Die Kritiker

Sophisticated und doch klischeehaft...

von

Hanns von Meuffels ist ohne Frage ein anderer, vielschichtigerer Ermittler-Typ als der stereotype «Tatort»- oder «Polizeiruf»-Kommissar. Vor Klischees ist man in der neuen Folge trotzdem nicht gefeit.

Cast und Crew

Vor der Kamera:
Matthias Brandt als Hanns von Meuffels
Sandra Hüller als Karen Wagner
Andreas Lust als Marcel Oberpriller
Axel Milberg als Max Steiner
Manuel Steitz als Martin Scharl
Vladimir Korneev als Aleksander Dushku

Hinter der Kamera:
Produktion: Bavaria Film
Drehbuch und Regie: Alexander Adolph
Kamera: Jutta Pohlmann
Produzent: Ronald Mühlfellner
Hanns von Meuffels ist keine dieser Testosteron-Maschinen, die man in schlechten «Tatorten» und «Polizeirufen» immer wieder sehen muss. Stattdessen ist er kultiviert, intelligent, beruflich erfolgreich, psychisch stabil, sophisticated und frei von Klischees. Eine Figur, mit der sich andere, feinfühliger geschriebene Romanzen erzählen lassen als mit, sagen wir mal, einem grobschlächtigen Bad-Ass-Cop wie Alexander Bukow aus Meck-Pomm.

In der neuen Folge des Münchener «Polizeirufs» vom kommenden Sonntag verguckt sich Meuffels in Karen Wagner, Abteilungsleiterin in einer JVA. Dorthin verschlägt es ihn am Anfang ausschließlich aus beruflichen Gründen: Der Jugendliche Martin Scharl sitzt da gerade in U-Haft, weil er einen anderen jungen Mann auf einer Rolltreppe getötet hat. Meuffels soll den Tatverdächtigen zum Reden bringen, was sein Polizeikollege Marcel Oberpriller, ein jähzorniger Typ, dem schnell mal eine Sicherung durchbrennt, kaum für möglich hält. Aber von Meuffels gelingt es, Scharl packt aus – und gesteht dem feinfühligen Hauptkommissar, dass er in der JVA panische Angst hat, selbst umgebracht zu werden. Von wem und weswegen, das kann oder will er nicht sagen. Es kommt, wie es kommen musste: Scharl wird bald stranguliert in seiner Zelle gefunden. Mord oder Selbstmord, das ist hier die dramaturgische Ausgangsfrage.

Während so das Whodunnit eingeläutet wird, verguckt sich von Meuffels langsam, aber sicher in die adrette JVA-Chefin Karen. In den Szenen, in denen sich diese kleine Romanze entspinnt, kann „Morgengrauen“ am besten gefallen. Sie sind stets sehr feinfühlig geschrieben, der Handlungsstrang entwickelt sich langsam und vorsichtig, ohne überstilisiert oder forciert zu werden. Alexander Adolph findet zahlreiche leise, aber effektive Momente, die er als starke Kontrapunkte zur ansonsten kalten, tristen Knastatmosphäre setzt.

An anderen Stellen sind die Kontraste dagegen zu bemüht und zu plump: Die Parallelisierung des behutsamen Kommissar Meuffels mit dem draufgängerischen Oberpriller etwa, die am Schluss große Schritte aufeinander zu machen, während der Zuschauer erkennen soll, dass die beiden so unterschiedlich gar nicht sind. An dieser Stelle ist die Beziehung zwischen Meuffels und der Knastleiterin schon lange seiner Ermittlungsarbeit zum Opfer gefallen. Die Sache nimmt ihn furchtbar mit und es kommt zum (dramaturgisch wohl unvermeidlichen) Herrenabend mit Oberpriller, der darin endet, dass die beiden sich vor dem Fernseher besaufen und Schlagersendungen gucken, wo Meuffels Hirn die Verflossene reinmontiert.

Ebenso unangenehm wird es, wenn Meuffels und sein alter Duz-Freund, der Polizeipsychologe Max Steiner über den Sinn und Unsinn von frühzeitiger Resozialisierung von Gewalttätern diskutieren. Steiner verfolgt diesbezüglich einen sehr, nun ja, rabiaten Ansatz, dem man vieles entgegnen kann und muss. Aber Meuffels Konter bleiben stets bei abgewetzten Phrasen im Stile von „Du bist dann sowas wie Gott“ – dramaturgisch pointiert, aber weitgehend gehaltlos. Verschenktes Potential angesichts dessen, was mit einer differenzierten Figur wie Meuffels möglich wäre.

Die übertrieben wirkenden formalen Spielereien fügen sich derweil nur schlecht in ein Gefüge ein, das seine Aussagekraft nur aus überstilisierten Kontrapunkten gewinnen will und die jeweiligen thematischen Ansätze nicht konsequent genug zu Ende führt. Hätte man Klischees, Plattitüden und leere Phrasen ganzheitlich vermieden statt nur in dem einen gelungenen Handlungsstrang, wäre das Ergebnis freilich sehr viel gelungener ausgefallen. So wirkt es ziemlich halbgar.

Das Erste zeigt «Polizeiruf 110 – Morgengrauen» am Sonntag, den 24. August um 20.15 Uhr.

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