Der erste Trailer zur Romanadaption «50 Shades of Grey» sorgt bereits für hitzige Diskussionen unter Filmfreunden sowie unter Kennern der Buchvorlage. Diese Debatten drehen sich nicht allein um den Look des Films, auf den der Trailer einen Einblick gibt, sondern selbstredend auch um den Umgang mit der Thematik dieser Hollywood-Produktion. Verspricht der Trailer eine Verfilmung, die zu hart ist? Eine, die nicht hart genug ist? Geht es bei «50 Shades of Grey» überhaupt um die grafischen Details oder mehr um die Grundstimmung?
«50 Shades of Grey» ist aber bloß der jüngste Film in einer schier unübersichtlichen Liste von Produktionen, die aufgrund von sexuellen Elementen für Aufsehen sorgten. 50 davon werden diese und kommende Woche in chronologischer Reihenfolge vorgestellt. Sei es als Sehempfehlung, sei es Lektion darin, wie sich die gesellschaftlichen Normen verschieben können …
1896: Im 47-sekündigen Film «Der Kuss» geben sich die Theaterschauspieler May Irwin und John C. Rice einen Kuss auf den Mund. Es ist die erste Kussszene der erst wenige Monate alten Filmkunst und ein Ausschnitt aus der Schlussszene eines damals sehr populären Theaterstücks. Die katholische Kirche beschimpft diesen Film als widerlich und fordert zudem, Zensurbehörden für diese junge Kunstform einzuführen.
1913: Mit 88 Minuten Laufzeit wird «Seelenhändler» der erste abendfüllende US-Film, der Sex thematisiert. Und dies ohne größere Zurückhaltung: Dieses sich als Dokumentation ausgebende Melodrama handelt von einer jungen Frau, die von einem Bordellbetreiber entführt und in die Prostitution gedrängt wird. Ihre Schwester macht sich gemeinsam mit einem Polizisten auf, sie zu retten. Auch ohne Sex- oder Nacktszenen wird der Kassenschlager zum Skandal, weil sich zahlreiche Moralhüter daran stoßen, dass «Seelenhändler» darauf hinweist, dass mit weißen Frauen Menschenhandel getrieben wird. Die großen US-Studios beschließen daraufhin, dieses Thema zu tabuisieren.
1915: Hollywood-Mogul Cecil B. DeMille erzählt im Eifersuchtsdrama «The Cheat» von einer verschwenderischen Ehefrau, die sich an einen chinesischen Geschäftsmann verkauft, um ihre Schulden zu begleichen. Zwar ändert sie ihre Meinung, doch dafür verletzt der Chinese sie mit einem Brenneisen. Der Film wird nicht nur wegen der sexuell aufgeladenen Gewalt und der Idee, eine Frau könnte für Geld ihrem Mann fremdgehen, kritisiert, sondern auch für seine rassistischen Untertöne.
1919: Kurz nach Aufhebung der staatlichen Film- und Theaterzensur durch den Rat der Volksbeauftragten bringt der deutsche Regisseur Richard Oswald mit «Anders als die Andern» den ersten Film in die Kinos, der offen Homosexualität behandelt. Das zentrale Männerpaar wird in positivem Licht gezeichnet, die gegen Homosexuelle gerichteten Gesetze werden angeklagt. Der Film löst eine Kultur- und Sittendebatte aus, 1920 führen die Konservativen die Zensur wieder ein und setzen «Anders als die Andern» auf den Index.
1922: Fred Niblos «Blut und Sand» handelt von einem Matador, der seine Gattin mit einer reichen Witwe hintergeht. Das Liebesspiel zwischen ihnen wird aufgrund von „sadomasochistischen Zwischentönen“ (die Witwe beißt dem Matador in einer Szene in die Hand) zum Skandal.
1924: Die deutsche Romanverfilmung «Michael» über einen Maler, der sich zu einem seiner männlichen Modelle hingezogen fühlt, umgeht die Zensurbestimmungen, indem er die Beziehung zwischen beiden Männern als unangebracht enge Freundschaft zeichnet und den Zuschauer die Lücken füllen lässt. Kritiker sind erbost ob der homoerotischen Texttafeln, die dem Schauspiel in diesem Stummfilm unrecht tun würden.
1927: Der Kriegsfilm «Wings» wird zum ersten Kinofilm, der zeigt, wie zwei Männer sich auf die Lippen küssen. Da zwei Armeekameraden sich in einer Sterbeszene einen brüderlichen Kuss geben, verschont die Zensur diese Szene. Darüber hinaus wird «Wings» zum damals am weitesten verbreiteten Kinofilm, in der es eine Oben-ohne-Szene zu sehen gibt. Die heutzutage gern als prüde verschriene Academy of Motion Picture Arts & Sciences gibt «Wings» den ersten Oscar in der Kategorie „Bester Film“.
1928: Der Musikfilm «Our Dancing Daughters» sorgt für Aufruhr, weil er andeutet, dass viele junge Frauen im Anschluss an ihre Besuche in Tanzpalästen vorehelichen Sex haben.
1930: Der Oscar-prämierte MGM-Tonfilm «Die Frau für alle» handelt von einer Frau, die ihren Mann dabei erwischt, wie er mit seiner Exfreundin flirtet, und ihm daher ebenfalls fremdgeht. 1934 wird der Film in den USA auf den Index gesetzt. Grund: Er zeigt eine Ehebrecherin, die am Ende ihre Sünden nicht mit dem Tod bezahlt.
1931: Der deutsche Kinofilm «Mädchen in Uniform» zeigt lesbische Küsse und behandelt eine unglückliche Liebesbeziehung zwischen zwei Frauen. Die US-Fassung wird um die essentielle Kussszene erleichtert.