Filmfacts: «Katakomben»
- Kinostart: 11. September 2014
- Genre: Horror
- FSK: 16
- Laufzeit: 93 Min.
- Kamera: Léo Hinstin
- Buch: Drew Dowdle, John Erick Dowdle
- Regie: John Erick Dowdle
- Darsteller: Perdita Weeks, Ben Feldman, Edwin Hodge, François Civil, Marion Lambert, Emy Lévy
- OT: As Above, So Below (USA 2014)
- © Legendary Pictures / Universal Pictures1 / 2
John Erick Dowdle kennst sich mit der Inszenierung von klaustrophobischen Räumen aus. Sein letztes Projekt «Devil - Fahrstuhl zur Hölle» drehte der US-Amerikaner 2010. Davor arbeitete der 41-Jährige als Regisseur und Drehbuchautor an «Quarantäne», dem Remake zum spanischen «REC».
Unter den Pflastern von Paris
Scarlet Marlowe (Perdita Weeks) ist eine erfolgreiche Archäologin und hat sich ganz auf die Entdeckung und Dechiffrierung geheimnisvoller Symbole spezialisiert. Als sie von einem unentdeckten Gang in den Katakomben von Paris hört, ist ihr Interesse geweckt. Mit einigen Freunden begibt sich Scarlet in ein unterirdisches Labyrinth aus Knochen und Felsen. Zu Beginn schlägt der Gruppe nur die Enge und Dunkelheit aufs Gemüt, doch nach und nach kommen den Entdeckern Zweifel an ihrer Mission. Immer tiefer dringen sie in ein unerforschtes Gebiet vor, das ein Geheimnis birgt, das nie hätte gelüftet werden dürfen und die Freunde mit ihren inneren Dämonen konfrontiert.
Mit der Wahl einer Found-Footage-Inszenierung hat sich John Erick Dowdle im Falle von «Katakomben» einen großen Gefallen getan. Nicht nur, dass es der Handkamera in ihrer unverfälschten Weise auf das Vortrefflichste gelingt, die beklemmende Enge in den Katakomben einzufangen, auch auf der Erzählebene macht es durchaus Sinn, dass Archäologen ihre Forschungen heutzutage selbst via Cam festhalten. So umgeht «Katakomben» von Anfang an das im Genre häufig auftretende Glaubwürdigkeitsproblem und kommt entsprechend bodenständig daher. Auch die Einführung sämtlicher Charaktere nimmt für Found-Footage-Verhältnisse erstaunlich viel Platz ein. So vergeht über eine halbe Stunde, eh es die Nachwuchsforscher endlich ins unterirdische Paris verschlägt. Das Skript, verfasst vom Regisseur John Erick sowie seinem Bruder Drew Dowdle (beide schrieben unter anderem auch die Drehbücher zu «Quarantäne» sowie «Devil – Fahrstuhl zur Hölle»), erzählt schnörkellos von den Ereignissen, bettet immer wieder geschickt Hintergrundinformationen zu den Protagonisten ein und sorgt so dafür, dass die Figuren ein ordentliches Profil enthalten, ohne dass sich der Film allzu lange an der genauen Charakterisierung aufhalten muss. Für das Publikum ergibt sich rasch ein Zugehörigkeitsgefühl; wenn der wahre Horror erst einmal losgeht, bekommt es auch der Zuschauer mit der Angst zu tun.
Dass «Katakomben» mehr ist als ähnlich gelagerte Abenteuerschocker der Marke «The Descent» fördert alsbald die Story zutage. Regisseur Dowdle lässt nicht etwa ein haariges Monster als Antagonisten auf die liebgewonnenen Charaktere los, sondern konfrontiert die Figuren mit ihren eigenen Kellerleichen. Elemente wie ein Klavier, ein Telefon oder ein brennendes Auto werden zu Symbolen nicht überwundener Ängste, die zwischen den Knochenbergen der französischen Unterwelt auf ihre Urheber warten. Womit es Scarlet, ihre Kollegen und letztendlich der Zuschauer hier eigentlich zu tun bekommt, umreißen die Macher nur vage. Dennoch lässt das Skript einige Schlüsse zu, die dem Publikum das Blut in den Adern gefrieren lassen. Wenn die charmante Newcomerin Perdita Weeks («The Invisible Woman»), die optisch glatt als Anne-Hathaway-Double durchgehen könnte, anhand eines Schriftzuges Parallelen zum sagenumwobenen Hölleneingang feststellt, ist dieser Ansatz ebenso einleuchtend wie die Berufung auf die zum Originaltitel «As Above So Below» passende Hermetik-Maxime, die besagt, dass alles, was oben ist, auch unten passiert. Somit fehlt «Katakomben» zwar ein greifbarer Antagonist, gewinnt dafür aber an philosphischem Beigeschmack und schlägt all jenen Kritikern ein Schnippchen, die das Horrorgenre selbst gern als „dumm“ abstempeln. Gerade hierdurch zeigt sich auch die Gesamtqualität der Produktion: Lange Zeit zeigte sich kein Horrorfilm mehr so ambitioniert erzählt und mitreißend. Die durchgehend herausragenden, da über alle Maße authentischen Schauspielleistungen runden diesen beachtlichen Gesamteindruck ab und unterstreichen einmal mehr die Tatsache, dass auch augenscheinlich wenig innovative Genre-Beiträge unter der richtigen Hand ganz großes, zum Teil äußerst emotionales Qualitätskino sein können.
John Erick Dowdle scheut keine Kosten und Mühen, um seinem Publikum den ultimativen Kick zu bescheren. Dass die Katakomben im Film keine Kulissen sind, sondern ebenjenes Schädellabyrinth unterhalb der französischen Hauptstadt, verleiht «Katakomben» zusätzliches Flair. Obgleich sich der Streifen als weitaus intensiver entpuppt, wenn sich das Publikum auch mit dem Background der Story befasst, kann der Horrorfilm ebenso oberflächlich unterhalten. In Gänze auf Musik verzichtend ist es vorrangig die Arbeit des französischen Kameramannes Léo Hinstin («L’amour fou»), die hier glaubwürdig die Ängste der Protagonisten einfängt und immer wieder für punktgenau platzierte, visuelle Schocks sorgt. Obsessive Gewalt sucht man in «Katakomben» derweil vergebens. Dowdle überlässt die Brutalitäten der Vorstellungskraft des Zuschauers und schafft es somit, eine permanente Anspannung aufrechtzuerhalten, die sich erst mit Einsetzen des Abspannes entlädt. Die Prämisse erweist sich dabei als derart unvorhersehbar, dass der Ausgang bis zum Finale vollends offen bleibt – ein Ritterschlag für einen Horrorfilm des 21. Jahrhunderts.
Fazit: Mit seinem neusten Projekt ist John Erick Dowdle ein Found-Footage-Schocker der Extraklasse gelungen. «Katakomben» treibt nicht nur den Puls des Zuschauers in die Höhe, sondern hat obendrein eine Story zu bieten, die überrascht, bewegt und so geheimnisvoll ist, dass man am liebsten selbst einmal die Unterwelt Frankreichs erkunden möchte. Wenn man sich das nach dem Genuss von «Katakomben» denn noch traut, versteht sich…
«Katakomben» ist ab dem 11. September in den deutschen Kinos zu sehen!