Filmfacts «Lucy»
- Kinostart: 14. August 2014
- Genre: Science-Fiction/Action
- FSK: 12
- Laufzeit: 88 Min.
- Kamera: Thierry Arbogast
- Musik: Eric Serra
- Buch und Regie: Luc Besson
- Darsteller: Scarlett Johansson, Morgan Freeman, Min-sik Choi, Amr Waked, Julian Rhind-Tutt
- OT: Lucy (USA 2014)
Durch unglückliche Umstände landet die junge Lucy (Scarlett Johansson) in den Fängen einer gefährlichen Untergrundorganisation. Ohne genau zu wissen, wie sie in diese missliche Lage geraten konnte, wird sie schon bald mit ihrer Aufgabe konfrontiert: Sie soll eine geheimnisvolle Droge in ihrem Körper transportieren und mit vier weiteren Kurieren an ihre Kunden ausliefern. Doch das Schicksal ist Lucy nicht hold: Während einer brutalen Auseinandersetzung mit einem Unbekannten platzt das Päckchen mit den blauen Kristallen auf und setzt in ihr einen Stoff frei, der die zierliche Lady in eine kompromisslose Killermaschine verwandelt. Je mehr Drogen in Lucys Blutbahn geraten, desto höher wird ihre mentale Leistungsfähigkeit, die es ihr erlaubt, immer neue, bisher unergründete Areale ihres Gehirns freizuschalten. Schon bald kann Lucy die Elemente kontrollieren und das Magnetfeld für ihre Zwecke nutzen. Doch diese atemberaubenden Fähigkeiten haben auch ihre Nachteile…
Mit einem Budget von gerade einmal 40 Millionen US-Dollar gehört «Lucy» in diesem Sommer zu den günstigeren Vertretern seines Genres. Dies mag möglicherweise auch auf die für Blockbusterverhältnisse äußerst kurz geratene Laufzeit zurückzuführen zu sein: Besson erhebt für seinen Synapsenknaller nicht einmal eineinhalb Stunden. Doch auch innerhalb von rund 80 Minuten kann sich auf der Leinwand allerhand abspielen. Nach kurzer Einführungsphase, die es Scarlett Johansson kaum ermöglicht, ihrer Figur in irgendeiner Form Tiefe zu verleihen, stößt der Regisseur Protagonistin sowie Publikum mitten hinein in die wahrlich abstruse Handlung. Dabei umgeht Besson kein Klischee: Seine Ganoven haben schmierige Haare, tragen Sonnenbrillen und sprechen auch in der Originalfassung nicht annähernd akzentfrei. Die wasserstoffblondierte Lucy agiert anfangs in billigem Pelz-Imitat, was zur groben Einordnung als Kaugummi kauendes, wenig gescheit daherkommendes Klischee-Püppchen ausreichen sollte. Durch die zu Beginn fehlenden Emotionen mangelt es «Lucy» jedoch rasch an dramatischer Fallhöhe; ist die Actionheldin nämlich erst einmal in den Genuss der blauperligen Droge gekommen, nehmen Lucys mentale Fähigkeiten zwar zu, ihre menschlichen Gefühlsregungen kommen ihr jedoch eigenen Angaben zufolge nach und nach abhanden. So bleibt der Zuschauer von Beginn an nur Betrachter. Ohne persönliche Berührungspunkte wird es somit schnell unmöglich, eine direkte Bindung zum Geschehen aufzubauen.
Im Rahmen der unter logischen Gesichtspunkten betrachtet hanebüchenen Story gehört die Aufmerksamkeit jedoch nie dem menschlichen Drama. Bessons Actionreißer gibt zwar vor, mit wissenschaftlich korrekten Fakten zu hantieren, dabei ist schon die im Filmauftakt getätigte Aussage, der Mensch benutze lediglich zehn Prozent seines Gehirns, Humbug. Lassen wir diese falsche Tatsache zu Gunsten der High-Concept-Prämisse einmal außer Acht, spielt Besson, der auch das Drehbuch schrieb, seine falschen Fakten geschickt aus und setzt sie so zusammen, dass die immer surrealer werdenden Fähigkeiten Johanssons in ihrer technischen Aufbereitung atemberaubend anzusehen sind. Dabei lässt Luc Besson zwar auch die plotinterne Logik immer wieder einmal außer Acht – wieso etwa Lucy dank ihres Superhirns plötzlich chinesische Schriftzeichen lesen kann, aber nach wie vor auf ihre Muttersprache angewiesen ist, bleibt ein Rätsel – doch dem Spaß am überbordenden Bombastkino tut dies noch lange keinen Abbruch.
Mit inszenatorischer Raffinesse und einem Spürsinn für visuelle Spielereien treiben Besson sowie sein Genre-erprobter Stamm-Kameramann Thierry Arbogast («Das fünfte Element») den Puls des Publikums ordentlich in die Höhe. So wird regelmäßig eingeblendet, auf wie viel Prozent Gehirnleistung Lucy mittlerweile zurückgreifen kann, übersichtliches CGI, wie etwa das von sich von Scarlett Johansson ablösender Haut, integriert sich zurückhaltend aber effektvoll in die Szenerie und an den richtigen Stellen lockert Wortwitz die stets angespannte Atmosphäre auf. Dabei gelingt den Machern mit der Verpflichtung von Morgan Freeman als renommierter Wissenschaftler auf dem Gebiet der Gehirnforschung ein interner Schenkelklopfer; hatte dieser doch vor einigen Monaten im äußerst ähnlich gelagerten, an der Kinokasse jedoch gescheiterten Regie-Debüt von Wally Pfister, «Transcendence», eine nahezu identische Rolle übernommen. Auch in «Lucy» fungiert Freeman einmal mehr als moralisch forcierter Stichwortgeber und untermalt den Streifen zudem immer wieder mit vermeintlich wissenschaftlichen Erkenntnissen. Im Zusammenhang mit der ansonsten wenig um Realität bemühten Story und die auf Effekt spezialisierte Technikebene wirkt dieser Kniff allerdings eher unfreiwillig komisch und erweist sich selten als reelle Bereicherung, geschweige denn informative Wissensquelle.
Unter dem hypermodernen Technosound von Eric Serra («Adèle und das Geheimnis des Pharaos») kämpft sich Scarlett Johansson, die ihre stoische Heldinnenfigur auf das Vortrefflichste auszufüllen weiß, durch unübersichtliche Großstadtkulissen. Dabei gelingt es Luc Besson nicht immer, die moderne Action mit dem vermutlich angestrebten Kommentar auf die Gefahren der weltweiten Vernetzung zu verbinden. Während sich «Lucy» über den Großteil der Laufzeit wie eine noch modernere Version des Bradley-Cooper-Thrillers «Ohne Limit» anfühlt, mengt Besson seinem Adrenalinpeitscher alsbald gesellschaftskritische Töne bei. Der große Showdown scheint von beiden Herangehensweisen schließlich überfordert und liefert dem Betrachter ein unausgegorenes und um keinerlei Plotholes verlegenes CGI-Spektakel, das zwar interessant anzusehen ist, sich von den Geschehnissen der vergangenen 70 Minuten jedoch vollständig abgrenzt. So erweist sich die ungenaue Inszenierung schlussendlich gar als förderlich: Wo keine innere Logik aufgebaut wird, braucht man sie auch nicht wahren.
Fazit: Mit Scarlett Johansson tut Luc Besson seinem Publikum einen großen Gefallen. Während die 29-jährige Schauspielerin die Aufmerksamkeit von den Logiklöchern und der wackeligen Ausgangslage immer wieder auf sich und ihre sehenswerte Performance lenkt, überrascht das Skript mit einigen unvorhergesehenen Wendungen und einem um Tiefgang bemühten Finale. Dass ausgerechnet der Schlussakt die Dynamik und den sukzessive aufgebauten Spannungsbogen wie ein Kartenhaus in sich zusammenfallen lässt, liegt an einem Schlusstwist, an dem sich die Geister scheiden werden.
«Lucy» ist ab dem 14. August bundesweit in den deutschen Kinos zu sehen.