlich wieder komplett zu sehen. Dies bedeutet im Gegenzug, dass ich auch langsam wieder umschalten sollte, um nicht zu viel von meiner nächsten Sichtung vorwegzunehmen.

Zapp. Meine letzten fünf Minuten dieser neuen Stunde Fernsehwahnsinn verbringe ich mit den wirren Verschwörungen und Betrügereien im Thriller «Die Echelon Verschwörung» bei ProSieben. Mein Kopf schwirrt und ich bin allein durch diese fünf Minuten so geschlaucht, dass ich am liebsten ins Bett gehen würde. Dabei habe ich nur eine Stunde Zapping hinter mir, die einige nette Stationen umspannte …

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