Highlights der RTL-Übertragung
- Moderation an verschiedenen Orten des Stadions
- Nach dem Spiel Moderation aus dem mobilen Studio mit bildschirmfüllender Leinwand
- 3-D-Projektionen, z.B. von Spielern, kommen zum Einsatz
- 40 Kameras, u.a. verstärkter Blick auf das Stadionpublikum und den Spielertunnel
Fußball war in dieser Zeit woanders zu sehen: vor allem bei den Öffentlich-Rechtlichen mit Bundesliga und Nationalmannschaft, zeitweise bei Sat.1 mit Champions League und Europa League, zuletzt bei kabel eins mit letzterer und im ZDF mit der Königsklasse. Sat.1 zumindest thematisiert das runde Leder immer wieder – mit «Sportfreunde Pocher» und Jubiläumsspielen unter anderem. Was kollektiv zu beobachten ist: Fast immer liefert der Ballsport gute Quoten, meist sogar sensationelle. Im ZDF sind die Zahlen für Champions-League-Spiele massiv gestiegen, und kabel eins hat sich einen Namen gemacht als Europa-League-Sender – manchmal schauen dort drei Millionen und mehr zu. Bei Sat.1 holen inoffizielle Turniere vor dem Bundesligastart überdurchschnittliche Marktanteile. Gleiches gilt für Sport1, wo der Fußball-Talk «Bitburger Fantalk» (früher «Mobilat Fantalk») am besten beschreibt, welchen Stellenwert der Fußballsport mittlerweile hat: Parallel zu Champions-League-Übertragungen, die auf anderen Sendern laufen, talken Promis aus einer Essener Kneipe über dieses Spiel und andere fußballerische Themen – ohne Live-Bilder zeigen zu können. Und doch sind die Zuschauerzahlen beeindruckend.
Auch deswegen sehen Fußball-Fans einen Florian König (Foto, Mitte) an diesem Abend, denn RTL weiß um das Image des Sports, das auch auf den Sender abfärbt: Der Fußball ist an einem Punkt der Beliebtheit angelangt, an dem es fast unmöglich ist, ohne ihn Fernsehen zu machen. Wer groß im Geschäft sein – oder bleiben – will, muss sich intensiv um wichtige Fußball-Rechte bemühen. Auch dieses Zeichen sendet RTL an die Konkurrenz, und man ist nicht der erste: Als sich das ZDF im Jahr 2011 die Champions-League-Rechte sicherte, gab es zwar vereinzelte Kritik, doch das Publikum stimmte später mit der Fernbedienung ab – pro ZDF. Damals sagte RTL-Mann Tobias Schmid: „Es ist faszinierend, wie das ZDF in Zeiten, in denen die Gesellschaft eine kritische Auseinandersetzung mit dem Umgang mit Gebühren fordert, das Geld mit vollen Händen raus wirft, um etwas anzubieten, was der Zuschauer längst hatte - und zwar ohne einen Cent unserer Gebühren.“
Mittlerweile hat RTL trotzig eingesehen, dass es ohne Fußball nicht geht, und dass man beim Kampf um TV-Rechte auch nicht auf finanztechnische Gnade der Öffentlich-Rechtlichen oder auf eine Gebührendiskussion hoffen darf. Dass es zu harten Bieterkämpfen um künftige Live-Bilder kommt, ist aber nicht die logische Folge: Die Verbände und ihre Vermarkter kennen die TV-Märkte genau – und auch sie wissen, an welchen Stellen noch Geldreserven zu schöpfen sind. Sprich: Für die Rechte müssen Sender an ihre finanzielle Schmerzgrenze und darüber hinaus gehen; oftmals bleibt am Ende überhaupt nur noch ein zahlungskräftiger Partner übrig. Beispielsweise 2011, als Sat.1 bei weitem nicht so viel für die Champions League zahlen konnte (oder wollte) wie das ZDF – und so letztlich das Bieten verlor.
RTL soll für das neue Quali-Paket rund 100 Millionen Euro auf den Tisch gelegt haben, auch weil sich die Ausschreibungsmodalitäten änderten: Die Qualifikation wurde von der UEFA zentral vermarktet, nicht mehr vom DFB. In Köln denkt man außerdem laut darüber nach, ernst bei den Bundesliga-Rechten ab 2017/18 mitzubieten. Der quotenmäßig angeschlagene Marktführer weiß um das Gewicht des Sports, das auch mit veränderten Sehgewohnheiten zu tun hat, wie RTL-Sportchef Manfred Loppe gegenüber „Sponsors“ sagte: "Es gibt Formate und Events, die ordnet man als ‚must see’ ein. Die Fragmentierung und Digitalisierung arbeiten dieser Kategorie nicht gerade zu, im Gegenteil. Sport als emotionales Spannungsfeld hat daher große Chancen, weiter geliebt und weiter gesehen zu werden." Fußball ist also ‚must see’ geworden – und für die Sender demzufolge ‚must buy’.
Dem normalen Fan ist all dies egal; er wird in den nächsten vier Jahren bereitwillig zu RTL umschalten, wenn die Qualifikationsspiele der deutschen Nationalmannschaft anstehen. Dort hat man am Sonntagabend zwar den Ball nicht neu erfunden, aber einige – wirklich wahrnehmbare – technologische Spielereien parat (siehe Infobox). Ebenfalls abwechslungsreich ist die bereits angesprochene Moderation von verschiedenen Orten. Die Dynamik des Rasens überträgt sich so ein wenig auf die gesamte Berichterstattung. Die von RTL hervorgehobenen zahlreichen Kameraperspektiven fielen weniger auf; vielleicht auch, weil sie bei WM und Co. schon zur Gewohnheit geworden sind. Beeindruckend ist das Studio, das – ganz in moderner «Tagesschau»-Optik – bildschirmfüllende Panoramabilder auf zwölf Monitoren liefert, unter anderem mit einem Live-Bild aus dem Stadion. So vermittelt man Tribünen-Atmosphäre, obwohl man aus den Katakomben sendet.
Und das Team? Florian König spielte gewohnt souverän und unaufgeregt durch, hatte aber kaum Höhepunkte – im Bundestrainer-Sprech wäre er wohl solider Stammspieler in der Abwehr. Kommentator Marco Hagemann dribbelte sich erfrischend durch die Partie, bewies eine gute Spielübersicht. Der renommierte Sport-Fachmann, der auch im Tennis zuhause ist, darf gern langfristig aufgestellt werden. Und Experte Jens Lehmann behielt den Überblick, preschte nicht vor – anders als ZDF-Experte Kahn –, machte aber auch keine Fehler – anders als ARD-Mann Scholl beim jüngst wieder in die Diskussion gekommenen Spruch gegen Mario Gomez im Jahr 2012. Lehmanns Zusammenspiel mit Florian König ist noch etwas langweilig, das Fernduell mit dem anderen Ex-Keeper und Jetzt-Experten Oliver Kahn gibt es so (noch) nicht: Kahn profilierte sich in den letzten Jahren durch die Ansprache psychologischer Aspekte des Spiels und durch markante Aussagen, die nicht immer dem Konsens entsprechen. Lehmann, zuletzt Sky-Experte, lieferte am Sonntagabend einen guten Einstand, auch wenn das taktische Element generell bei RTL vernachlässigt wurde.
Für Bundestrainer Joachim Löw war der Besuch bei König und Lehmann ebenfalls eine Premiere, und als Gastgeschenk servierte man ihm den berüchtigten Espresso, den Löw sonst bei Pressekonferenzen verschlingt. Um diese Zeit trinke er keinen Espresso mehr, lehnte der Nationaltrainer dankend ab. Nur um dann doch kurze Zeit später zur Tasse zu greifen. Es ist ein wenig wie mit der gesamten Übertragung: Eigentlich schmeckt es dem gemeinen, gewohnheitsliebenden Fußball-Fan nicht, dass nun noch ein Sender im Fußballzirkus mitmischt. Am Ende hat’s dann aber doch geschmeckt.