Pro von Sidney Schering
Die deutsche Showlandschaft kann sich allein mit Neuentwicklungen nach vorne bewegen. Das sollte sich wohl von selbst erklären. Ebenso dürfte es außer Frage stehen, dass Abwechslung ein Muss ist. Als jeder Sender gefühlt zwei Dutzend Quizshows auf den Markt schmiss, krachte das Kartenhaus ebenso zusammen wie Jahre später ein Übermaß an Musikcastings dem Genre seinen Reiz raubte. Aktuell befindet sich die deutsche Unterhaltungsshow in einem Niemandsland, kein Subgenre drängt sich mit besonderer Macht auf. Der perfekte Zeitpunkt, um zahlreiche neue Ideen über den Äther zu schicken und zu schauen, was davon beim Publikum ankommt. Auf dem Papier klingt zwar nicht alles, was ProSieben und Sat.1 für die kommenden Monate angekündigt haben, auf Anhieb ansprechend – doch wenigstens wird nicht zum x-ten Mal der Castingwahn aufgewärmt. Ja, ich kann mir «Mein bester Feind» nur schwer als abendfüllende Show vorstellen, aber wenigstens probiert Florida TV etwas aus. Im besten Fall überrascht die Sendung, im schlimmsten Fall geht sie mit wehenden Fahnen unter und ProSieben muss sich erneut nach frischem Material umschauen.
Dennoch wird die Showoffensive mit Sicherheit ein paar lohnenswerte Konzepte etablieren. Mit der Verleihung des «Goldenen Umberto» als eigenständige Show hat ProSieben etwa die Chance, eine verrückte Award-Persiflage auszustrahlen. Und was auch immer Stefan Raab wieder ausheckt, es ist unvorstellbar, dass nach Showstart nicht viel darüber diskutiert wird. «Himmel oder Hölle» wiederum klingt nach einer zeitgemäßen Wiederbelebung der 90er-Quiz- und -Spielshow. Da kann ich einfach nicht Trübsal blasen. Also: Nur her mit der frischen Flut an neuen Shows!
Contra von Manuel Nunez Sanchez
Acht Jahre ist der vielleicht letzte große Show-Coup her, den das deutsche Fernsehen erlebt hat: Im September 2006 ging mit «Schlag den Raab» ein Format auf Sendung, das in Sachen Spannung und Dramatik locker mit großen Sportveranstaltungen mithalten kann und sich - zumindest beim jüngeren Publikum - als Event hat etablieren können. Seither versuchte sich die ProSiebenSat.1-Gruppe an diversen Show-Formaten, die jedoch von «The Voice of Germany» abgesehen nur selten nachhaltig Eindruck hinterließen und oftmals schneller wieder abgesetzt wurden, als Elton "Millionärswahl" sagen kann. Insofern ist auch bei der neuesten Show-Offensive eine gewisse Skepsis angebracht, zumal mit «Deal or no Deal» und «Die perfekte Minute» gleich zwei Formate neu aufgelegt werden, die zuletzt nur noch wenig Zugkraft besaßen. Das nun künstlich zur großen Show aufgeblasene «Mein bester Feind» zeigte bereits bei «Circus HalliGalli» zuletzt latente Abnutzungserscheinungen und «Promi Big Brother» war in seiner ersten Staffel nach einem starken Auftakt weder inhaltlich noch ökonomisch wirklich erfolgreich.
Gleichwohl gibt es auch einige Lichtblicke im neuen Aufgebot von Sat.1 und ProSieben: Mit «Himmel oder Hölle» hat Jochen Schropp ein unter Umständen ambitioniertes Projekt bekommen, bei dem der zuletzt bei VOX nur noch spärlich eingesetzte Moderator unter Beweis stellen kann, dass er mehr als nur ein Talent ist. Noch spannender - und vor allem wichtiger für das chronisch schwache Sat.1 - kann «Utopia» werden. Doch in beiden Fällen besteht auch die große Gefahr, erneut eine krachende Bruchlandung hinzulegen und am Ende der Saison erneut nur die alten Hits aufzählen zu können. Es fällt gerade angesichts der jüngeren Vergangenheit deshalb schwer, an eine blühende Show-Landschaft glauben zu können, zumal uns in Bälde mit «Wetten, dass..?» der wohl letzte Gigant der Branche verlässt.