Inspiriert von der Kontroverse um den «50 Shades of Grey»-Trailer unternehmen wir eine Zeitreise und betrachten 50 andere Filme, die der Kinogeschichte ihren sexuell aufgeladenen Stempel aufdrückten. Teil I dieser Liste findet sich hier.
1962: Mit Ursula Andress in knappem Bikini und Bonds spitzzüngigen Doppeldeutigkeiten bringt «James Bond jagt Dr. No» das massentaugliche Actiongenre in eine neue Ära – die Ära der stark sexualisierten Frauenrolle. Der Vatikan bezieht Stellung zum Film und nennt ihn in wegen seiner Verherrlichung von Sex abscheulich.
1964: Billy Wilders Komödie «Küss mich, Dummkopf» gewinnt zwar internationale Preise, in den USA aber wird sie von der Kritik wegen ihres anzüglichen Witzes und ihrer fremdgehenden (also „amoralischen“) Hauptfiguren verrissen. Die Catholic Legion of Decency spricht eine öffentliche und harsche Verachtung des Films aus.
1965: Exploitationregisseur Russ Meyer gelingt es, den brutalen Schwarzweiß-Film «Die Satansweiber von Tittfield» auch ohne Nacktszenen zum Skandal zu machen. Lesbische Untertöne, die Thematik sich auflehnender Frauen einerseits und die geifernde Inszenierung derer Körper andererseits bringen viele Kritiker und Kirchenvertreter gegen die Produktion auf. Der legendäre Kritiker Roger Ebert dagegen feiert «Die Satansweiber von Tittfield» als bizarr-ikonischen Genreverteter.
1966: Der italienische Regisseur Michelangelo Antonioni liefert mit «Blow Up» seine erste englischsprachige Arbeit ab und kommentiert darin das Lebensgefühl der 60er-Jahre-Subkulturen und verbindet dies mit einer komplexen Kriminalfilmhandlung. Aufgrund exzessiver Nacktszenen und unverblümter Dialoge über sexuelle Lust und sexuellen Frust erhält der Film in den USA keine Jugendfreigabe. Die Produktion gewinnt den Großen Preis bei den Filmfestspielen in Cannes, bekommt zwei Oscar-Nominierungen und wird von der Bundeszentrale für politische Bildung in den Filmkanon aufgenommen.
1967: Mike Nichol erschafft mit «Die Reifeprüfung» einen der einflussreichsten Coming-of-Age-Filme aller Zeiten. Das gesellschaftskritische, satirisch angehauchte Drama über einen Collegeabsolventen, der eine sexuelle Beziehung mit einer älteren Frau anfängt, erhält zahlreiches Kritikerlob und mehrere Oscar-Nominierungen. Dieses Mal sind es primär europäische Journalisten, die ihm ob seiner verruchten Aura zweifelnd gegenüberstehen.
1969: Das US-Drama «Asphalt-Cowboy» über einen naiven Texaner, der in New York sein Glück versucht und letztlich als bisexueller Gigolo arbeitet, bekommt in den USA die höchstmögliche Altersfreigabe, die zu dieser Zeit hauptsächlich für Pornofilme reserviert ist. Bei den Academy Awards räumt die Regiearbeit von John Schlesinger drei Oscars ab (darunter für den besten Film) und wird für vier weitere der Goldjungs nominiert. Wenige Jahre später stuft die US-Freigabenbehörde «Asphalt-Cowboy» ohne jegliche Zensuren auf die zweithöchste Altersfreigabe runter. US-Kritiker und auch internationale Journalisten feiern den Film als bahnbrechend.
1970: Russ Meyer setzt mit der freizügigen, actionreichen und selbstironischen Farce «Blumen ohne Duft» seinen Kultfilm «Die Satansweiber von Tittfield» fort. Weltweit spielt das überdrehte Sexmusical das Vierzigfache seines Budgets ein. Das Drehbuch stammt von Roger Ebert.
1972: Der knapp über eine Stunde dauernde Porno «Deep Throat» bringt dem Mainstream eine ihm bis dahin unbekannte Sexualpraktik nahe und wird in den Staaten einer der meistgesehenen Filme aller Zeiten. Der von den US-Staatsanwaltschaften kritisch beäugte Film holt die Pornographie für eine kurze Phase in die Multiplexkinos und löst in den USA ein Strohfeuer an gesellschaftlicher Akzeptanz von Hardcorefilmen aus.
1973: Der 1970 durch den Erfolg von «Schulmädchenreport» ausgelöste Boom an Softerotik-Aufklärungsfilmen nähert sich in Deutschland einem Wendepunkt, während sich in den im Vergleich stets als prüde betrachteten USA der „porn chic“ weiter ausdehnt. Das Luststück «Liebesgrüße aus der Lederhose» gehört zu den erfolgreichsten Filmen des Jahres und macht dem hiesigen Publikum Lust auf klamaukigen Erotikstoff.
1979 Die US-amerikanisch-italienische Gemeinschaftsproduktion «Caligula» blickt ohne jegliche Tabus auf den Aufstieg und Fall des berüchtigten römischen Imperators Caligula. Obwohl auch die Vision des Regisseurs bereits sehr brisant war, wurde das Projekt durch den Einfluss des Produzenten Bob Guccione (Herausgeber des „Penthouse“-Magazins) noch verruchter: Er ließ pornographische Szenen in das Epos mit Malcolm McDowell, Teresa Ann Savoy, Helen Mirren, Peter O'Toole und John Gielgud einarbeiten. Bis heute gilt «Caligula» als einer der skandalösesten Filme aller Zeiten und aufgrund seiner exzentrischen Mischung aus Sex und Gewalt (verbunden mit einer absurden Narrative) auch als einer der schlechtesten. Oder als einer der denkwürdigsten – es herrscht nämlich auch ein großer Kult um «Caligula».
1980: Das Erotikdrama «Die blaue Lagune» mit Brooke Shields und Christopher Atkins erobert die internationalen Kinos, wird von Kritikern aber als schwachsinnig verrissen. Zudem hinterfragt die Presse die Existenzberechtigung der Produktion, die als Sexfantasie (trotz vereinzelter kurzer Nacktszenen) zu züchtig sei, als Drama aber zu niveaulos. Dessen ungeachtet erhält Kameramann Néstor Almendros eine Oscar-Nominierung.
1982: Die US-Teeniekomödie «Porky's» wird in ihrem Heimatland zu einem großen kommerziellen Erfolg. Gleichwohl werfen Kritiker dem Film eine fragliche Moral vor, da er seine Hauptfigur zeigt, wie er jungen Frauen heimlich beim Duschen zuschaut.
1984: Die Komödie «Triple Trouble» nimmt den Hollywoodzirkus genussvoll auf den Arm und erzählt davon, wie eine Jungschauspielerin ihre karrieresüchtigen Eltern verklagt. In einer viel diskutierten Szene sieht man einen notgeilen Regisseur, wie er die blanken Brüste einer Newcomerin (Sharon Stone) begafft. Daraufhin beschwert sich ein Filmproduzent (gespielt von Sam Wanamaker), dass nackte Brüste in einem Film automatisch bedeuten würden, dass dieser ein R-Rating erhält (die zweithöchste US-Jugendfreigabe). Die Freigabenbehörde MPAA gibt dem Film ein PG-Rating (die zweitniedrigste US-Jugendfreigabe), mit der Begründung, dass der Film eigentlich sogar für alle Zuschauer freigegeben werden könnte – doch aufgrund des blanken Busens müsse er automatisch ein PG erhalten.
1986: David Lynchs surrealistischer Thriller «Blue Velvet» behandelt ödipale Tendenzen, Sadismus und Bondage. Kritiker in den USA und Europa nehmen den traumartigen Trip euphorisch auf, eine laute Minderheit bemängelt ihn aber als misogyn. Eine Skandalisierung der BDSM-Aspekte des Films bleibt aus.
1986: Das Softcore-Drama «9 ½ Wochen» mit Kim Basinger und Mickey Rourke spaltet das Publikum in jene, die ihn lächerlich finden und jene, die ihn als prickelnd auffassen. Einige der Szenen, vor allem die erotischen Spielereien mit Lebensmitteln, gehen in die Popkultur ein.
1990: Der spanische Autorenfilmer Pedro Almodóvar dreht mit «Fessle mich» eine schwarzhumorige Romantikkomödie. Diese löst eine Kontroverse darüber aus, ob Bondage frauenverachtend sei und Almodóvar dies verherrliche. Der Regisseur nimmt zu der Debatte Stellung und befindet, er habe keinen Film über Sadomasochimus gedreht, sondern einen über kühl erarbeitete Liebe. In den USA wird der Film, unter anderem aufgrund einer angedeuteten Masturbationssequenz, von der MPAA als Hardcorepornographie eingestuft. Der Kinoverleih Miramax Films verklagt die Freigabebehörde und tritt eine öffentliche Debatte über Zensur und Sexualität los. In Deutschland zeigt sich die Kritik derweil größtenteils ratlos und beschreibt die Produktion als unzugänglich.
1992: Der Thriller «Basic Instinct», der einige sinnliche Sexszenen beinhaltet, erringt weltweiten Ruhm, weil für einen Sekundenbruchteil die Vulva der Hauptdarstellerin Sharon Stone zu sehen ist. Kritiker verreißen das reaktionäre Weltbild des Skripts, deutsche Boulevardzeitungen stempeln Paul Verhoevens Regiearbeit als den schmutzigsten Film aller Zeiten ab.
1995: «Kids» begeistert Kritiker mit seinen mutigen Aussagen über Liebe in Zeiten von HIV. Außerdem schockiert der Film US-Moralhüter mit harten Sexsequenzen und offenen Dialogwechseln über Homosexualität und AIDS. Auch in Deutschland wird das Projekt entweder als unzumutbar verrissen oder als aussagekräftig bejubelt.
1998: Völlig ohne nackte Haut wird die zentrale Sexszene in «Out of Sight» zwischen George Clooney und Jennifer Lopez zu einer der am meisten diskutierten Filmsequenzen des Jahres. Soderberghs Krimikomödie wird bald darauf von mehreren Fachmagazinen zu einem der sinnlichsten Filme aller Zeiten gewählt.
2003: Vincent Gallos US-amerikanisch-japanisch-französischer Independent-Essayfilm «The Brown Bunny» zeigt eine explizite, nicht simulierte Fellatiosequenz zwischen Gallo und Schauspielerin Chloë Sevigny. Zahlreiche Kritiker verlassen bei den Filmfestspielen in Cannes während der Vorführung aufgrund dieser Szene den Saal. Bis heute nennen viele Filmhistoriker «The Brown Bunny» das Paradebeispiel für selbstverliebten Kino-Avantgardismus mit unnötigem, explizitem Sex.
2004: Die Puppenkomödie «Team America: World Police» muss in den USA um 40 Sekunden gekürzt werden, weil der MPAA die Sexszene zwischen zwei (keine Geschlechtsteile aufweisenden) Marionetten zu ausführlich ist.
2006: Kunstfilmer John Cameron Mitchell lehnt sich dagegen auf, dass „expliziter Sex den Pornos vorbehalten ist“ und dreht mit dem Drama «Shortbus» einen Coming-of-Age-Film voller unerotischer Szenen, die aber explizit sind. Kritiker reagieren aufgrund der intensiven schauspielerischen Leistungen weitestgehend positiv.
2008: Die Beziehungskomödie «Nie wieder Sex mit der Ex» sorgt für Aufsehen und harsche Kritik, weil in zwei rein humorig gemeinten Szenen Jason Segels Penis zu sehen ist.
2009: Die rabenschwarze Komödie «Shopping-Center-King» mit Seth Rogen reißt in einer kurzen Szene an, wie der nicht sonderlich intelligente Protagonist nach einer durchzechten Nacht Sex mit seiner Traumfrau Sex hat. Diese schläft während des Akts ein, was Rogens Figur bemerkt. Als Rogens Gegenüber dann aufwacht und meint, er solle keinesfalls aufhören, setzt der durchgehend als fragwürdig skizzierte Held des Films den Geschlechtsakt fort. Zahlreiche Kinogänger kritisieren den Film als Verherrlichung von so genanntem „Date Rape“.
2013: Die Comicadaption «Blau ist eine warme Farbe» wird in den Medien lautstark behandelt. Auslöser ist eine über zehn Minuten andauernde (simulierte) lesbische Sexszene, die ebenso viel Lob für ihre Aussagekraft und niveauvolle Umsetzung erhält, wie sie als unnötig, peinlich und geschmacklos beschimpft wird.