Die Kino-Kritiker

«Walking on Sunshine»

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Sorgt das Musical «Walking on Sunshine» mit seinen 80er-Hits und knalligen Tanzeinlagen für Urlaubslaune?

Hinter den Kulissen

  • Regie: Max Giwa & Dania Pasquini
  • Produktion: James Richardson
  • Drehbuch: Joshua St Johnson
  • Originalmusik: Anne Dudley
  • Kamera: Philipp Blaubach
  • Schnitt: Robin Sales
Jukebox-Musicals – unter Freunden der gesungenen Film- und Bühnenkunst eine heiß diskutierte Gattung. Es ist ein Leichtes, Musicalfreunde zu finden, die Gift und Galle spucken, wenn sie auf diese Ansammlungen von Pophits angesprochen werden. Schließlich widersprechen sie dem Grundgedanken guter Musicals, mit speziell für sie verfassten Liedern kunstvoll eine Geschichte zu erzählen. Stattdessen reihen die meisten Jukebox-Musicals bekannte Charterfolge aneinander und spinnen ihre Story um diese Evergreens herum. Jedoch haben Jukebox-Musicals auch ihre Anhängerschaft. Im Idealfall zelebrieren diese Shows und Kinofilme die von ihnen verwendeten Songs liebevoll und formen aus ihnen eine vergnügliche Story, bei der eine Wechselwirkung entsteht: Die Geschichte profitiert von den Liedern, die Lieder wiederum gewinnen durch den neuen Kontext.

Ein Paradebeispiel stellt das ABBA-Musical «Mamma Mia!» dar, das kitschig und mitunter albern ist. Dessen sind sich die Macher jedoch durchweg bewusst, so dass sie es zu einer extrem spaßigen Nummernrevue formieren – deren zentraler Plot dennoch genug Herz hat, um das Publikum mit den Figuren mitfühlen zu lassen. Die Verantwortlichen hinter der britischen Kinoproduktion «Walking on Sunshine» wiederum ließen sich offenbar von den überzeichneten Aspekten der Welthits inspirieren, erwarben die Rechte an einer Vielzahl spaßiger 80er-Chartkracher und vermengten diese zu einem ebenso knalligen wie gehaltlosen Feel-Good-Movie. Die musikalische Komödie ist fast schon eine Parodie von «Mamma Mia!» – und somit zwar keine wertvolle Bereicherung des Musical-Pantheons, dafür allerdings auch, bei entsprechender Grundeinstellung, ein Garant für 90 feuchtfröhliche Filmminuten.

Wie in «Mamma Mia!» geht es auch in «Walking on Sunshine» um allerlei Komplikationen, die sich im Vorfeld einer Hochzeit vor sonniger Mittelmeerkulisse ereignen. Statt einer jungen Erwachsenen, die ihre Ehefeierlichkeiten in Griechenland nutzt, um herauszufinden, wer ihr Vater ist, steht hier aber ein klassisches Liebes-Viereck im Mittelpunkt: Die unverbesserliche Romantikerin Taylor (Hannah Arterton) hat ihr Studium hinter sich gebracht und kann sich daher endlich wieder eine Urlaubsreise gönnen. Und nicht nur irgendeine Urlaubsreise: Es geht nach Italien, wo ihre umtriebige Schwester Maddie (Annabel Scholey) erst kürzlich den Mann fürs Leben kennenlernte und ihn nun heiraten will. Bei diesem handelt es sich jedoch ausgerechnet um Raf (Giulio Berruti), Taylors große Ferienliebe von vor drei Jahren. Als wäre dies nicht schon stressig genug, taucht ausgerechnet Maddies Ex-Lover Doug (Greg Wise) wieder auf und umgarnt die künftige Braut …

Die Story aus der Feder von Joshua St. Johnson ist so überschaubar, sie könnte auf ein CD-Cover passen. Schon sehr bald deuten die Dialoge überdeutlich an, wie der Liebestrubel ausgehen wird und ab dann geht es schnurstracks in Richtung Finale. Immerhin gibt sich diese Pseudostory nicht als etwas aus, das sie nicht ist: Es gibt keinerlei die durchschaubare Handlung ausbremsenden Sackgassen und keine schalen Versuche, diesem Filmstoff einen Hauch Dramatik zu verleihen. Da das Drehbuch so löblich schnörkellos ist und den roten Faden zwischen den Gesangseinlagen ohne unnötigen Pathos abspult, verschiebt sich der Fokus dieses Musicals exklusiv auf die Musik und die figurenbasierten Späße.

Besagte Figuren sind zwar deutlich flacher als ihre heimlichen «Mamma Mia!»-Vorbilder, allerdings weiß das Ensemble damit umzugehen: Annabel Scholey hat tierische Freude daran, die verwöhnte, dennoch charmante Zicke zu verkörpern und geht vor allem in den ironisch überzeichneten Sequenzen auf. Ähnlich amüsant ist «Sinn und Sinnlichkeit»-Darsteller Greg Wise, der dem stets gelackten, selbstverliebten Doug eine kecke Ader verleiht und dank viel Selbstironie für einige der lustigsten Szenen verantwortlich ist. Währenddessen schröpft Komikerin Katy Brand das Beste aus dem ihr vom Skript gebotenen „Die sexlustige Dicke“-Archetyp, Protagonistin Hannah Arterton wiederum macht vor allem durch unbändige Energie auf sich aufmerksam. Männermodel Giulio Berruti dagegen ist nur dazu da, um gut auszusehen – das kriegt der Italiener aber hin, ohne dass sein überschaubares schauspielerisches Talent negativ auffällt. Popstar Leona Lewis fügt sich schon schlechter in die Riege der Nebendarsteller, da sie aber nur eine Handvoll Szenen hat, stört die Diva kaum, zumal zwischen den Liedern sowieso genug knallig-überdrehte Späße geschehen, um sich als Zuschauer nicht weiter an Nebensächlichkeiten aufzuhalten.

Die Songs von «Walking on Sunshine»

  • "Holiday" (Madonna)
  • "Venus" (Bananarama)
  • "How Will I Know" (Whitney Houston)
  • "The Power of Love" (Huey Lewis and the News)
  • "Don't You Want Me" (The Human League)
  • "Walking on Sunshine" (Katrina and the Waves)
  • "Eternal Flame" (The Bangles)
  • "Girls Just Wanna Have Fun" (Cyndi Lauper)
  • "The Wild Boys" (Duran Duran)
  • "It Must Have Been Love" (Roxette)
  • "Faith" (George Michael)
  • "White Wedding" (Billy Idol)
  • "If I Could Turn Back Time" (Cher)
  • "Wake Me Up Before You Go-Go" (Wham!)
Humoristischer Feinsinn wird in der neusten Regiearbeit von Max Giwa & Dania Pasquini («Streetdance») natürlich nicht geboten – viel eher werden unentwegt Leute in Pools geschubst, Passanten verführt und Geheimnisse mehr schlecht als recht verborgen gehalten. All dies wird von den Regisseuren aber in einer so selbstbewusst-aufgedrehten Weise inszeniert und von den Darstellern so unverschämt spaßig gespielt, dass der Funke überspringt.

«Walking on Sunshine» ist ein gewollt dummes, energiereiches, übertriebenes Sommermusical, bei dem man weiß, was man bekommt – und wer die schrilleren «Mamma Mia!»-Momente mochte, wird auch hier etwas für sein Geld bekommen. Vorausgesetzt natürlich, dass ein Faible für die Popmusik der 80er mit in den Kinosaal gebracht wird. Immerhin: Anders als beim Jukebox-Musical «Rock of Ages», das viele seiner Songs mit zahnlosen Neuarrangements zerstörte, feiert «Walking on Sunshine» das Originalflair seiner Lieder. Zwar gilt auch hier, dass meistens die Originalversionen alleinstehend besser funktionieren, im Zusammenspiel miteinander sind die Coverfassungen der gesanglich talentierten Darsteller jedoch sehr schmissig. Zudem bieten die einfallsreichen Choreographien mit ihren cartoonig-großen Gesten ein kitschig-spritziges Sehvergnügen, nicht zuletzt aufgrund des pointierten Schnitts und der farbenfrohen Kinematografie.

Gegner von Jukebox-Musicals kann diese UK-Produktion wohl kaum überzeugen, dafür sind die Figuren und die Handlung zu platt und die Einarbeitung der Lieder zu unkreativ. Wer sich für eine Hitansammlung erwärmen kann, dürfte an dieser aber Spaß haben. Denn: Mit kreativen Choreographien, aufgedrehtem Witz, engagierten Performances und hohem Tempo übertrifft «Walking on Sunshine» Konkurrenzprodukte wie «Rock of Ages» und stellt zudem eine fluffige Alternative dar, wenn es bei Mittelmeer-Musicallaune Mal nicht «Mamma Mia!» sein soll.

Fazit: «Walking on Sunshine» ist das filmische Äquivalent zu einer Cocktailstunde am Strand: Sonnig, kunterbunt, gut aufgelegt – und alles andere als gehaltvoll.

«Walking on Sunshine» ist ab dem 25. September 2014 in einigen deutschen Kinos zu sehen.

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