Was für ein Showabend
Die erste (und womöglich letzte) Ausgabe von «Sing wie dein Star» suchte sich einen hart umkämpften Abend für ihre Ausstrahlung aus. Bei ProSieben buhlte «Schlag den Raab» mit der ersten Folge nach der Sommerpause ums Publikum, im ZDF wiederum warb die musikalisch geprägte Live-Gala «40 Jahre Deutsche Krebshilfe» um die Zuschauer. Vor allem die Kampfprogrammierung zwischen ARD-Musikspaß und ZDF-Charityshow wurde auch von Fritz Pleitgen scharf kritisiert. Mehr dazu hier.Dennoch ist «Sing wie dein Star» kein Revival des 90er-Quotenhits. Die Adaption des in rund 30 Länder verkauften, spanischen Formats «Your Face Sounds Familiar» setzt, im Gegensatz zu Marjike Amados Kindersendung, auf Livegesang. Und es sind hier keine Kinder, die so tun als wären sie Superstars – es sind deutsche Promis, die in die Kluft ihrer Vorbilder schlüpfen. Dies ändert aber wenig daran, dass der Auftritt mehr zählt als das stimmliche Können. So versetzt «Bauer sucht Frau»-Moderatorin Inka Bause als Cher das Saalpublikum nahezu in Euphorie. Dabei passt der Song „If I Could Turn Back Time“ wenig zum Timbre ihrer Gesangsstimme und die längeren Noten trifft sie auch schlechter als etwa Michelle, die sich zuvor in Katy Perry verwandeln ließ. Dafür mutiert Bause im Studio aber zur Rampensau, interagiert mit ihren hyperaktiven Backgroundtänzern, der Jury sowie dem Saalpublikum.
Insofern hat die Grundidee von «Sing wie dein Star» etwas von einer Promi-Kostümparty. Die Kandidaten Michelle, Janina Hartwig, Matthias Steiner, Lutz van der Horst, Francis Fulton-Smith und Inka Bause schmeißen sich in ikonische Outfits von Tom Jones, Freddy Mercury, Madonna und Konsorten, hüpfen mit ansteckender Freude am Auftritt vor einer schillernd beleuchteten Showbühne herum und obendrein singen sie eben. Neue Gesangstalente werden hier nicht entdeckt – die Promis ohne Musikhintergrund machen ihren Vorbildern wahrlich keine Konkurrenz. Trotzdem muss den Teilnehmern, ihren Gesangstrainern und wohl auch den fürs Casting verantwortlichen Redakteuren ein Kompliment ausgesprochen werden: Obwohl der Gesang eher schmückendes Beiwerk darstellt, lassen sich die Darbietungen der Promis angenehm hören. So gesehen ist «Sing wie dein Star» auch eine bessere Version der grottigen RTL-Show «Star Duell», die 2004 eine verdiente Bruchlandung hinlegte.
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Dass allein die Jury (Yvonne Catterfeld, Ben Becker & Rolando Villazón) und das Saalpublikum abstimmen dürfen, entschuldigt Pilawa derweil damit, dass man heutzutage eh keine Zuschauervotings wagen sollte. Der wahre Grund ist, dass es sich bei «Sing wie dein Star» um eine Aufzeichnung handelt. Da die Show auch ohne Livecharakter funktioniert, fällt dies aber nicht weiter ins Gewicht. Sollte Das Erste mit einer Fortsetzung liebäugeln, wäre es dafür ratsam, den Sendungsablauf zu straffen. Denn zumindest die Premiere ließ sich so ihre Zeit: Vor jedem Auftritt gibt es einen ausgedehnten Beitrag, der die Proben zeigt, wobei die Clips zum ersten Durchlauf außerdem eine Vorstellung des Promis und ein Interview zwischen Pilawa und dem Kandidaten umfassen. Nach der Performance folgen darüber hinaus eine lange Jurystellungnahme sowie Videogrußbotschaften von Kollegen des singenden Promis.
Zum Vergleich: Bevor auch nur der zweite Vorstellungsclip des Abends anfing, wurden parallel dazu bei «Schlag den Raab» (der Mutter der modernen deutschen Showlänge) fünf potentielle Kandidaten vorgestellt, Raabs Herausforderer gewählt und das erste Spiel absolviert. Die lange Laufzeit ist natürlich kein Problem, das sich auf «Sing wie dein Star» beschränkt. Seit Stefan Raabs epochale Wettbewerbsshow Teil der hiesigen Fernsehlandschaft ist, scheint sich jede neue Produktion mit ihr messen zu wollen. „Kurz und knackig“ sollte aber kein Tabu sein. Manche Shows können mehr als drei Stunden tragen – wie nun einmal «Schlag den Raab». «Sing wie dein Star» hingegen will gar nichts vom Bombast der Raab-Show haben – wieso also nicht die Spritzigkeit der Bühnenauftritte unterstreichen und die Sendung rascher abhandeln?
Mit weniger Einspielern, die sich zudem kürzer fassen, und notfalls auch im Schneideraum zusammengerafften Jurykommentaren kann «Sing wie dein Star» gut und gerne 30 bis 45 Minuten Laufzeit verlieren. Und somit an Energie gewinnen, sich auf Anblicke konzentrieren, wie Matthias Steiner als Meat Loaf, Lutz van der Horst als Amy Winehouse und Michelle in einer toll gefilmten Mireille-Mathieu-Hommage. Schade nur, dass sich das wenig geräumige, etwas piefige Bühnenbild trotz vielseitigem Lichtdesign kaum für die oft mit vielen Requisiten und Tänzern arbeitenden, exzentrischen Auftritte eignet.
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