Hinter den Kulissen
- Regie: Jake Kasdan
- Produktion: Todd Black, Jason Blumenthal und Steve Tisch
- Drehbuch: Kate Angelo, Jason Segel und Nicholas Stoller
- Story: Kate Angelo
- Musik: Michael Andrews
- Kamera: Tim Suhrstedt
- Schnitt: Steve Edwards und Tara Timpone
Solche Skandale sind allerdings auch aus einem anderen Grund zu einem beachtlichen Gradmesser der gesellschaftlichen Befindlichkeit aufgestiegen. Denn die Reaktion auf die stets über ominöse Wege in den Umlauf gelangenden Videos oder Fotografien sagt einiges über den kulturellen Wertewandel aus. Als jemand die Nacktaufnahmen von «High School Musical»-Hauptdarstellerin Vanessa Hudgens ins Internet stellte, war der Aufschrei groß. Jedoch sprach kaum wer davon, dass Hudgens' Privatsphäre verletzt wurde – der generelle Tenor war viel eher: „Wie kann so jemand nur Nacktfotos machen! Sie ist eine Disney-Schauspielerin! Die soll sich mal was schämen!“ Diese Verlautbarungen waren derart weit verbreitet und teils so bitter formuliert, dass der Familienkonzern Hudgens dazu drängelte, eine öffentliche Bitte um Vergebung für ihren Lapsus zu formulieren.
Als in den Folgejahren private Fotos von Blake Lively und Scarlett Johansson ihren Weg ins Web fanden, blieb die Empörung dagegen aus. Die Reaktion, die nach dem 31. August 2014 endlich von einer Mehrheit lautstark vertreten wurde, blieb aber weiterhin aus. An jenem Tag bot ein Hacker unzählige Nacktfotos von rund 100 (mehr oder weniger) prominenten Frauen feil – darunter von Oscar-Gewinnerin Jennifer Lawrence, «Duell der Magier»-Nebendarstellerin Teresa Palmer und «Melancholia»-Star Kirsten Dunst.
Nach einer kurzen zynischen Welle, so wurde dieser Vorfall in den sozialen Netzwerken „The Fappening“ getauft (zu deutsch ungefähr: „Das Erwichsnis“), schlug der gesellschaftliche Tenor endlich in eine neue Richtung. Prominente, Journalisten und Normalbürger zeigten sich erbost über die im Internet erkennbare Doppelmoral. User, die sich über NSA-Schnüffeleien beschweren und Facebook aufgrund undurchsichtiger Privatsphäre-Einstellungen an den Pranger stellen, wurden kritisiert, wenn sie sich erfreut über die geleakten Bilder äußerten. Die Debatte über vermeintlich dumme Frauen, die halt einfach keine Nacktfotos schießen sollen, wurde im Keim erstickt. An deren Stelle blühte eine Diskussion auf, die amoralische Hacker, Apples Sicherheitsstandards und die misogyne Kultur, in der wir Leben, ins Auge fasste.
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Im direkten Vergleich mit dem anstrengenden, orientierungslosen «Bad Teacher», in dem Kasdan ebenfalls Cameron Diaz und Jason Segel durch ein dünnes Comedykonzept steuerte, ist «Sex Tape» eine klare Verbesserung. Ellenlange Fremdschammomente bleiben in der von Kate Angelo, Jason Segel & Nicholas Stoller verfassten Komödie ebenso aus wie eine Parade aus unausstehlichen Figuren. Was an «Sex Tape» dagegen auffällt, ist wie erstaunlich handzahm der Film geraten ist. Für eine Produktion mit dem Titel «Sex Tape» gibt es recht wenig nackte Haut zu sehen: Cameron Diaz entblößt für wenige Sekunden ihren Hintern, Jason Segel zeigt weitaus weniger von seinem Körper als im herausragenden «Nie wieder Sex mit der Ex». Und dann fällt auch die Sprache von «Sex Tape» wenig brisant aus: Zwar empfiehlt es sich wahrlich nicht, ein Trinkspiel auf die Wörter „Sex“, „nackt“ oder „vögeln“ zu machen, trotzdem war etwa auch Til Schweigers «Keinohrhasen» in seinen Dialogen wagemutiger als «Sex Tape».
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- © 2014 Sony Pictures Releasing GmbH1 / 2
1989 war Rob Lowe selbst in einem Skandal verwickelt, bei dem es ebenfalls um ein Sex Tape von ihm ging.
Jason Segal und Cameron Diaz wieder vereint!
Die versehentliche Verbreitung des Sexfilmchens ist also nur der Aufhänger für eine Romantikkomödie, die vom Wiederaufflammen einer Ehe handelt. Dies wäre schön und gut, hätten Diaz und Segel in dieser Komödie so eine spürbar gute Leinwandchemie wie noch im anderweitig unterlegenen «Bad Teacher». Die ernst gemeinten gemeinsamen Szenen der zwei Komödienstars zünden nur selten. Genauso gehen die Bemühungen des Skripts, ein authentisches Bild einer eingeschlafenen Liebesbeziehung zu zeichnen, nur in der Sequenz auf, in der Jay und Annie überlegen, wie sie aus ihrer sturmfreien Nacht das Beste machen können. Ansonsten sind die reichen, kreuzbraven Figuren zu konstruiert, als dass sich zu ihnen eine emotionale Bindung einstellen könnte. Das titelgebende Sexvideo hingegen ist weder schockierend, noch lustig, sondern schlicht dröge.
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Halbwegs attraktiv ist «Sex Tape» allerdings erst, sobald diese Komödie in den gesellschaftlichen Kontext eingeordnet wird. Das Skript von Angelo, Segel & Stoller distanziert sich von der lang verbreiteten „Ein Sexfilmchen?! Schande über euch!“-Einstellung. Die große, respektable Lektion des Films ist sogar, dass niemand allein aus seinem öffentlichen Image besteht – und sich dafür nicht zu schämen hat. Die Vorzeigemutter kann den Sex mit ihrem Gatten genießen und der Boss eines Familienkonzerns darf liebend gern Slayer hören. Hinsichtlich anderer Aspekte hinkt «Sex Tape» dagegen hinter der immer lauter werdenden öffentlichen Diskussion her. So muss sich Annie, nachdem zwei ihrer Bekannten das Video gesehen haben, anhören, dass sie keinen Grund habe, gegen die Verbreitung des Filmchens zu rebellieren – schließlich habe sie einen heißen Körper und solle zu ihm stehen. Ihre eigene Entscheidungsfreiheit? Über die wird rasch hinweggefegt, was die unschöne Implikation hat, dass Frauen mit attraktivem Körper eine Objektifizierung gefälligst zu erdulden hätten.
Unklar ist derweil, ob Annie und Jay mit ihrer Odyssee hätten rechnen müssen oder ob eher die Worte eines spät im Film auftauchenden Gaststars (der hier nicht enthüllt werden soll) für den Regisseur stärkeres Gewicht aufweisen: Es gibt genügend von exhibitionistisch veranlagten Menschen erstellte Pornografie im Internet, weshalb es nicht befürwortet werden kann, wenn Sexvideos gegen den Willen der Beteiligten ins Web gelangen.
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Fazit: «Sex Tape» ist gewissermaßen ein Produkt seiner Zeit und es dürfte spannend sein, in einigen Jahren darauf zurückzublicken, wie 2014 mit den Themen des Films umgegangen wurde. Von seinem medialen und kulturellen Kontext losgelöst ist «Sex Tape» allerdings äußerst austauschbar. Das solide Tempo und die humorigen Nebenfiguren heben ihn über vergleichbare Komödien wie «Bad Teacher». Da die Hauptfiguren aber nur wenige Lacher bieten und auch der Schockfaktor komplett ausbleibt, ist «Sex Tape» unterm Strich nur kaum mehr als ein laues Comedylüftchen.
«Sex Tape» ist ab dem 11. September 2014 in vielen deutschen Kinos zu sehen.