Murdoch will Herrscher der Inhalte werden
Am wahrscheinlichsten bleibt eine Übernahme durch Rupert Murdoch, der genau die Intention hat: zum Herrscher der Inhalte zu werden und mehr Macht über die Vertriebskanäle zu gewinnen. Er könnte größere Deals mit den jungen Video-on-Demand-Anbietern schließen oder diese verweigern. Er hätte mehr Verhandlungsspielräume mit Kabelanbietern, die Murdochs Sendern Entgelte für jeden Abonnenten zahlen. Diese Entgelte sind Gegenstand ständiger Verhandlungen, Murdoch könnte bald den Preis hochtreiben: Will ein Anbieter für FOX News nicht mehr als bisher zahlen, droht Murdoch dann beispielsweise damit, HBO, TNT oder CNN auszuspeisen – alles gewichtige Senderargumente, die derzeit zu Time Warner gehören.
Murdoch wird das Übernahmeangebot von 80 Milliarden Dollar noch einmal deutlich aufstocken, um sein Ziel zu erreichen. Die Vorbereitungen dazu trifft er in diesen Tagen: Der 83-Jährige hat veranlasst, dass der von ihm kontrollierte britische Pay-TV-Konzern BSkyB die Anteile des italienischen und deutschen Sky kauft. Da 21st Century Fox direkt knapp 60 Prozent der Anteile an Sky Deutschland und 100 Prozent an Sky Italia hält, würden durch den Verkauf an BSkyB einige Milliarden Euro in den Mutterkonzern fließen – von der rechten in die linke Tasche.
Murdoch gegenüber steht Jeff Bewkes, Chef von Time Warner – und jemand, der sein Können mehrfach unter Beweis gestellt hat. Er war es, der HBO von 1995 bis 2002 zum Pay-TV-Giganten machte und damit den Grundstein legte für den nun profitabelsten Geschäftsbereich von Time Warner. Beim Mutterkonzern fing er 2008 als CEO an, in einer Zeit, als der Aktienkurs fiel und die Gewinne einbrachen. Bewkes‘ Vorgänger scheiterte an der Neustrukturierung des Konzern, Bewkes selbst verschlankte ihn radikal: Er verkaufte AOL, später den Kabelgiganten Time Warner Cable und in diesem Jahr die Print-Sparte Time Inc. Das Musiklabel Warner Music Group war schon 2004 veräußert worden. Mittlerweile besteht der Konzern noch aus drei Geschäftsbereichen, die allesamt im Film- und Fernsehgeschäft verortet sind: HBO, die Sendergruppe Turner Broadcasting mit dem Nachrichtensender CNN sowie der Inhalte-Produzent Warner Bros. mit seinen Kinofilmen und der TV-Abteilung.
Ganz anders entwickelte sich 21st Century Fox: Rupert Murdoch allein schuf das Medienimperium, über das er immer die volle Kontrolle hatte. Für das Network FOX machte er sich zum amerikanischen Staatsbürger, zuletzt schloss er wegen eines Abhörskandals seine auflagenstärkste Zeitung und gliederte die gesamte Print-Sparte in ein neues Unternehmen aus. Murdoch weiß genau, wie er aus jeder Niederlage einen Sieg macht und er weiß, wie er seine Macht geschickt ausbaut. Beim aktuellen Übernahmeangebot war er zu keinem Kompromiss bereit: Time Warner hätte als Unternehmessparte lediglich Aktien erhalten, die nicht stimmberechtigt sind. Murdoch behielte so die komplette Kontrolle.
Möglicherweise muss er hier Zugeständnisse machen, zum Beispiel durch eine Fusion, mit der er Macht an hochrangige Warner-Bosse abgibt. Auch kartellrechtliche Bedenken gibt es: Durch die Integration von Warner-Newskanälen wie CNN würde eine neue Informationsmacht entstehen; und gerade die Meinungsmanipulation seines republikanischen Senders FOX News lässt größere Bedenken aufkommen. Murdoch hat schon angedeutet, zu einem Verkauf von CNN bereit zu sein, sollte eine Übernahme daran scheitern. Dass er jedoch nicht immer seine Versprechen einhält, zeigte er beim Ver- und späteren Rückkauf der „New York Post“.
Es wird eine spannende Entscheidung: Wem wird Time Warner gehören? Dem großen alten Medienmogul Rupert Murdoch oder einem Internetgiganten, der seine Macht auf klassischere Geschäftsbereiche ausweiten will? Vielleicht sogar Disney oder einem Kabelkonzern? Bleibt Time Warner am Ende gar unabhängig? Zumindest letzteres ist in den vergangenen Wochen unwahrscheinlich geworden. Für die Endkunden, uns Zuschauer und Abonnenten, bedeutet eine Übernahme nicht unbedingt etwas Gutes: Der Markt der Medienriesen schrumpft, und damit auch der Konkurrenzkampf.