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«Cop Out»: Wenn ein Rohrkrepierer gute Folgen hat

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«Cop Out» ist zweifelsohne der Tiefpunkt im Schaffen des Kultregisseurs Kevin Smith. Doch der steife Streifen mit einem unkooperativen Bruce Willis entwickelte sich trotzdem zu einem Segen für Smith …

«Cop Out» ist wahrlich kein Film, den man sehen muss. Selbst dann nicht, wenn er im frei empfangbaren Fernsehen vor sich hin flimmert. Als die pointenarme, hölzerne Actionkomödie mit Bruce Willis und Tracy Morgan in die Kinos entlassen wurde, fielen Publikums- wie auch Kritikerstimmen sehr mager aus. Regisseur Kevin Smith nahm dies jedoch nicht sonderlich gelassen. Tage-, ja sogar wochenlang zeterte er bei Twitter, Kritiker hätten kein Recht, diesen Film auseinanderzunehmen, er sei ein wichtiges Werk für ihn, Kritiker würden nicht verstehen, was er bedeutet, und so weiter. Wenig überraschend brachte Kevin Smith dadurch viele Kritiker und Filmblogger gegen sich auf – bei «Cop Out» gebe es ja nichts, was man nicht verstehen könnte. Er sei halt einfach eine schlecht gemachte, lustlos wirkende Komödie. Zudem herrschte Verwunderung über Smiths plötzliche „Meinen Film scheiße zu finden, ist bescheuert“-Haltung, macht er sich doch sonst immer über seine ebenfalls verrissene Romantikkomödie «Jersey Girl» lustig.

Kommt Zeit, kommt Rat. Seit dem Kinostart von «Cop Out» sind einige Jahre ins Land gezogen und Kevin Smiths Zorn auf Kritiker ist ebenso vergangen, wie der Shitstorm gegen Kevin Smith. Der Regisseur nimmt «Cop Out» in seinen Podcasts, in seiner Autobiografie und in Q&A-Sessions selber auseinander, lässt kaum ein gutes Haar an der Umsetzung und Bruce Willis' Darbietung. Ist Smith weiser geworden, sieht er mit dem nun gewonnenen Abstand endlich die Mängel von «Cop Out»? Jein. Er sah sie schon während der Dreharbeiten, was er sich damals nur nicht so sehr hat anmerken lassen. Neu ist, dass Smith sich nun in Sachen «Cop Out» etwas klarer ausdrückt.

In seiner Q&A-Runde "Burn in Hell" verrät er, wieso er dagegen ist, «Cop Out» als verzichtbares Machwerk abzutun, wieso dieser Flop so bedeutend ist: Durch seine Erfahrungen mit «Cop Out» sei ihm endlich bewusst geworden, welche Art Filmemacher er nicht ist. Obwohl er sich stets im Indie-Bereich und im Segment der semi-unabhängigen Produktionen herumtrieb, versuchte er immer wieder, bei den großen Filmen mitzumischen. Smith entwarf regelmäßig Konzepte für Superheldenfilme, nahm erwartungsvoll den Regieposten der Warner-Produktion «Cop Out» an und entwickelte sich schlicht zu einem kleinen Opportunisten. «Cop Out» habe ihn davon reingewaschen, weshalb er seither nur noch unabhängig finanzierte Projekte drehen will, hinter denen er mit vollem Herzblut steht.

Und: «Cop Out» vereinfachte Smith die Finanzierung seines Thrillers «Red State». Laut Smith sei nämlich ein großer Finanzier an ihn herangetreten und habe ihm mit folgenden Worten einen großen Teil des «Red State»-Budgets in die Hand gedrückt: „Ich habe noch nie einen deiner Filme gesehen, ich habe keine Ahnung, was du so machst. Aber ich hab vor 'ner Zeit deinen Namen auf einem riesigen Poster direkt neben Bruce Willis' Bild gesehen. Also musst du ja wohl was drauf haben!“

Kevin Smith trifft also insofern den den Nerv der Dinge, als dass man wohl falsch liegt, wenn man mutmaßt, es wäre besser gewesen, wäre «Cop Out» nie gedreht worden. Dennoch wird der Streifen dadurch nicht besser, wenn man ihn als alleinstehende Produktion betrachtet – diese Unterscheidung hat der Hockeyfan 2010 noch nicht gemacht. Da er jetzt aber wieder selbstkritischer denkt, sei an dieser Stelle aus Smiths wiedergewonnener Kritikfähigkeit Nutzen geschlagen und anhand seiner Ausführungen erläutert, weshalb «Cop Out» beim Anschauen so wenig vergnüglich ist.

Ähnlich wie die Charaktere, die Bruce meistens spielt, kann auch er selbst nicht sonderlich gut mit Autorität umgehen. Da man als Regisseur aber unweigerlich der Chef am Set ist, [...] nahm [ich] von Beginn der Dreharbeiten an die Rolle des Gefängniswärters ein, der ihn dazu zwang, zu unzumutbaren Tageszeiten zu arbeiten und alberne Witze aufzusagen, die er entweder nicht verstand oder nicht lustig fand.
Kevin Smith über die Zusammenarbeit mit Bruce Willis
So agiert Bruce Willis in diesem an 80er-Buddy-Cop-Komödien angelehnten Film unsagbar lustlos, was offenbar daran liegt, dass er Kevin Smith als Regisseur „kaum ertragen konnte“. Laut Smith fing Willis beim Dreh von Dialogszenen mehrmals an, zu improvisieren, ehe das niedergeschriebene Material völlig im Kasten war. Als dann sein Co-Hauptdarsteller Tracy Morgan auf diese Improvisationen einging, schlug Willis laut Smith aber „genau den entgegengesetzten Weg ein und stellte sich quer“, weshalb wichtige Dialogszenen oft nur in einer mager gespielten Variante zustande kamen oder komplett fehlten. Manche Dialogszenen zwischen Willis und Morgan wiederum wurden behelfsmäßig in Monologe für Letzteren umgeschrieben werden, weil sich der «Stirb langsam»-Star an manchen Tagen komplett weigerte, Text zu übernehmen. Smiths Einwände seien daraufhin nur ignoriert worden: „[Er] nickte meinen Input ab, sagte 'Einverstanden' und machte beim nächsten Take trotzdem alles noch mal genauso.“

Willis' Gehabe, so ist es jedenfalls in Smiths Autobiografie «Tough Sh*t» nachzulesen, sorgte schlussendlich für einige Produktionsverzögerungen und selbstredend auch für eine gesunkene Moral am Set. Nimmt man die zahlreichen Notlösungen hinzu, die es brauchte um das schwache Material der Drehtage im Schnitt wieder in die eigentlich geplante Form zu bringen, erklärt es sich fast von selbst, weshalb «Cop Out» jeglicher Schwung fehlt und zahlreiche Pointen ins Leere laufen.

So sehr «Cop Out» aber ein mieser Film sein mag, so ist er immerhin ein nicht unbedeutender Film. Zunächst plante der Autorenfilmer, dessen Karriere mit dem Indie-Geheimtipp «Clerks» begann, aufgrund der miesen Erfahrungen am Set, als Regisseur in Rente zu gehen. Allein das Hockeydrama «Hit Somebody» sollte folgen – dann bot sich aber durch den obig genannten Poster-Vorfall die Gelegenheit, «Red State» zu verwirklichen, ein von Smith länger gehegtes Wunschprojekt. Dessen Produktion (und positive Publikumsreaktion) wiederum weckte wieder Smiths Energiereserven: «Hit Somebody» wurde auf die lange Bank geschoben. Stattdessen kündigte der Silent-Bob-Darsteller «Clerks 3» und den skurrilen Horrorfilm «Tusk» an, eine Story über einen Mann, der von seinem Vermieter in ein Walrosskostüm eingenäht wird.

Während «Clerks 3» bislang nur in Drehbuchform existiert, ist «Tusk» bereits abgedreht – und wie es scheint, leckte Smith am Set Blut und will sich weiter im schaurigen Genre austoben. So hat er einerseits mit «Helena Handbag» einen absurden Apokalypsefilm in der Mache, der davon handelt, dass sich die Menschheit gegen Jesus wehrt, der zur Erde herabstieg, um den Weltuntergang zu bringen. Außerdem ist mit «Anti-Claus» ein Horrorepisodenfilm über deutsche und österreichische Weihnachtssagen geplant, aus denen Smith alles Schauerpotential melken möchte.

Für Smith-Komplettisten lohnt sich das Einschalten also womöglich doch. Einfach aus morbider Faszination dafür, welche Katastrophe die Karriere des «Dogma»-Schaffenden in eine neue Richtung manövrierte.

«Cop Out» ist am 28. Juni um 22.05 Uhr bei RTL zu sehen.

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